Erstes Kapitel. Abfahrt von Palermo, Trapani, Golf von Tunis, Landung in Goletta.

Von der Villa Giulia, jenem wundervollen Garten Palermos, in welchem Goethe vor gerade hundert Jahren die herrlichsten Stunden verlebte, lauschten wir hart am Meeresgestade bald dem eintönigen Murmeln der Wogen, welche von den Irrfahrten des Odysseus und den Kämpfen des Hamilkar erzählten, bald den Klängen der Militärkapelle, welche von dem nahen, mit jonischen Marmorsäulen geschmückten Kiosk herab inmitten der köstlichen, roten Blüten der Erythrina corallodendron prickelnde Strauss'sche Walzerklänge ertönen ließ.

Drüben beleuchtet die eben ins Meer tauchende Sonne noch einmal die nackten, scharfkantigen Konturen des Monte Pellegrino. Mit der ganzen südlichen Farbenpracht erglänzen sie in allen Nuancen des Spektrums, und geblendet von diesem Meer von Licht, diesem Durcheinanderwogen von gelben, roten und grünen Strahlen, erhaschen wir noch den letzten Flammenblick des hinabtauchenden Helios. Plötzlich verwandelt sich die Szenerie. Schnell steigt die Nacht empor, und mit der hellleuchtenden Mondsichel wetteifern an Glanz die herrlichen Gestirne des Firmaments.


Von der Metropole des deutschen Reichs, der eine zu Lande durch die schönen Fluren und Städte Deutschlands, Österreichs und Italiens, der andere auf dem Seeweg von Hamburg in stürmischer Fahrt durch den Ozean und das Mittelmeer zu Siziliens Sagenreichen Gefilden gelingt, stehen wir beide, beseelt und zusammengeführt von einem Gedanken, die Schönheiten und Geheimnisse eines fremden Weltteils zu schauen, im Begriff, den Boden Europas, wenn auch nur auf eine kurze Spanne Zeit, mit demjenigen Afrikas zu vertauschen.

Der im Golf liegende Dampfer der Società Florio e Rubattino, welcher uns nach dem dunkeln Erdteil hinüberbringen soll, lässt soeben seinen heiseren Ruf erschallen, und das Fährboot schaukelt zu unseren Füssen.

Wohl lockt uns noch ein prächtiges Feuerwerk vom Giardino inglese her zum längeren Verweilen im „glücklichen" Palermo, doch der Dampfer lässt aufs Neue seinen Mahnruf erschallen und fordert zur Eile auf. Unter den kräftigen Schlägen der Ruderer durchschneidet denn auch bald das Boot die Wogen, und pünktlich zehn Uhr treffen wir an Bord des Dampfers ein.

Eine regelmäßige, direkte Verbindung zwischen Palermo und Tunis existiert zur Zeit nicht. Man kann mit französischen Dampfern von Marseille aus wöchentlich zweimal in circa vierundvierzig Stunden direkt nach Goletta — Tunis fahren, mit italienischen wöchentlich einmal von Genua resp. Livorno über Cagliari in siebenundachtzig resp. sechzig Stunden. Von Palermo fährt bei nicht zu stürmischer Witterung ein italienischer Dampfer jeden Dienstag Abend ab, gebraucht aber zu der kurzen Strecke von zweihunderteinunddreißig Seemeilen vierundvierzig Stunden, während er die hundertachtundsechzig Meilen von Palermo bis Neapel bei direkter Fahrt in siebzehn Stunden zurücklegt. Man zahlt bei der italienischen Dampfergesellschaft für ein Rückfahrticket zweiter Kajüte von Palermo bis Tunis mit dreimonatlicher Gültigkeit, Verpflegung inbegriffen, einundachtzig Lire Gold. Will man sich den Vorzug einer eigenen Kajüte gönnen, was bei Begleitung von Damen unerlässlich erscheint, so muss man erster Klasse für zirka hundert Lire fahren. Den italienischen Offizieren bis zum Stabsoffizier werden bei Truppentransporten auf Staatskosten immer nur Kajütenplätze zweiter Klasse gewährt. Wer aus nahe liegenden Gründen einen zweitägigen Aufenthalt an Bord scheut, tut besser, die wunderschöne Eisenbahnfahrt quer durch Sizilien von Palermo nach Marsala zu machen und seinen Versprung zum Besuch von Segesta und Selinunt zu benutzen. Man fährt dann mit nur einstündiger Unterbrechung vor der Insel Pantelleria die hundertdreiundfünfzig Seemeilen von Marsala bis Tunis in zirka vierzehn Stunden.

Von der goldenen Muschel Palermos, so genannt nach dem Goldschimmer der Orangen- und Limonenhaine in der nach Monreale muldenartig aufsteigenden Landschaft, sahen wir natürlich bei dieser späten Abfahrtszeit ebenso wenig etwas, wie von den bizarren Formen der die Haine rings begrenzenden Höhenzüge. Der herrliche Golf von Palermo trat uns erst auf der Heimfahrt in seiner berückenden Schönheit entgegen. Gegenwärtig sahen wir nur rings um uns den Feuerkreis der Lichter Palermos, aus dem wir uns langsam hinauswanden.

So lange ich der Dampfer „Palermo", beiläufig der älteste und schlechteste der Dampfergesellschaft, im Golf befand, war die Promenade auf Deck sehr angenehm, und der ungewohnte Anblick des prachtvoll glänzenden Sternenmeeres, so hell funkelnd, als ob wir uns bereits dem Äquator näherten, über der lautlos stillen Meeresfläche fesselte das Auge zunächst so, dass keine weiteren Reflexionen auftauchten. Sehr bald erschien auch die See nicht mehr dunkel. Zunächst erglänzte das Kiel Wasser, als ob der Schiffskiel beim Durchfurchen der Wogen durch Reibung elektrische Funken auslöste, und dann funkelten ringsum die Wellenberge, das Schiff glitt gleichsam durch eine Feuerwelle dahin. Doch keine Walküre harrte hinter diesen das Auge blendenden Feuerwogen der Erlösung; es waren die funkelnden Sterne der Noctiluca, welche den Feuerschein des Meeres erzeugten. Allmählich aber wurde der Aufenthalt auf Deck unbehaglicher. Der Dampfer verließ den Golf, kam auf hohe, bewegte See und schlingerte und stampfte, so dass wir es vorzogen, unsere Kajüte aufzusuchen.

Das laute Rasseln der Ankerketten weckte uns früh vier Uhr. Wir lagen vor Träpani, dem alten nach der Sichelform so genannten Drepanon, der bedeutendsten Stadt der Westküste Siziliens. Die neun Stunden, welche der Dampfer hier vor Anker blieb, benutzten wir zum Besuch der Stadt mit ihren zahlreichen Kirchen und hielten Ausschau nach dem in drei Stunden zu erreichenden, auf dem Gipfel des antiken Eryx gelegenen S. Giuliano. Die Bewohner dieser Stadt sollen von Aragonesen abstammen; die Männer gehen in langen, schwarzen Mänteln mit Kapuzen einher, die Frauen mit ihren lang wallenden, schwarzen Schleiern gelten für die schönsten Siziliens.

Dort am Fuße des Berges lässt Virgil die Leichenspiele zu Ehren des Anchises stattfinden.

Wir unterrichteten uns hier, am Hauptsitz der sizilianischen Korallenfischerei über die Art und Weise ihrer Gewinnung und erfuhren, dass die an der Nordküste Afrikas, namentlich am Strande von la Calle befindlichen Korallen in gleicher Weise gewonnen werden.

Die Fischer senken ein beschwertes Kreuz, an dessen unterer Seite mehrere kleine Netze befestigt sind, in die Tiefe, und reißen im Weiterfahren die Korallen ab, welche dann in den kleinen Netzen hängen bleiben. Hier in Trapani werden dieselben auch weiter verarbeitet, und die daselbst geschnittenen Korallen zählen mit zu den besten.

Hochinteressant waren die Übungen eines Bataillons Bersaglieri im Guerillakampf. Schon in Palermo hatten wir beim Besteigen des Monte Pellegrino auf dem dortigen, von der Natur vorzüglich vorbereiteten Schießplatz die Treffsicherheit derselben beim Schnellfeuer in liegender Stellung bewundert. Hier wurde zunächst Parademarsch geübt angesichts der stolzen Reiterstatue von Victor Emanuel, welche als Repräsentantin der Italia unita binnen kurzem wohl in keiner Mittelstadt Italiens mehr fehlen wird. Dann schwärmten die einzelnen Züge aus, gingen geschlossen sprungweise vor, lösten sich in Schützenlinien auf und flohen aufgelöst, um sich plötzlich zu sammeln und mit nahezu unserem oder vielmehr dem russischen Urrah ähnlichem Feldgeschrei gegen den markierten Feind die Offensive zu ergreifen. Sechs Wochen später, bei der unter der Teilnahme von ganz Italien durch König Umberto in Rom am Nationalfesttage vollzogenen Enthüllung des Denkmals für die in Afrika im heldenmütigen, aber unglücklichen Kampf Gefallenen, gedachten wir, fast erdrückt von der begeisterten Mengen dieser eigenartigen Felddienstübung, die uns die afrikanische Kampfesweise vergegenwärtigen sollte. Das Thema über die Zukunft Italiens, wobei wir von unserer Hochschätzung dieser emporstrebenden, neu geeinten Nation kein Hehl machten, spitzte sich in höchst bedenklicher Weise zu bei lebhafter Unterhaltung mit unserem Begleiter, einem äußerst liebenswürdigen Pariser, Herrn v. Casanova aus Corsica, mit dem wir auch in Tunis das gleiche Hotel bewohnten. Darum schnell zurück zu unserem Dampfer, dessen Dampfpfeife zum Frühstück ruft. Zu lächerlich billigem Preise wurden nur noch in Eile eine Menge Muscheln erstanden, welche für das bevorstehende Dejeuner an Bord die Austern ersetzen eilten.

Um ein Uhr ging es weiter, vorbei an der Lanterna und dem höchstgelegenen Scoglio del Mal Consiglio, (seit 1860 Buon Consiglio getauft), auf welchem Johann von Procida die sizilianische Vesper geplant haben soll. Inzwischen setzten wir uns, nachdem wir die sehr wohlschmeckenden, frischen Muscheln verspeist hatten, zu dem vorzüglichen Dejeuner und lernten bei der Tischplauderei den alten Kapitän, einen wettergebräunten Seemann als eingefleischten Bourbonen kennen, der alles Unheil der Welt von der Vertreibung dieser Dynastie herleitete.

Auf der Weiterfahrt wurden wir von Möwen, Spiessern und Tauchenten in geradezu herausfordernder Weise umkreist. Angesichts der tollen Wettjagden und mächtigen Luftsprünge gewaltiger zwei bis drei Meter langer, stahlblauer Thunfische (tonni), welche bei vollständigen Purzelbäumen auch ihren silberglänzenden Bauch zeigten, flossen die Stunden im Fluge dahin. Auch die an ihrer langen Spada kenntlichen Schwertfische (pesce spada zeigten sich öfter; zwei Mal sahen wir auch auf unserer Fahrt in weitem Abstand einen veritablen Menschen-Hai von außergewöhnlicher Größe unser Schiff umkreisen. Und gerade jetzt hatten weder Schwert- noch Thunfisch besonderen Anlass zu ihrer „Ungeheuern Heiterkeit". Nahten doch jetzt die Wochen, wo die letzteren vor den sogenannten Tonnaren, den Orten des Thunfischfangs, durch gewaltige Netze in die „Gemächer des Todes“ hineingetrieben werden, um dann mit langen Spießen bei der durch eine rote Turmflagge angekündigten „matanza“ von den jauchzenden Fischern getötet, mit ihrem Blut das Meer weithin rot zu färben, und wo die Harpune die ersteren zu Tode trifft.

Wir fuhren zu den Aegadischen oder Ziegeninseln und hielten vor der Insel Favignana jener sagenhaften Insel des Altertums, auf welcher Odysseus nach der Landung Ziegen gejagt haben soll, dann zwei Stunden später gegen Abend an der Reede von Marsâla (arabisch „Hafen Gottes") an demselben elften Mai, an welchem Garibaldi vor siebenundzwanzig Jahren mit seinen Tausend hier gelandet war, um den Siegeszug durch Italien zu beginnen. Hier nahmen wir eine Compagnie Soldaten auf, welche zur Ablösung für die Strafkolonie Pantelleria bestimmt waren. Mit ihnen zugleich kam eine kleine geschlossene Gesellschaft an Bord, Verbrecher, die mit schweren Ketten an Händen und Füssen gefesselt und zu je Dreien zusammengekettet waren.

Wie die Carabinieri, dieses italienische Elitecorps mit Stabsoffizierepauletten und den Granaten des zweiten Garde-Feld-Artillerie Regiments an den Rockschössen, das mit der ausgesuchtesten Höflichkeit stets seinen schweren Polizeidienst versehen, in keiner Lage ihren Humor verlieren, davon konnten wir uns hier überzeugen. Dieselben stimmten bald ein reizendes sizilianisches Volkslied an, waren aber noch nicht bei der zweiten Strophe angelangt, als ein prächtiger Bass die Begleitung übernahm — einer ihrer Gefangenen, und schließlich wurde der Refrain von der ganzen geschlossenen Gesellschaft mitgesungen. Später trat das Umgekehrte ein; einer der „Geschlossenen" begann, und die Carabinieri setzten ein.

Unsere Reisegesellschaft an Bord war international gemischt: italienische Offiziere, einige in Tunis ansässige Europäer, ein Belgier, Schweizer und mehrere Pariser, welche sich sämtlich in sehr angenehmen Umgangsformen bewegten.

Am Morgen des zweiten resp. dritten Tages hielten wir an der südwestlich gegen Afrika gelegenen vulkanischen sehr fruchtbaren Insel Pantelleria mit mächtigen Kratern im Innern, einer alten phönikischen Kolonie. An die Zitadelle der Stadt gaben wir Soldaten und Verbrecher ab und dampften dann der afrikanischen Küste zu.

Während wir von Marsala nach Pantelleria direkt südlich gefahren waren, hielten wir jetzt westlichen Kurs. Nach kurzer Zeit tauchte die kahle, vegetationslose Küste Afrikas auf. In weitem Bogen umschifften wir das gefürchtete Cap Bon (Ras Addar) mit Leuchtturm, an dessen steilen Felsenküsten so manches Schiff zerschellt, vorbei an den rechts liegen bleibenden kleinen Dschamûr-Inseln Zembra und Zembarotta, auf welch letzterer sich die Quarantäne-Station für Tunis zu Cholerazeiten befindet. Hinter den Dschamûr-Inseln sahen wir Cap Farina, welches westlich, wie Cap Bon östlich, den Meerbusen von Tunis, die alte Bucht von Karthago, einschließt.

In dieser großen Meeresbucht fuhren wir noch über drei Stunden auf Goletta (arabisch „Halk-el-ouëd“, Flussmündung), die Hafenstadt von Tunis los und hatten dabei die herrlichste Rundschau. Vor uns erblickten wir zur Linken die nackten, zweigipfligen Felsgebirge von Dschebel-bou-Kornein, sechshundertfünfzig Meter hoch, welche den Golf von Tunis in großartigster Weise im Osten einrahmen, dicht am Meeresgestade aufsteigen und nur wenig Raum lassen für die weißen Häuser des heißen Mineralbades Hammam-el-Enf, der alten aquae Persianae, in welchen schon vor zweitausend Jahren der Rhetor Appulejus Hilfe gegen seine Verstauchung fand. Dasselbe ist gegenwärtig ein sehr beliebtes und wirksames Bad für Rheumatiker, liegt achtzehn Kilometer von Tunis entfernt und ist in einer halben Stunde mit der französischen Bahn zu erreichen. Dahinter liegt weiter südlich der Bleiberg Dschebel R'sass, und weit hinten erhebt sich im Nebel das Gebirge von Zaghouan.

Rechts vor uns ragt Cap Carthadjena (,,Ras Sidi-Bou-Saïd") empor, allein durch seinen Namen an das alte Karthago erinnernd, welches sich hier einst ausdehnte, mit hohem Leuchtturm; dahinter die glänzend weißen Häuser des noch von keiner europäischen Kultur beleckten, rein arabischen Städtchens „Sidi-Bou-Saïd"; weiter nördlich an der Küste am Fuße des hier ziemlich steil abfallenden Cap Kamart die Residenz des Bey, la Marsa, zugleich Villen-Kolonie und Sommeraufenthalt der wohlhabenden Bewohner von Tunis, ein Bouquet von weißen Häusern in grüner Umgebung, abwechselnd mit rötlich schimmernden Bergeshängen. Zwischen Marsa und Carthadjena erhebt sich neben der Kapelle des heiligen Ludwig die „Byrsa" Alt-Karthagos, oder vielmehr an der Stelle, wo diese Akropolis ehemals gestanden haben soll, das mächtige Ordenskloster des Kardinals Lavigerie. Dieser mächtige Kirchenfürst, ein frommer Katholik und eifriger Patriot, entsendet aus seinem Seminar die sogenannten frères blancs, ausgerüstet mit medizinischen Kenntnissen und vollständiger Beherrschung der arabischen und kabylischen Sprache zu den Arabern und Kabylen, um sie zu bekehren und ihnen mit dem Christentum zugleich Vertrauen und Liebe zu Frankreich einzuflößen. Immer mehr nähern wir uns der offenen Reede von Goletta, vor der wir wegen schlechten Ankergrundes resp. zu geringer Wassertiefe in Folge von ungenügender Ausbaggerung des versandenden Hafens weit vom Lande entfernt Anker werfen müssen. Noch weiter seewärts liegen in einiger Entfernung drei mächtige (französische) Dampfer vor Anker, deren flatternde Wimpel dem unbewaffneten Auge im ersten Augenblick freudiger Erregung das Schwarz-Weiß-Rot der deutschen Seemacht als erster Gruß aus der Heimat auf afrikanischem Meere vortäuschen.

Da wir auf die Ankunft des Sanitätsoffiziers, eines Arztes aus Goletta, zu warten haben, der zunächst die Gesundheit der Schiffsinsassen zu untersuchen hat und dann die Erlaubnis zum Ausschiffen erteilt, gegenwärtig aber sehr lange auf sich warten lässt, so haben wir Zeit, das herrliche See-Panorama ganz und voll in uns aufzunehmen.

Vor uns liegt das Hafenstädtchen la Goletta, dahinter dehnt sich, durch einen schmalen, für kleine Fahrzeuge zugänglichen, flachen Kanal mit dem Meere verbunden, ein mächtiger blauer See, el Bâhira (kleines Meer), meeresartig aus, und im fernen Hintergrunde sieht man eine weiße Häusermasse von einigen flachen Kuppeln der Moscheen überragt, das direkt achtzehn, über Marsa vierundzwanzig Kilometer entfernte Tunis.

Benutzen wir die Zeit der unfreiwilligen Muße, um uns klar zu machen, mit welchen Stämmen wir demnächst in Berührung kommen werden.

Wer sind die Einwohner von Tunis-Karthago?

Man unterscheidet zunächst die Mauren, die sich selbst „Hadar", d. i. Hausbewohner, nennen, von den Beduinen, den ,,Hel bît eschschâar“, Zeltbewohnern oder „Rahhala". den Umherschweifenden. Die ersteren sind ein Mischvolk der iberisch-berberischen Urbewohner mit den Liby-Phönikern und den römischen Ansiedlern, also Nachkommen der romanischen Städtebewohner und Ackerbauer. Somit erscheinen sie als Kulturträger wohl befähigt zu den mittelalterlichen, großen Leistungen in Kunst und Wissenschaft. Die frühere Scheidung zwischen den ächten eingeborenen „Ouled Tunis“ und den aus Spanien eingewanderten ,,Landalus" besteht jetzt nicht mehr.

Die Beduinen sind die Nachkommen der Araber, welche den Islam zur herrschenden Religion gemacht haben. Auch sie bilden keine reine Rasse, sondern sind aus der Vermischung mit den von ihnen, bei ihren wiederholten Einfällen in die Berge zurückgedrängten Berbern hervorgegangen und im Allgemeinen an dem weißen Burnus und dem Kopftuch mit der Kamelhaarschnur zu erkennen. Letztere, die Berber, auch „Khroumirs" (spr.; Ch"mirs) genannt, der kriegerischste Stamm, welche durch ihre Räubereien auch den letzten Krieg mit Frankreich und die Besetzung von Tunis durch die Franzosen herbeigeführt, haben sich noch das reinste Blut erhalten.

Sie steigen aus ihren Bergen nur in die Ebene hinab, um sich ihren Lebensunterhalt zu erwerben und werden daher ,,Dschebaliya“, Bergbewohner, genannt. Ihre etwas hellere Schattierung sollen sie den Vandalen zu danken haben.

Die Neger endlich sind die ehemaligen Sklaven, welche sich hier zahlreich angesiedelt haben und bei allen öffentlichen Aufzügen und Musikfesten namentlich als Paukenschläger in den Vordergrund treten, während ihre Frauen auf den Märkten Brot verkaufen.

Dazu kommen dann noch die Türken und Mamelucken (Tscherkessen und Georgier) und vor allem die Juden, welche den sechsten Teil der Bevölkerung bilden, sich trotz ihrer tausendjährigen Verwachsung mit den Arabern streng abgesondert halten, übrigens gegenwärtig auch in Tunis vollständig gleichberechtigt dastehen und hier wie allenthalben Handel und Wandel vollständig beherrschen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Tunis und seine Umgebung
Tunis, Kef, Moschee

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Tunesien, Zaguan, Römertor

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Tunesien, Vornehme Maurin in Straßentoilette

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Tunesien, Typus einer Araberin

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Tunesien, Tunis, Sûk El Attârin (Bazar des Wohlgeruchs)

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Tunesien, Tunis, Das Bâb El Bahar (Seetor)

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Tunesien, Sfax, vom Meer aus gesehen

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Tunesien, Monastir aus der Vogelschau

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Tunesien, Mausoleum bei Bir el-Hasei

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