003. Von Zwergen und Zinselmännchen.

Häufig lässt die Sage, wo sie von Riesenwohnsitzen berichtet, auch Zwerge in der Nähe wohnen, schon aus dem in ihrem Wesen begründeten Hang, Gegensätze zu bezeichnen, wie hier insgemein den eines starken und verfolgenden gegenüber einem schwachen und verfolgten Geschlechte. In den weitgedehnten Forsten des Bleßberges, des höchsten in diesem Gebiete, arbeitet zur Nachtzeit eine unsichtbare Säge, Zwerge sollen es sein, die sie handhaben, um manchen armen aber wackeren Holz-Mann zu schnellerem Verdienst gelangen zu lassen. Besonders aber war das Zwergengeschlecht tätig in einer Höhle, welche zwischen den Dörfern Meschenbach und Rabenäußig gelegen ist, und das Zinselloch heißt. Der Eingang ist ein umbuschtes niedriges Loch, wie ein Kellerhals von Nord-Osten gegen Süd-Westen abgesenkt, und die Höhle bildet dann nur einen äußerst schmalen und langen, dabei aber sehr hohen Gang, den ein Bergwasser durchfließt. Die Breite ist von 2 bis 8 Fuß, die Höhe gegen 20 Fuß, die Länge wohl 600 Schritte, und die Wände sind mit Tropfstein überzogen.

In dieser Höhle wohnten nach der Umwohner Erzählung Zwerge oder Zinslein, die verliehen ihr den Namen, wie auch einer andern benachbarten Grotte, welche vom Volke die Zinselkirche genannt wird; jetzt aber gibt es keine Zinselein mehr, sie sind alle längst hinweggezogen, und zwar aus dieser Ursache: Ein Meschenbacher Bauer traf auf seinem Erbsenacker einen ganzen Haufen Zinselchen. Sie machten sich sehr lustig, sprangen und hüpften durcheinander über die Furchen, und verspeisten viele Schoten. Das ärgerte den Bauer und er haschte nach ihnen, konnte aber ihrer keines festalten, nur das Mützchen des einen ergriff er und hielt es fest. Da stellte sich das Zinslein überaus kläglich und bat flehentlich um das Mützchen, da es ohne selbiges nicht nach Haufe kommen konnte und durfte. Es wolle dem Bauer auch zum Lohne seiner Güte eine Wünschelrute auf den Acker stecken, mit deren Hilfe er einen großen Schatz finden sollte. Darauf gab der Bauer das Mützchen zurück, nicht wissend, dass er schon den besten Schatz in der Hand hatte, denn wer ein Zwergenmützchen oder Nebelkäpplein besitzt, der kann sich jederzeit unsichtbar machen. Das Zwerglein nahm rasch sein Mützchen, setzte es auf, und war augenblicklich dem Auge des Bauers entrückt. Als nun der Bauer auf seinen Acker kam, stak nicht eine Rute darauf, sondern alles voll Ruten; nun suche einer die richtige Wünschelrute heraus! Am zweiten Tage aber war schon aus jeder Rute ein starker Baum erwachsen, da hatte der Bauer einen Wald, so lang und so breit, wie sein Acker, und folglich Schatzes genug.


Andere erzählen diese Sage wieder auf eine andere Art. Der Bauer habe die Zinslein, die er auf seinem Acker traf, sehr heftig gescholten und gedroht, ihnen die Rute zu geben, wie kleinen Kindern. Darauf haben die Zwerglein spöttisch ihm den ganzen Acker voll Ruthen gesteckt, damit er an solchen keinen Mangel habe, und seien alsbald verschwunden. Dadurch noch mehr aufgebracht, lauerte der Bauer den Zinslein auf, und erhaschte eines Tages ein solches Zwergen-Mützchen, bekam das Zinslein, dem das Mützchen gehörte, dadurch in seine Gewalt, achtete nicht seines Flehens, sondern erschlug es. Darauf erhoben alle Zinslein ein großes Wehklagen, und verließen die Gegend für immer, aus den Ruthen erwuchsen aber in derselben Nacht starke Bäume, und zwar lauter Eschen, und das ist ein bedeutsamer Zug dieser Sage, denn erstens zeigt die Esche wie die Erbse, nach der Pflanzensymbolik Trauer an, und zweitens ist sie ein Baum, der den Göttern der Nordlandsmythe heilig war. Aus einer Esche, Ask, entstand nach der Eddamythe der erste Erschaffene, Askr; Asciburg war der Name einer früheren Stadt am Niederrhein, und Asci-Feld wurde Eisfeld vor Alters ebenfalls geschrieben. Der Weltbaum Ygdrasil selbst war eine Esche, Der altgermanische Mythus aber überliefert uns noch verschiedene Heldennamen: Mannus, Tuiskos Sohn, und dessen drei Söhne: Ing, Isk und Hermin. In Isk begegnen wir wohl dem Ask wieder, und in Hermin dem Irmin, dessen Name ebenfalls in dieser Gegend bis auf den heutigen Tag örtlichen Nachhall fand und findet.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Thüringer Sagenbuch