3.2 Zionistenkongresse

Während Herzls literarische Werke in ihrer Eigenschaft als theoretische Abhandlungen den Zionismus nur begrenzt beeinflussen können, ist Herzls Leistung neben politischen Verhandlungen(siehe 3.4) vor allem in den Zionistenkongressen zu sehen, die er einführt; sie schaffen einerseits die Organisationen, mit deren Hilfe bis heute zionistische Projekte und Ziele verwirklicht werden (siehe 3.3),andererseits ein Forum, eine zentrale Vertretung der Zionisten in der Öffentlichkeit.
Als wichtigste Errungenschaft der Zionistenkongresse, die Herzl miterlebt, ist das „Baseler Programm“ des ersten Zionistenkongresses 1897 zu nennen. Hier heißt es:
„Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina“6) (fast wörtlich so in der Balfour-Declaration 1917 übernommen). Dieses sei in vier Schritten, nämlich der Besiedlung Palästinas, der Organisation der Juden in der Diaspora, der Stärkung der jüdischen Identität und der Verhandlung mit Regierungen.
Durch diese Formulierungen vermeidet Herzl nach außen eine Provokation des möglichen Verhandlungspartners Türkei (eine Heimstätte ist ein Autonomiegebiet, kein Staat), nach innen gelingt es ihm, einen Kompromiss zwischen den verschiedene Richtungen des Zionismus herzustellen (Besiedlung geht auf praktische, jüdische Identität auf Kulturzionisten ein). Dies zeigt sich auch in diversen Konzessionen an religiöse (z.B. der Möglichkeit kosheres Essen zur Verfügung gestellt zu bekommen), um auch sie in die Zentral Instanz des Zionistenkongresses zu integrieren.
Die größte innere Spaltung erlebt der sechste Zionistenkongress (der letzte, den Herzl miterlebt) 1903 bei der Auseinandersetzung um den sogenannten Uganda-Plan, in dem die britische Regierung den Zionisten eine autonome jüdische Siedlung im Guas—Ngishu-Plateau in Kenia unter britischer Verwaltung anbietet. Ob Herzl auf das Angebot eingeht, weil er sich von seiner Verwirklichung eine schnelle Behebung der Notlage der besonders seit dem Pogrom von Kishinew bedrohten osteuropäischen Juden sieht, oder, weil es das erste offizielle Angebot einer Regierung ist; es ihm folglicherweise nicht um die Verwirklichung, sondern nur um den diplomatischen Erfolg geht, ist ungeklärt. Fakt ist jedoch, dass gerade die von den Pogromen am stärksten betroffenen Juden Osteuropas zu den größten Gegner dieses Plans gehören. Die zur Prüfung der Lage eingesetzte Ostafrika-Kommission verwirrt ihn schließlich im darauffolgenden Zionistenkongress.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Theodor Herzl - zentrale Figur des Zionismus?