012. Träumersdorf

Oberhalb dem stillen Lautergrunde liegt ein Dorf, das in der Volkssprache der Gegend Trämersdorf genannt wird, Trämer aber heißt in jenem Idiom ein Träumer, und die örtliche Sage berichtet von dieses Dorfes Entstehung: Einst schritt ein Wanderer durch die weiten Fluren zwischen Eisfeld und Coburg, da noch gar wenig Ortschaften sich daselbst angebaut hatten, verirrte sich und fand nirgend eine menschliche Wohnung, die ihm Obdach bot, er musste demnach wohl oder übel die Nacht im Freien zubringen, und sich im ersten besten Busch eine Lagerstätte bereiten. Da jener Wanderer nun schlief, träumte ihm von einer Mühle und von einem nahe bei derselben liegenden schönen Dorfe. Mit Tagesanbruch erwachte er und setzte neugestärkt seinen Weg weiter fort, da kam er unversehens an eine Mühle, und es war ganz dieselbe, die ihm im Traume vorgekommen war, aber das Dorf war nicht dabei, vielmehr war es gar nicht vorhanden. Der Wanderer sprach beim Müller ein, erzählte diesem seinen Traumund bat ihn, sein Gehöft Träumersdorf zu nennen; hernachmals baute sich der Wanderer selbst dort an, andere folgten ihm, und so entstand allgemach der Ort, und wurde zu einer eigenen Pfarrgemeinde, und diese führt noch heute einen ruhenden und schlummernden Wandersmann im Siegel.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Thüringer Sagenbuch