Tierkämpfe in einem altrömischen Zirkus.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1900
Autor: Atlantic, Erscheinungsjahr: 1930

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Rom, Wagenrennen, Zirkus, Gladiatorenspiele, Löwen, Elefanten, Tiger, Krokodile, Kämpfe, wilde Tiere, Afrika, Asien, Tribut, Volksbelustigung
Neben den Wagenrennen im Zirkus und den Gladiatorenspielen kamen etwa vom 2. Jahrhundert vor Christus an im alten Rom als Volksbelustigungen auch Tierkämpfe auf und gewannen mit der fortschreitenden Verwilderung immer größeren Umfang. Es handelte sich dabei teils um Kämpfe wilder Tiere untereinander oder mit zahmen, teils um Kämpfe wohlgerüsteter und geübter Jäger mit wilden Tieren aller Art; endlich um die Abschlachtung von Verbrechern, die man mit ganz ungenügenden Waffen den Raubtieren gegenüberstellte! Bei diesen Hetzen, die dem römischen Pöbel mehr und mehr zum Lebensbedürfnis wurden, trieben die Staatsmänner, um sich beim Volke einzuschmeicheln, einen unglaublichen Luxus mit großen, schönen und seltenen Tieren. Alle Länder der damals bekannten Erde wurden abgejagt, um wilde Tiere in Massen herbeizuschaffen, und spendeten dem genusssüchtigen Rom gleicherweise auch darin ihren Tribut.

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Afrika und Asien lieferten Elefanten, Löwen Tiger, Panther, Nilpferde, Krokodile, Büffel usw., der Norden Bären, Wölfe, Eber, Luchse, Hirsche, Rehe und vorzügliche Hetz- und Bluthunde. Die hintersten Winkel der Alpen wurden nach Bären und Füchsen durchforscht, Löwen aus Nubien herbeigeschafft, während Britannien und Schottland die besten Hunde lieferte. Ein jeder der nach Popularität haschenden Staatsleiter wollte seine Vorgänger an Glanz und Massenhaftigkeit der Tierkämpfe übertreffen. So ließ Pompejus über 500 Löwen, 18 Elefanten und 410 andere afrikanische Bestien im Zirkus auftreten; Cäsar 400 Löwen und 40 Elefanten. Kaiser Augustus veranstaltete während seiner Regierung 26 Spiele, bei denen 3500 afrikanische Tiere getötet wurden. Eine neue, bis dahin nicht dagewesene „Sensation” bereitete er den Römern, indem er im Jahre 5 unserer Zeitrechnung den Flaminischen Zirkus unter Wasser setzen und in einen künstlichen See verwandeln ließ, in dem dann 36 Nilkrokodile von auf Booten befindlichen Kämpfern gejagt und erlegt wurden. Von da an steigerte sich der Luxus bei den Tierkämpfen immer mehr, das Volk war nur noch mit den größten Massenschlächtereien zufrieden zu stellen. Caligula ließ einmal 400 Bären und ebensoviel Löwen, Tiger und Elefanten aufeinander los. Bei der Einweihung des Flavischen Amphitheaters durch Titus im Jahre 80 wurden 9.000 Tiere aller Arten getötet; bei den Spielen Trajans gar 11.000. Die zünftigen Tierkämpfer, Bestiarii oder Venatores genannt, gehörten meist den niederen Volksklassen an, rekrutierten sich aus den Kriegsgefangenen und entlassenen Sklaven, später in der Zeit der wachsenden Ausartung aber auch aus gescheiterten Existenzen der oberen Gesellschaftskreise, die ihre Haut für Geld und den Rum des Tages zu Markte trugen. Sie wurden von ergrauten Kämpfern geübt und gedrillt und waren auf die mannigfachste Weife ausgerüstet. Außer dem Schwerte und Speer und geeigneter Panzerung bedienten sie sich bei den Vorstellungen als geeigneter Hilfsmittel auch eines Netzes einer Schlinge oder eines Tuches! Verurteilte Gefangene dagegen mussten, wie auf unserem Bild S. 20 und 21, fast nackt und mit ganz unzulänglicher Bewaffnung gegen Löwen, Tiger, Stiere, Elefanten usw. in die Schranken treten und waren von vornherein dem Tode geweiht. Nur wenigen besonders Glücklichen wurde nach Vollbringung der größten Heldentaten durch den Beifallszuruf und den Wunsch des zuschauenden Volkes das Leben geschenkt. Um das blutige Schauspiel unterhaltender zu machen, sorgte man für heitere Zwischenscenen, indem man zum Beispiel plötzlich unter die wilden miteinander kämpfenden Raubtiere ein paar Hasen hineinließ; um die Illusion zu erhöhen, brachte man auch häufig Dekorationen an, wie auf unseren Theatern, die den Zuschauer in eine bestimmte Gegend versetzen sollten. Die Tierfechter von Beruf erlangten oft, wie noch heute die Tierfechter in Spanien, allgemeinen Ruhm und nahmen hohe Summen ein, daher es auch nie an Leuten fehlte, die sich zu diesem rohen Gewerbe meldeten. Am entsetzlichsten waren jedenfalls die Hinrichtungen von Verbrechern in der Art, dass man sie in die Häute zahmer Tiere nähte und dann von wilden Tieren zerreißen ließ. Das Volk war damals an solche Gräuelscenen so gewöhnt, dass man dabei nicht den geringsten Schauder empfand. Wir entsetzen uns heute vor der darin sich ausdrückenden Rohheit. In der Tat haben diese Belustigungen auch nicht eine einzige Lichtseite, es sei denn die, dass dadurch die Ausrottung der Raubtiere in einer Weise beschleunigt wurde, wie es ohne das unmöglich gewesen wäre.

Volksbelustigung, Rom, Tierkämpfe im Zirkus

Volksbelustigung, Rom, Tierkämpfe im Zirkus