Die Aufgabe der Bank.

Die Jüdische Kolonialbank in London, deren Begründung die erste praktische Tat des politischen Zionismus ist, hat schon vor ihrem Entstehen viel Tinte fließen gemacht. Alle möglichen Missverständnisse wurden künstlich erzeugt, wenn sie nicht schon von selbst entstanden waren. Die Gegner machten sich mit heißem Eifer daran, diese einfachste Sache zu verdunkeln und zu entstellen. Es war aber nicht der Mühe wert, mit all den Böswilligen oder Unverständigen eine Polemik zu führen. Nun ist die Zeit gekommen, ein paar Worte über das Wesen und die Aufgaben der Bank zu sagen, deren Prospekt und Statuten von London aus versendet werden.

Die Jüdische Kolonialbank wird, wie es ja schon in ihrer Firma klar und einfach gesagt ist, der jüdischen Kolonisation dienen. Und zwar will sie dies in unserem rein zionistischen Sinne. Keine Bettelansiedlung ist gemeint, sondern eine ordentliche agrikulturelle und industrielle auf der bekannten rechtlichen Grundlage.


Es hat einige Zeit gebraucht, bis alle Vorbedingungen geschaffen waren, bevor man daran denken durfte, die Jüdische Kolonialbank ins Leben zu rufen. Eine der wichtigsten Vorbedingungen war die Aufklärung der öffentlichen Meinung über die Zwecke und Ziele des Zionismus. Unsere Kongresse, unsere aufrichtigen und eingehenden Publikationen haben dazu viel beigetragen. Heute kann man ruhig sagen, daß der Zionismus sich in ernsten politischen Kreisen die Anerkennung errungen hat, er sei eine Bewegung, deren günstige Wirkung sich nicht auf die Juden allein beschränken, sondern einen allgemeinen Kulturgewinn bedeuten werde. Auch darüber besteht heute kein Zweifel mehr, daß der Zionismus mit den verschiedenen Umsturzbewegungen keinerlei Verwandtschaft und keinen Zusammenhang hat. Es ist kein Gedanke der Zerstörung, sondern des Aufbaues, der ihm zugrunde liegt.

Das alles ist oft gesagt worden. Mancher mag gefunden haben, daß es schon zu oft wiederholt wurde. Aber neue Formeln können nicht oft genug ausgesprochen werden. Sie müssen sich dem Gedächtnis gut einprägen. Freilich darf sich die Bewegung auch nicht in Worten allein abspielen. Die Zionisten sind keine Deklamatoren. Sie wollen sich nicht in Worten berauschen, sondern in nüchterner, geduldiger Arbeit erheben. Der Zionismus ist auf eine Arbeitshilfe in großem Maßstabe aus, auf eine Selbsthilfe zur Arbeit.

Und nachdem wir diesen Zweck deutlich und — wie wir hoffen — durch die Einfachheit unserer Erklärungen überzeugend dargetan haben, wollen wir das finanzielle Werkzeug zur Ausführung der nun schon aller Welt bekannten Pläne herstellen.

Was wird die Jüdische Kolonialbank machen? Sie wird Geschäfte machen. Sie wird alle ordentlichen Bankgeschäfte machen, mit besonderer Bevorzugung derjenigen, welche dem kolonisatorischen Zwecke dienen. Bei Gelegenheit der provisorischen Subskription, die zur Prüfung der für die Bankgründung etwa vorhandenen Stimmung eingeleitet wurde, ergab sich die angenehm überraschende Tatsache, daß die Bank schon durch ihren Namen eine sofortige Popularität gewann. Die leitenden Herren des Bankdirektoriums haben aus den Mitteilungen, die ihnen von allen Seiten im Laufe der letzten Monate zugingen, die Überzeugung geschöpft, daß dieses Institut ungewöhnlich rasch einen sehr ausgebreiteten Geschäftsverkehr haben dürfte. Im zerstreuten Volke, das ja viele Handelsleute zählt, war sofort Verständnis und Interesse für die geplante Einrichtung da. Diese Bank darf schon jetzt auf eine Kundschaft rechnen von Kanada bis Argentinien, von Ägypten bis zum Transvaal und wohl in jedem Lande der Welt.

Wenn aber die Jüdische Kolonialbank auch das übliche Bankgeschäft betreiben wird, so erschöpft sich darin keineswegs ihre Aufgabe. Sie wird die Erlangung des Ansiedlungsgebietes vermitteln und dann die Ansiedlung finanzieren. Die Einzelheiten, in denen sich das abspielen soll, schon jetzt zu bestimmen, wäre müßig und sogar unklug. Sobald aber die Bankleiter die erforderlichen Bewilligungen in Händen haben, werden sie den nächsten Schritt machen und die Landgesellschaft gründen. Die Emission von Anteilscheinen der Landgesellschaft nach dem Muster der Chartered Company wird wohl das größte Geschäft sein, welches die Jüdische Kolonialbank machen wird.

Das sind in großen Zügen die Aufgaben der Bank, soweit sie sich schon jetzt vorhersehen lassen. Man sieht, es ist etwas durchaus Praktisches, Realisierbares, Vernünftiges. Als ein auf rein geschäftlichen Grundlagen beruhendes, wenn auch in seiner redlichen Gebarung von verläßlichen Vertrauensmännern beaufsichtigtes Unternehmen, hat die Bank Finanzgeschäfte zu machen. Erstens das normale Bankgeschäft mit seinen vielerlei modernen Verzweigungen. Zweitens die Vermittlung von Geschäften derjenigen Regierung, von der die Besiedlungsrechte zu erlangen sind. Drittens die Begründung der großen Landgesellschaft, welche den zionistischen Plan in Wirklichkeit umzusetzen berufen ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Theodor Herzls Zionistische Schriften