Trockenlegung von Gebäuden. Mit vier Bildern.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1921
Autor: Max Heller, Erscheinungsjahr: 1921

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Trockenlegung von Mauerwerk, Mauerfeuchte, Wohnungselend, Wohnungsnöte, Feuchtigkeit,
Gewisse Wahrheiten müssen von Zeit zu Zeit immer wiederholt werden, weil man sie nur zu leicht vergisst. Trotz mannigfacher Hinweise ist das Interesse für Wohnungshygiene noch nicht genügend in breite Schichten des Volkes gedrungen, und von vielen Hausbesitzern und Mietern werden die gesundheitswidrigen Zustände ihrer Wohnungen weder beachtet noch richtig verstanden. Bemüht man sich um Abhilfe schwerer Schäden, so zeigt sich, dass die erprobtesten Verfahren leider nicht allgemein bekannt sind.

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Als vor etwa vierzig Jahren der Kieler Stadtingenieur Heinrich Wansleben das treffliche Buch Pridgin Teales‘: „Lebensgefahr im eigenen Hause“ im englischen Original kennenlernte, fand er für die von ihm beabsichtigte Übersetzung keinen Verleger, da man mit dem nötigen Interesse in größeren Kreisen dafür nicht zu rechnen wagte. Erst nachdem zwei dänische Großhändler einen Garantiefonds zur Verfügung stellten, konnte das Buch gedruckt werden. Der Chirurg Joh. Fr. A. v. Esmarch trat für das Buch mit dem Gewicht seines Namens ein. Seitdem ist der Begriff „Wohnungskrankheiten“ entstanden. Eine ganze Reihe mehr oder weniger ernsthafter Schädigungen sind bekannt geworden, die ihre Ursache in mangelnden hygienischen Einrichtungen der Wohngebäude h ab en. Dass man feuchte Wohnungen zu meiden sucht, ist durch lange Erfahrung begründet, und die Erkenntnis ihrer Schädlichkeit kommt auch darin zum Ausdruck, dass man Neubauten zuerst von sogenannten „Trockenwohnern“ beziehen lässt, denen von den Vermietern besondere Vergünstigungen geboten werden. Gesetzliche Bestimmungen sind erlassen worden, wonach das Beziehen noch nicht ausgetrockneter Neubauten erst nach Ablauf einer gesetzten Frist erlaubt ist.

Untersuchungen, die vor 1914 in verschiedenen Städten gemacht worden sind, erbrachten den Nachweis, dass viele Wohnungen feucht waren. In Basel fand sich der zehnte, in Bern der zwanzigste Teil aller Zimmer feucht. In Graz konnte festgestellt werden, dass von den Vorderwohnungen, in denen Tuberkulöse hausten, siebzehn vom Hundert und von den rückwärts gelegenen Wohnungen sogar sechzig vom Hundert — also mehr als die Hälfte — feucht gewesen sind. Ähnlich liegen die Verhältnisse auch in anderen Städten, und zwar besonders in den Häusern der älteren Stadtviertel. Bei dem in den letzten Jahren so beängstigenden Anwachsen der Tuberkulose sind feuchte Wohnräume eine große Gefahr.

Die Ursachen der Feuchtigkeit sind verschieden, und demnach auch die Versuche und Methoden der Abhilfe dieser gesundheitswidrigen Zustände.

Man findet feuchte, unbewohnbare Räume aber nicht nur in jenen Häusern, die zumeist für mittlere und kleine Bedürfnisse von Mietern in Betracht kommen; auch groß angelegte Bauten sind oft teilweise nicht zu dauerndem Aufenthalt geeignet, da sie durch Feuchtigkeit, wuchernde Pilze und den so gefürchteten Hausschwammunbewohnbar geworden sind. Wenn sich nun schon in normalen Zeiten, da die Wohnungsnot nicht so drückend empfunden wurde, viele Menschen trotzdem in gesundheitlich zweifelhaften, ja sogar erweislich gesundheitsschädlichen Räumen aufhalten mussten, so ergibt sich, das; die Gefahr seit den Kriegsjahren und dem Stillstand des Bauwesens noch bedeutend gestiegen ist. Dazu kommt noch als ernstliches soziales Bedenken, dass die körperliche Widerstandsfähigkeit der Menschen, durch Nahrungsschwierigkeiten herabgestimmt, gesundheitsschädigenden Einflüssen durch unhygienisches Wohnen leichter erliegen muss. Da sich die allgemein schwer empfundene Wohnungsnot wegen der hohen Baukosten und dem Mangel an Rohstoffen in absehbarer Zeit nicht beheben lässt, müssen alle vorhandenen Gebäude zu Wohnzwecken ausgenützt werden. Und es gibt ein Verfahren, feuchte, modrige, und deshalb leerstehende Räume so in guten Stand zu setzen, dass kein gesundheitsschädigender Einfluss mehr zu befürchten ist.

Bei zahlreichen Bauten kommt das Untergeschoss — ja, häufig auch die Räume im Erdgeschoss — zu Wohnungen gar nicht und für sonstige wirtschaftliche Zwecke nur bedingt in Frage. Werden solche Räume doch bezogen, dann stellt sich erst im Laufe der Zeit heraus, dass sie feucht sind. Alle herkömmlichen Abhilfeversuche, und besonders die so gewichtig empfohlenen „Geheimmittel“ wirken meist nicht nur deswegen geradezu schädlich, weil durch Verkleben und Verkleiden die feuchten Mauern am „Atmen“ verhindert werden und damit die Feuchtigkeit nur noch schneller in die Höhe steigt — sie müssen notwendig alle versagen, weil die Grundursache der Erscheinung nicht erfasst wird.

In den meisten Fällen steigt die in fast jedem Baugrund vorhandene Bodenfeuchtigkeit infolge der Kapillarität allmählich unaufhaltsam im Mauerkörper immer höher. Wie eine schleichende Krankheit ergreift sie von Jahr zu Jahr neue Teile des Gebäudes, um es endlich seiner völligen Entwertung und zuletzt dem Verfall entgegenzuführen.

Bei der Errichtung von Neubauten schützte man sich seit langer Zeit gegen das gefährliche Aufsteigen der Feuchtigkeit des Bodens durch Einfügen waagrechter Isolierungen. Anders lag der Fall, wenn es sich darum handelte, bei feucht gewordenen Gebäuden das einzig sichere Abhilfemittel, das Einziehen einer zuverlässig wirkenden waagrechten Bleiisolierung, anzuwenden. Das schien nachträglich nicht mehr durchführbar.

In Bayern ist es vor Jahren gelungen, diese Ausgabe einfach und durchaus befriedigend zu lösen. Bei zahlreichen großen Monumentalbauten, Schlössern, Villen und Wohnhäusern ist das Verfahren mit bestem Erfolg erprobt worden. In München zeigte sich die Heilige-Geist-Kirche — ein schöner Barockbau — im Mauerwerk durch die bis zur Höhe von sieben bis acht Meter aufgestiegene Bodenfeuchtigkeit so verseucht, dass eine Sachverständigenkommission den völligen Abbruch befürwortete. Im Jahre 1907 wurden die Grundmauern der Kirche und zweiundzwanzig Säulen im Innern des Baues durchsägt und in Asphalt eingebettete Bleiisolierungen eingesetzt. Das Bauwerk ist auf diese Weise vor dem Untergang gerettet worden. Nach Ablauf des ersten Sommers sank der Wassergehalt von 20 auf 7,7 Prozent, und nach einem weiteren Jahre war die Kirche völlig trocken. Alljährlich steigt seitdem die Frühjahrsfeuchtigkeit genau bis zum Isolierungsschnitt und jeder weitere Schaden durch Bodenfeuchtigkeit ist für alle Zeit behoben. Zehn weitere Kirchen größeren und geringeren Umfangs sind nach diesem Verfahren trockengelegt worden, aber auch zahlreiche staatliche, städtische und private Gebäude verdanken der Anwendung dieser Methode ihre Wiederherstellung und dauernde Erhaltung, unter anderem auch das Bismarcksche Schloss Friedrichsruh und die bekannte Schackgalerie in München.

Das Verfahren besteht im Wesentlichen darin, dass die waagrechte Bleiisolierung nachträglich und ohne jede Gefährdung eines Bauwerkes und ohne Störung der Bewohner in das Mauerwerk eingefügt wird. In der erforderlichen Ausmessung, bei Wohnbauten meist in der Höhe des Kellerfußbodens, wird das Mauerwerk waagerecht mittels einer eigens konstruierten, elektromotorisch angetriebenen Mauersäge völlig durchschnitten. Dies erfolgt teilweise, in Abständen von jeweilig etwa fünfzig Zentimeter. Die auf diese Weise entstandene, ein bis eineinhalb Zentimeter starke Schnittfuge wird von Rückständen sorgfältig gereinigt und die Isolierplatte — eine Bleifolie, die beiderseitig mit Asphaltfilz geschützt ist — eingeschoben.

Um das „Setzen“ der Mauer während des Arbeitsvorganges zu verhindern, wird diese durch Eisenkeile hochgekeilt. Der verbleibende Zwischenraum wird mit flüssigem Zement ausgegossen. Die entstandene Fuge wird damit wieder völlig geschlossen. Nach diesem Verfahren wird Stück für Stück des gesamten Mauerwerkes sicher isoliert, und ein weiteres Aufsteigen der Bodenfeuchtigkeit ist nun unmöglich geworden. Kein Quadratzentimeter des Mauerwerkes darf mit dem Erdreich in unmittelbarer Berührung stehen. Die folgerichtige Durchführung dieses Grundsatzes bietet aber auch die alleinige Gewähr für bleibenden Erfolg.

Wenn die Isolierungsarbeiten durchgeführt sind, vollzieht sich der Austrocknungsvorgang wie bei einem Neubau nach einem Jahre ist äußerlich keine Feuchtigkeit mehr wahrnehmbar, und nach zwei Jahren ist auch das Innere des Mauerwerkes völlig staubtrocken. Es versteht sich von selbst, dass dieser natürliche Vorgang in dringlichen Fällen durch Ausheizen der Mauern beschleunigt zu werden vermag. Feuchte Räume können demnach bald nach erfolgter Isolierung bezogen werden.

Neuerdings hat Professor Dr. Giesenhagen, München, eine Autorität in Hausschwammfragen, Versuche an zahlreichen nach diesem Verfahren trockengelegten Gebäuden gemacht. Giesenhagen konnte bestätigen, dass durch diese Art der Entfeuchtung des Mauerwerkes der Hausschwamm gründlich und endgültig beseitigt wird. Dies ist begreiflich; denn durch die vollkommene Isolierung der Grundmauern wird dem Hausschwamm die Feuchtigkeit entzogen. Sobald die letzten Reste der Feuchtigkeit in den Mauern ausgetrocknet sind, muss der Hausschwamm absterben.

Dass jeder Fall besonders behandelt werden muss, versteht sich von selbst. Die Umgebung eines feucht gewordenen Hauses, sowie Luft- und Lichtverhältnisse der einzelnen Räume müssen bei der Anwendung des Verfahrens berücksichtigt werden. Sind alle Bedingungen erfüllt, dann ist der Erfolg überraschend: sogar völlig unbrauchbar gewordene Souterrainräume lassen sich in kurzer Zeit zu trockenen, warmen, sauberen und hygienisch einwandfreien wohnlichen Zimmern umgestalten, die ohne Bedenken selbst Kindern zu Schlafräumen dienen können. Die verhältnismäßig geringen Kosten werden durch die Wertsteigerung und dauernde Erhaltung des Hauses wie durch die Möglichkeit von Mieteinnahmen mehr als ausgeglichen. In unserer durch Wohnungsnöte leidenden Zeit sollte kein irgendwie verwendbarer Raum ungenützt bleiben. In dem hier geschilderten Verfahren der Trockenlegung besitzen wir ein seit Jahren hundertfältig erprobtes Hilfsmittel, bisher völlig unbrauchbare oder gesundheitsschädliche Räume der Allgemeinheit zur Bewohnung wieder zugänglich zu machen. Leider ist das Verfahren, das allerdings keiner besonderen Empfehlung bedurfte, bisher fast nur im Süden Deutschlands mehr oder weniger bekannt gewesen und häufig zur Anwendung gelangt. Der bekannte Architekt Professor Emanuel v. Seidl urteilte wiederholt anerkennend über dieses Verfahren. Es verdient überall bekannt und durchgeführt zu werden, wo die augenblickliche Not erfordert, dass man mit allen verfügbaren Mitteln dem bestehenden Wohnungselend abhilft.

Phot. Südwestdeutsche Spezial-Baugesellschaft m. b. H., Frankfurt a.M. Ein Haus in Neuötting mit feucht gewordenem Untergeschoß vor der Trockenlegung.
Phot. Südwestdeutsche Spezial-Baugesellschaft m. b. H., Frankfurt a.M. Durchsägung der Pfeiler und Umfassungsmauern des Münsters in Überlingen.

Bau, Durchsägung der Pfeiler und Umfassungsmauern des Münsters in Überlingen

Bau, Durchsägung der Pfeiler und Umfassungsmauern des Münsters in Überlingen

Bau, Ein Haus in Neuötting mit feuchtgewordenem Untergeschoss vor der Trockenlegung

Bau, Ein Haus in Neuötting mit feuchtgewordenem Untergeschoss vor der Trockenlegung

Bau, Kellergeschoss, Zustand nach der Trockenlegung

Bau, Kellergeschoss, Zustand nach der Trockenlegung

Bau, Kellergeschoss, Zustand vor der Trockenlegung

Bau, Kellergeschoss, Zustand vor der Trockenlegung