Mundt, Theodor (1808-1861) deutscher Literatur-Professor, Bibliothekar, Schriftsteller, Journalist und Publizist. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie Bd. 23
Autor: Brümmer, Franz (1836-1923) deutscher Lexikograph, Erscheinungsjahr: 1886
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Theodor Mundt, Napoleon, Robespierre, Thomas Münzer
Mundt, Theodor wurde am 19. September 1808 zu Potsdam als der Sohn eines Rechnungsbeamten geboren, kam frühe nach Berlin, besuchte hier das Joachimsthal’sche Gymnasium und widmete sich dann auf der dortigen Universität dem Studium der Philosophie und Philologie. Seit 1832 lebte Theodor Mundt eine Zeit lang in Leipzig als Mitredakteur der „Blätter für literarische Unterhaltung“, wandte sich aber dann wieder nach Berlin, um sich hier als akademischer Lehrer zu habilitieren. Doch waren seine Bemühungen erfolglos, da man Mundt dem sogenannten „Jungen Deutschland“ zuzählte, und so wurde er mehr und mehr in die Bahn eines Schriftstellers hineingedrängt. Nach mehreren größeren Reisen ließ er sich 1839 dauernd in Berlin nieder und verheiratete sich noch in demselben Jahre mit Klara Müller, der später unter dem Namen Luise Mühlbach (s. d.) berühmt gewordenen Schriftstellerin. Durch Schellings Verwendung wurde Mundt endlich 1842 Privatdozent in der philosophischen Fakultät der Berliner Universität, im Jahre 1848 aber, meist wohl, um ihn aus dem Herde der revolutionären Bewegung in der Hauptstadt zu entfernen, als Professor der allgemeinen Literatur und Geschichte an die Universität Breslau versetzt. Durch die Gunst der Umstände schon 1850 nach Berlin zurückberufen, nahm er hier für kurze Zeit seine Vorlesungen wieder auf, bekleidete aber daneben, und für die Folge ausschließlich ein Amt als Universitätsbibliothekar, bis ein Streit mit Pertz seine Beseitigung mit Wartegeld zur Folge hatte. Mundt starb in Berlin am 30. November 1861. – Als Schriftsteller war Theodor Mundt ohne Frage ein Talent von großer Beweglichkeit, aber trotz seiner zahlreichen Schriften, welche die mannigfaltigsten Stoffe behandeln, ist er doch nie recht populär geworden. Seine Tätigkeit als Schriftsteller lässt sich nach zwei bestimmten Zeiträumen scheiden, von denen der erste etwa bis zum Jahre 1840 reicht und durch seine jungdeutschen Jugendarbeiten ausgefüllt wird. Den Mittelpunkt derselben bildet die „Madonna, Gespräche mit einer Heiligen“ (1835), eine Mischung von Reisebildern, Novellen, Doktrinen in einem glänzenden, aber oft forcierten Stile. Der Grundgedanke dieser Arbeit ist eine Apotheose des Fleisches und der Sinnlichkeit, die hier mit großer Ungeniertheit, an vielen Stellen sogar mit leidenschaftlicher Glut zu Tage tritt, während in seinen ersten Romanen „Das Duett“ (1831), „Madelon oder die Romantiker in Paris“ (1832), „Der Basilisk“ (1833), die Emanzipationsideen des jungen Deutschland noch in der Entwickelung verharren und ein unklarer Hegelianismus seine phantastischen Blüten treibt. Die „Modernen Lebenswirren. Briefe und Zeitabenteuer eines Salzschreibers“ (1834) nennt Gottschall ein „Buch der Interjektionen“; der Held des Romans schwärmt als echter Repräsentant seines Volkes für alle modernen weltbewegenden Ideen, für Fortschritt, Konservatismus, Absolutismus, Aristokratie und Demokratie: das ganze ist eine Ironie auf die sozialen Zustände jener Zeit. Tüchtiger als in diesen novellistischen Arbeiten erwies sich M. in seinen literarisch-kritischen Werken („Kritische Wälder“, 1833; „Die Kunst der deutschen Prosa“, 1837), besonders aber in seinen Reiseberichten „Spaziergänge und Weltfahrten“ (III, 1838–40) und „Völkerschau auf Reisen“ (1840), in denen sich geistig lebendige, gedankenreiche Schilderungen von Personen, Zuständen und Gegenden finden. Den bleibendsten Werth kann man Mundts Charakteristiken zuschreiben, die er in der von Varnhagen veranstalteten Herausgabe des literarischen Nachlasses und Briefwechsels von Knebel lieferte, seiner Charakterisierung des Fürsten Pückler in Büchners „Deutschem Tagebuche“ (1835) und der Charakteristik der unglücklichen Charlotte Stieglitz („Ein Denkmal“ 1835), obwohl die Verherrlichung derselben als Märtyrerin auf ganz schiefen sittlichen Voraussetzungen beruht. Eine reiche Tätigkeit entfaltete Theodor Mundt in dem ersten Zeitraum seines Schriftstellertums auch als Journalist und Publizist. Außer der politischen Flugschrift „Die Einheit Deutschlands in politischer und ideeller Entwicklung“ (1832) sind hier besonders seine Zeitschriften zu erwähnen „Der literarische Zodiakus“ (1835), der einem baldigen Verbote erlag, die „Dioskuren für Kunst und Wissenschaft“ (1836–1837), das Taschenbuch „Delphin“ (1837–1838), der „Freihafen“ (1837–1844) und endlich „Der Pilot“ (seit 1840). Eine große Lebensfähigkeit hatte keins dieser Journale aufzuweisen, obwohl Theodor Mundt bemüht war, dem Journalismus eine wissenschaftliche Färbung und größeren Ernst zu geben und anerkannte Männer der Wissenschaft in die Interessen der jungen literarischen Kreise zu ziehen. – In dem folgenden Zeitraum scheidet sich Mundts literarische Tätigkeit in zwei Gruppen: Produktion und wissenschaftliche Leistungen. Die letzteren sind nicht alle von gleichem Werte, zeichnen sich aber durch eine glänzende Stilistik aus. Am bedeutendsten ist seine „Geschichte der Literatur der Gegenwart vom Jahre 1789 bis zur neuesten Zeit“ (1842; 2. Aufl. 1853), die überhaupt zu seinen besten literaturgeschichtlichen Werken gehört. Mit Wärme und Begeisterung geschrieben, kommen die einzelnen Entwicklungsstufen der Literatur mit großer Übersichtlichkeit zur Darstellung, werden besonders die hervorragenden Erscheinungen in geistvoller Weise geschildert. Weniger gründlich und übersichtlich ist Mundts „Allgemeine Literaturgeschichte“ (III, 1846), während seine „Dramaturgie oder Theorie und Geschichte der dramatischen Kunst“ (II, 1849) den Stoff gewandt gruppiert, sonst aber wenig Neues bietet. Das letztere gilt auch von der „Götterwelt der alten Völker“ (1846), der „Staatsberedsamkeit der neueren Völker“ (1848) und dem „Katechismus der Politik“ (1848), die mehr für den Bildungsbedarf des Publikums geschrieben sind. Wo Theodor Mundt größere wissenschaftliche Anläufe zu nehmen scheint, wie in der „Ästhetik“ (1845), der „Geschichte der Gesellschaft“ (1844), der „Geschichte der deutschen Stände“ (1853), bringt er doch nur alte Gedanken in neuer Form; ihm fehlt das organisatorische Denken, das er durch Reflexionen zu verbergen sucht, so dass seine Darstellung oft in Schönrednerei verläuft. Großes Interesse dagegen gewähren diejenigen Schriften Mundts, welche die Charakteristik der Zeit und der in ihr besonders hervortretenden Persönlichkeiten zum Gegenstande haben. Schon in seinem „Macchiavelli“ (1851) beweist Theodor Mundt, dass er in der Entwickelung eines gegebenen politischen Systems und in der Charakteristik einer bestimmten historischen Persönlichkeit ungemein glücklich ist. Mehr noch tritt dies in den Schriften „Der Kampf um das schwarze Meer“ (1855), „Krim Girai, ein Bundesgenosse Friedrichs des Großen“ (1855), „Italienische Skizzen“ (IV, 1858–1860), „Pariser Skizzen“ (II, 1857), „Paris und Louis Napoleon“ (II, 1858) hervor. Der Held und Mittelpunkt fast aller dieser Bilder ist der dritte Napoleon, und keinem andern deutschen Schriftsteller verdanken wir so gründliche Studien des zweiten Napoleonischen Kaiserreichs, seiner äußeren Politik und seiner inneren gesellschaftlichen Zustände, wie gerade Theodor Mundt. „Seine Pariser Kulturbilder sind von graziöser Lebendigkeit, die Porträts eines Pius IX., Victor Emanuel, Cavour, Mazzini, Garibaldi u. a. gehören zu den gelungensten Brustbildern von Zeitgenossen und zeichnen sich gleichmäßig durch warmes Kolorit und geistvolle Auffassung aus“. Den poetischen Produktionen Mundts kann man gleiche Anerkennung nicht zollen. Seine historischen Romane „Thomas Münzer“ (III, 1841), „Graf Mirabeau“ (IV, 1858), „Robespierre“ (III, 1859) bekunden zwar ein gründliches Studium der einschlägigen Literatur und geben uns ein wohlgelungenes Bild von den Zeiten des Bauernkrieges und der französischen Revolution; aber die Fülle historischen Materials drückt die poetische Gestaltung vollständig nieder, und letzterer kann auch weder durch die geistreichen und blendenden Gedanken noch durch den blumenreichen und phrasenhaften Stil aufgeholfen werden. Noch unbedeutender ist „Mendoza, der Vater der Schelme“ (II, 1847). Der Roman „Die Matadore“ (II, 1850) behandelt den Grundgedanken, dass unsere Zeit keine großen Männer und Helden mehr hervorbringt, sondern nur Matadore; aber die dichterische Verwirklichung dieses Gedankens fehlt und wird am allerwenigsten durch das Heranziehen aller möglichen Verhältnisse und das Besprechen aller auf der Tagesordnung stehenden Fragen erreicht. Viel ansprechender sind Mundts kleinere Romane und Novellen, von denen besonders „Carmela oder die Wiedertaufe“ (1844) hervorzuheben ist; in diesem kleinen Roman ist es dem Dichter gelungen, Bild und Idee künstlerisch zu verknüpfen.