3.1.1 Exkurs: Vergleich mit Werken zionistischer Vorläufer Herzls

Den Anspruch auf Vollständigkeit im Hinblick auf zionistische Werke vor Herzl erheben zu wollen, würde den Rahmen dieses Exkurses bzw. dieser Arbeit sprengen. Ziel ist lediglich ein grober Überblick in grundsätzliche Überlegungen anderer Zionisten, um Herzl im Umfeld ähnlicher Denker zu sehen und sein Werk nicht isoliert zu betrachten. Anzumerken ist jedoch, dass er diese Vertreter der gleichen Ideen und ihre Ausführungen vor seiner zionistischen Zeit gar nicht und danach nur sehr beiläufig kennt.
Aufgrund ihrer voremanzipatorischen Argumentationsweise (sie gehen weder auf Antisemitismus noch auf Nation ein) eher als Vorbereiter denn als Vertreter des Zionismus sind Jehudah Alkaiai („Harbringer of good tidings“,1852) und Zwi Hirsch Kalischer („Drischath Zion“, 1862) zu betrachten: So sind ihre Mittel zwar säkular (Wiederbelebung des Hebräischen), Ihre Ziele und Motive hingegen religiös: Die Rückkehr der Juden zu ihrem Land wird als heilsgeschichtliche Notwendigkeit, die Wiedergewinnung des Landes gewissermaßen als Voraussetzung für das Kommen des Messias gesehen, (Interessanterweise wird diese Argumentation, die sich im Zionismus nicht durchgesetzt hat, vor allem seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und den als Folge verbundenen Besitz in der Thora erwähnter Gebiete von einer immer einflussreicher werdenden Gruppe sogenannter Nationalreligiöser vertreten).
Von einer zionistischen Programmatik kann erst ab Moses Hess („Rom und Jerusalem“, 1862) die Rede sein: ein nationales Problem, kein religiöses. Es lassen sich nun verschiedene Tendenzen aufzeigen:
Hess argumentiert in seinem Werk einerseits sozialistisch, andererseits mit biologischen Termen („Die ganze Geschichte entwickelt sich in Rassen- und Klassenkampfen“5), und noch ziemlich unsystematisch, die Schaffung eines kulturellen Zentrums in Palästina ist zwar in seinen Ideenkonglomerat vorhanden, wird aber im Gegensatz zu den verschiedenen Werken Nathan Birnbaums (u.a: „Die Assimilationssucht“, 1884) und v.a. Achad Haams (u.a. „Nicht dies ist der Weg“,1889) nicht zur Hauptsache erhoben, weshalb man letzte beide als Kulturzionisten bezeichnet, ihn nicht. Allen dreien ist die Anerkennung der Galut als möglichen jüdischen Lebensraum gemeinsam.
Damit unterscheiden sie sich von politischen Zionisten wie Issac Rülf („Aruchas Bas-Ammi“,1883) Leon Pinsker („Autoemanzipation“,1882) und v.a. Theodor Herzl („Der Judenstaat“ 1896), die im Gegensatz zu den Kulturzionisten den Judenstaat als politische Notwendigkeit zur Bekämpfung des Antisemitismus sehen. Für sie gibt es daher nur zwei Alternativen, wenn ihr Ziel, eine über eine Charta geschaffenen Staat erreicht ist: die Aliya oder die totale Assimilation eines Juden, weshalb sie absolute Galutverneiner sind.
Während also die Kulturzionisten einen jüdischen Staat wollen, geht es den politischen Zionisten um einen Staat für vom Antisemitismus bedrohte Juden, der diesen beseitigt.
Zu nennen wären noch die praktischen Zionisten wie Moses Leib Lilienblum („über die Wiedergeburt des jüdischen Volkes im Lande seiner Väter, 1884) und Isaav Turuff („Wo hinaus? Mahnwort an die westeuropäischen Juden“), die zwar vom selben Ausgangspunkt wie die politischen Zionisten ausgehen (Antisemitismus), die Priorität jedoch in der Ansiedlung der Juden in Palästina und den Aufgaben dort sieht, während die politische Unabhängigkeit zweitrangig ist. (siehe 4.5)

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Theodor Herzl - zentrale Figur des Zionismus?