Tunis und seine Umgebung

Ethnographische Skizzen
Autor: Kleist, Hugo (1842-1907) Stabsarzt und Schrenck von Notzing, Albert Ludwig Johann Freiherr von (1837-1906) Offizier, Erscheinungsjahr: 1888

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Tunesien, Tunis, Nordafrika, Araber, Mauren, Reisebeschreibung, Kultur, Afrikareisende, Völkerwanderung, Kulturleben, Reisende, Reisehandbuch, Karthago,
        Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
        Den schickt er in die weite Welt.

                                        Aristoteles.

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Unter dem bestrickenden Zauber des für unser nordisches Auge so wunderbaren Volkslebens in Tunis, überwältigt von dieser noch nie gesehenen Ansammlung der Völker und Stämme von nahezu zwei Erdteilen auf so engem Raum, fassten wir, zwei preußische Offiziere, welche von der Hauptstadt Deutschlands aus Süd-Europa durchstreift hatten und zum ersten Male den Fuß auf afrikanischen Boden setzten, sofort den Beschluss, dieses Kaleidoskop, gleichsam ein Märchen aus Tausend und einer Nacht, nicht schnell und spurlos an uns vorübergleiten zu lassen, sondern alle die Lichtbilder zu fixieren, die Resultate unserer Beobachtungen und Studien in engem Rahmen niederzuschreiben, unsern Freunden und Landsleuten zur Anregung, sich der gleichen Genüsse zu erfreuen und bei weiteren Reisen nach dem Süden den Besuch von Tunis nicht zu verabsäumen.

Der Abschied von Europa war uns schwer gemacht worden, Natur und Kunst hatten uns daselbst in den verflossenen Monaten viel Herrliches geboten.

Prag und Wien hatte der eine von uns berührt, im Schnee von Mariazell Alpenrosen gebrochen, die Dioskuren-Kaiserbäder Ischl und Gastein besucht, dort das Kaiserpaar Österreichs aus nächster Nahe ehrfurchtsvoll gegrüßt, hier von unserem Heldenkaiser, dem „Imperatore Barba Bianca" der Italiener, und seinem großen Kanzler Wahrheit und Dichtung gehört; vom Zypressenhain des alten Schlosses Arco zum Monte Baldo empor und in die herrlichen blauen Fluten des Benacus hin abgeschaut. Längs der adriatischen Küste hatte er die sonnigen Fluren Italiens im Fluge durcheilt, nur das zum Empfang des Königspaares festlich geschmückte Venedig in tausendfachem Lichterglanz von neuem bewundert, und vor dem gewaltigen Grabmal des großen Gotenkönigs Theodorich auf dem Rasenteppich Ravennas dem Schlage der Nachtigall gelauscht; von Reggio aus das Sagenreiche Trinacria begrüßt, war zwischen Scylla und Charybdis, den jetzt so zahm gewordenen Meeresungeheuern hindurchgesteuert, in Messina gelandet und hatte in Taormina, Catania, auf dem Ätna, in Syracus, Girgenti und Palermo köstliche vierzehn Tage verlebt.

Der andere hatte auf einem Hamburger Dampfer ganz Europa umschifft, schwere Aequinoctialstürme im atlantischen Meere erlebt; die spanische sowie die nordafrikanische Küste von Marokko bis Tunis, darauf Sizilien umschifft, die türkische Westküste gestreift und das Inselmeer Dalmatiens durchfahren und nach ununterbrochener Fahrt von drei Wochen in Folge weiterer Stürme auf afrikanischem Meere in Triest zuerst das Land betreten; dann sämtliche Häfen der italienischen Ostküste bis Táranto hinunter besuch, die Insel der Penelope begrüßt, in Missolunghi der heroischen Befreiungskämpfe der modernen Griechen und ihres im herrlichen Park der Villa Landolina bei Syracus ruhenden Sängers, des Grafen Platen, so wie von Patras aus auf den Ausläufern des Olymp des klassischen Hellenentums und des „Vaters der Götter und Menschen" beim Glase edlen Malvasiers gedacht; den Meerbusen von Korinth durchfahren und in Catania auf Sizilien seinen stolzen Dampfer verlassen.

Wir hatten außer den kurzen Notizen, welche das Handbuch von „Baedeker" über Tunis liefert, durch Vorstudien in der Heimat trotz eifrigen Nachforschens in den Buchhandlungen wenig über Stadt und Land erfahren. Für die vielen Tausende Vergnügungsreisender, welche jahraus jahrein Länder und Städte durchstreifen, existierte eben Tunis nicht, und die wenigen wissenschaftlichen Forscher, welche hier, an der Stätte des Zusammenbruchs so manches hochintelligenten Volkes, unter dem Schutt der Völkerwanderung nach dem Kulturleben zweier Jahrtausende fahndeten, sind mit den Resultaten ihrer Studien zu wenig hervorgetreten oder haben sie so veröffentlicht, dass sie dem einfachen Reisenden nicht leicht zugänglich sind.

So waren wir denn zur vollen Ausnutzung der dort verlebten Wochen und vor allem zum vollen Verständnis der Eindrücke, welche diese bevorzugte afrikanische Hauptstadt auf uns gemacht hat, wesentlich auf die liebenswürdige Unterstützung unserer dortigen Landsleute, vor allem auf die unbegrenzte Liebenswürdigkeit des deutschen Konsuls, Herrn Geheimen Regierungsrats Dr. v. Eckardt, und des gegenwärtigen Sekretärs des deutschen Konsulats, Herrn v. Knapp angewiesen, denen wir sowohl an dieser Stelle, wie m der Arbeit selbst unsern verbindlichsten Dank für die uns erwiesene große Teilnahme und Unterstützung aussprechen.

Teils auf Anregung der deutschen Kolonie, der steten Klage der wenigen deutschen Tunis-Reisenden über das Fehlen eines kurzem informierenden Reisehandbuches ein Ende zu machen und das Interesse für Tunis, welches dieses sowohl landschaftlich und ethnologisch, wie auch merkantil und kolonial verdiene, in der Heimat zu steigern, teils aus Dankbarkeit für das Erlebte und aus dem verzeihlichen Gefühl heraus, die exotischen Bilder noch einmal an unserm Auge vorübergleiten zu lassen, haben wir uns dazu entschlossen, unsere Erlebnisse in anspruchsloser Form, als lose aneinander gereihte Skizzen, niederzuschreiben und dem Eindruck, welchen jene aus der gewaltigen, nordafrikanischen Wüste hervortretende, gottgesegnete Oase auf den deutschen Fremdling macht, Worte zu verleihen.

Wenn wir in dicken Blättern ein Scherflein des Dankes für die in Tunis verlebten genuss- und lehrreichen Wochen mit zwar ungeübter, aber von Bewunderung und lebhaftem Interesse geführter Feder ausdrücken, so bitten wir, den Versuch milde zu beurteilen und schließen mit dem Wunsch, dass die Leser dieser Skizzen dann eine Anregung finden mögen, selbst hinzureisen und zu schauen. Sie werden ohne Zweifel mit uns die Empfindung teilen, dass Tunis-Karthago es wohl Wert ist, nicht nur von den Berufs-Afrikareisenden, sondern auch von jedem Freunde der Natur und der Kultur fremder Volker besucht zu werden.
                        Die Verfasser.

Tunesien, Arabischer Scheikh

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Tunesien, Aschama Sibi Okba in Sbiba

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Tunesien, Bizerte, Gabelung des alten Kanals

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Tunesien, Die Nekropole von Hausch-Tschascha

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Tunesien, Djaara Markt (Gabes)

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Tunesien, Gesamtansicht von Gaffa

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Tunesien, Jum el-Gelta

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Tunesien, Kairuan, Die Zauiya Es Sidi Cahâbt

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Tunesien, Karthago, Die Kathedrale und das Priesterseminar

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Tunesien, Kef, Platz und Brunnen in

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Tunesien, Ölpresse in Daschra el-Usseltia

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Tunesien, Maure

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Tunesien, Maurin auf der Straße

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