018. Schäfer- und Hasengespenst.

Hildburghausen ist eine Stadt sehr alten Ursprunges, daher ihr auch örtliche Sagen nicht fehlen. Man hat ihren Ursprung, wie ihren Namen von Hildbert oder Childerich, dem Sohne des Frankenkönigs Chlodowig ableiten wollen, noch naher aber liegt die Ableitung von der frommen Hiltburge, einer begüterten Frankin, die zum Heile ihrer Seele das Hochstift Fulda mit zahlreichen Besitzungen, in nachbarlichen fränkischen Gauen gelegen, begabte.

Als nun Hildburghausen noch ein eigenes Fürstenhaus besaß, stand vor dem stattlichen Schloss Tag und Nacht eine Schildwache, welche zu einer Zeit, als das Militär in den Krieg gezogen war, durch Bürgermiliz versehen wurde. Da ist gar mancherlei wahrgenommen und erzählt worden. So wachten einmal drei Bürgerwehrmänner, und da es gerade eine recht schöne Mondscheinnacht war, so traten die Mannen aus der Wachtstube heraus ins Freie und beobachteten den Mond. Plötzlich gewahrte der eine von den Dreien, dass sich über die Schulter des einen seiner Kameraden ein Schäfer lehnte, groß und stattlich von Gestalt, mit krausem vollen Barte, den Kopf mit einem weitkrampigen Schlapphute bedeckt und in der Hand die lange Schippe. Der Schäfer machte eine gar nicht unfreundliche Miene, sondern schaute sehr ruhig drein; der aber, auf dessen Schultern die Gestalt des Schäfers sich lehnte, sah, fühlte und merkte nichts von ihr. Indem schlug die Turmuhr Mitternacht, und die Erscheinung verschwand. Vergebens sahen alle drei, nachdem der Kamerad verkündet hatte, was er gesehen, sich nach dem gespenstigen Schäfer um. Zu einer andern Zeit hatten zwei andere Bürger Nachts die Wache am Schlosstor; beide standen in ziemlich gleichgültigen Gedanken, da trottelte aus der Schlossecke her plötzlich ein Hase auf sie zu, blieb vor ihnen still stehen und machte seine Männchen. Die Wächter haschten nach dem Hasen, konnten seiner aber nicht habhaft werden. Jetzt wollten jene den zudringlichen Lampe in die Flucht jagen, allein dies gelang wieder nicht, vielmehr wurde der Hase größer und größer, begann seine großen Augen wie Feuerräder zu rollen, und was weniges Feuer auszupusten. Noch hielt die Tapferkeit der Bürgerwehrmänner standhaft Stand, sie legten ihre rostigen Schießprügel auf ihn an, und wollten Feuer geben, es gab aber keiner Feuer, weil beiden das Gewehr versagte — und darauf verschwand alles, der Hase zuerst und dann die beiden Wehrmänner; sie ergriffen nämlich das Hasenpanier und flüchteten zitternd in ihr sicheres Wachstüblein hinein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Thüringer Sagenbuch