Theodor Herzl und der Judenstaat

Autor: Nordau, Max Simon (1849-1923) Arzt, Schriftsteller, Politiker und Mitbegründer der Zionistischen Weltorganisation, Erscheinungsjahr: 1921
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Juden, Judentum, Zionismus, Judenhass, Judenvertreibung, Judenverfolgung, Antisemitismus, Zionismus
Warburg, Otto Dr. (1859-1938) Professor, Botaniker, Landwirtschaftsexperte, von 1911-1921 Präsident der Zionistischen Organisation (ZO)
Zangwill, Israel (1864-1926) Schriftsteller, Journalist, Politiker, Zionist
Erdtracht, Davis ( 1894-verschollen) Schriftsteller, Verleger

          „Wer nicht mit will, mag dableiben.
          Der Widerspruch einzelner Individuen
          ist gleichgültig.

          Wer mit will, stelle sich hinter
          unsere Fahne und kämpfe für sie in
          Wort, Schrift und Tat".
                        Theodor Herzl: Der Judenstaat.

                            Vorwort des Herausgebers

Wer ist Herzl? Der Prometheus der Liebe zu seinem Volke. Diese unendliche Liebe schuf das edelste Buch des modernen Judentums, den „Judenstaat", in welchem Herzl sein eigenes Wesen gegeben, sein Wollen, seine Ziele, seine Hoffnungen; sie schuf die Kongresse, diese große Schöpfung, mit der er die zerstreuten Träger der Nationalidee einigte in dem einmütigen Bekenntnis zur Zukunft des Volkes auf eigenem Boden, im alten Stammeslande; sie schuf die Organisation, die aus einem kleinen Häuflein von Anhängern eine von allen Mächten anerkannte Weltorganisation geworden ist; sie war die Quelle seiner schlichten Opferbereitschaft, seines unverwüstlichen Optimismus, seiner ungeheuren Arbeitsfähigkeit, seines Glaubens in die Zukunft der Nation, seines unzerstörbaren Gefühles der Sendung und Berufung, seiner Größe. Herzl lebte und starb an der Liebe zu seinem Volke. „Grüßen Sie mir Palästina“ sagte er am Sterbebette zu seinem christlichen Zionsfreunde, der ihn am 1. Juli 1904 besucht, „ich habe mein Blut für mein Volk hingegeben".

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Was er wollte und hoffte, was er vorbereitete und was er im „Altneuland“ mit seinem prophetischen Blicke voraussah und die nahe Verwirklichung verkündete, wird heute zur politischen und historischen Tatsache. Die Herzl'sche Lehre vom politischen und internationalen Charakter der Judenfrage und vom Zionismus als deren Lösung ist siegreich hervorgegangen. „Die Saat, die HerzI im Judenstaat gelegt hat, ist nicht nur herrlich aufgegangen, sondern schon nahe daran heranzureifen. Als Sieger steht Herzl vor uns da.“ Die „neue Gesellschaft“ ist im Begriffe zu entstehen. „Ein ganzes Leben wird nicht ausreichen, Alles auszuführen“ — schrieb Herzl unter dem 16. Juni 1805 in sein Tagebuch, als in den Tagen der Entstehung des „Judenstaates' die Gedankenzüge durch sene Seele erschütternd jagten — „aber ich hinterlasse ein geistiges Vermächtnis“. Und er hinterließ nicht nur das geistige Vermächtnis, seine politische Lehre, den „Judenstaat“, sondern auch das großartigste Werk eines Menschen, das im Selbstbewusstsein erwachte, zur Tat bereite, der frohen Zukunft entgegenwandernde Volk.

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Schon im Jahre 1901 war Herzl nahe daran, das zu erreichen, was heute unseren Führern in San Remo gelungen ist, wenn auch nicht in gleich großzügiger und feierlicher Art. Aber unter welch' schwierigeren Verhältnissen! Weder hatte er damals das Volk hinter sich, noch die mächtige Weltorganisation, noch das nötige Kapital, noch waren die politischen Ereignisse so günstig gestaltet, wie heute. Zwei Millionen Pfund verlangte er von der jüdischen Finanzmacht, um den Charter von der Türkischen Regierung zu erlangen. In seinem unendlichen Optimismus glaubte er an die jüdische Finanzmacht. ,,In der jüdischen Finanzmacht schlummern noch sehr viele ungenützte politische Kräfte. Die Kreditpolitik der großen Finanzjuden müsste sich in den Dienst der Volksidee stellen“. Die jüdische Finanzwelt versagte, nur die Ärmsten gehorchten dem Führer. Wenn es nun Herzl nicht gegönnt war den Charter zu erlangen, und Palästina im großen Stile zu kolonisieren, das Land für den heutigen geschichtlichen Moment vorzubereiten, wenn auch den heutigen Führern nicht gegönnt ist vor dem Forum der Mächte auf das jüdische Palästina hinzuweisen, so konnten sie am denkwürdigen San Remo-Tage auf den nach Erlangung der eigenen Heimstätte im alten Lande organisierten Willen des jüdischen Volkes sich stützen, auf die mächtige Organisation hinweisen — die das große Werk Herzls ist — die beseelt ist von der glühenden Liebe zu Zion und ihr Bestes auf dem Altare der Freiheit zu opfern bereit ist. So stützen sich unsere Führer auf das große Werk Herzls und verwirklichen seine Lehre und setzen seine Arbeit fort. Ohne Herzl würde es keine so machtvolle zionistische Bewegung gegeben haben, und ohne diese nicht die offizielle Anerkennung der zionistischen Bestrebungen seitens aller Großmächte, die Anerkennung der unverjährten Rechte des jüdischen Volkes an Palästina.

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„Die Goldmagnaten werden sich vielleicht auch nur begnügen, die Sache mit einem ablehnenden Lächeln abzutun“: „Ob die Mittelbanken die Sache aufgreifen werden, weiß ich auch nicht. Jedenfalls ist die Sache auch mit der Ablehnung des Mittelreichen nicht erledigt. Dann beginnt sie vielmehr erst recht. Denn die Society of jews, die nicht aus Geschäftsleuten besteht, kann dann die Gründung der Company als eine volkstümliche versuchen. Das Aktienkapital der Company kann ohne Vermittlung eines Hochbank- oder Mittelbanksyndikates durch unmittelbare Ausschreibung einer Subskription aufgebracht werden. Nicht nur die armen kleinen Juden, sondern auch die Christen, welche die Juden loshaben wollen, werden sich an dieser in ganz kleine Teile zerlegten Geldbeschaffung beteiligen. Es wäre eine eigentümliche und neue Form des Plebiszites, wobei jeder, der sich für diese Lösungsform der Judenfrage aussprechen will, seine Meinung durch eine bedingte Subskription äußern könnte“. Für Herzl sind entscheidend für die Verwirklichung seiner Pläne die Macht des Volkes und die Macht der Bewegung. „Und so wird es zugehen: Gerade die Armen und Einfachen, die gar nicht ahnen, welche Gewalt über die Naturkräfte der Mensch schon besitzt, werden die neue Botschaft am stärksten glauben. Denn sie haben die Hoffnung auf das Gelobte Land nicht verloren.“ „Nun würden ja schon die Ärmsten zur Gründung des Staates genügen, ja sie sind das tüchtigste Menschenmaterial für eine Landnahme, weil man zu großen Unternehmungen ein bisschen Verzweiflung in sich haben muss. Aber indem unsere Desperados durch ihr Erscheinen, durch ihre Arbeit den Wert des Landes heben, machen sie allmählich für Besitzkräftigere die Verlockung entstehen, nachzuziehen. Immer höhere Schichten werden ein Interesse bekommen, hinüberzugehen.“ „Aus den Mittelständen fließen unsere überproduzierten, mittleren Intelligenzen, fließen ab in unsere ersten Organisationen, bilden unsere ersten Techniker, Offiziere, Professoren, Beamten, Juristen, Ärzte. Und so geht die Sache weiter, eilig und doch ohne Erschütterung.“ „Wenn die Bewegung entsteht, werden wir die Einen nachziehen, die Anderen uns nachfließen lassen, die Dritten werden mitgerissen und die Vierten wird man uns nachdrängen. Diese die zögernden späten Nachzügler werden hüben und drüben am schlechtesten daran sein. Aber die ersten, die gläubig begeistert und tapfer hinübergehen, werden die besten Plätze haben.“ „Da ist es Juden! Kein Märchen, kein Betrug! Jeder kann sich davon überzeugen, denn jeder trägt ein Stück vom Gelobten Land hinüber: der in seinem Kopf, und der in seinen Armen und jener in seinem erworbenen Gut.“

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Die Macht des Volkes und die Macht der Bewegung — zwei Faktore, auf die sich unsere Führer in der Verwirklichung der Herzischen Idee stützen. Die erlösende Botschaft aus San Remo fand einen gewaltigen Widerhall im Herzen von Millionen physisch und seelisch bedrückten Juden. Der Antisemitismus hat seinen Höhepunkt erreicht. Die Juden werden auf tausend Punkten gehänselt, gekränkt, gescholten, geprügelt, geplündert und erschlagen. Es ist der Moment, den Herzl voraussah, eingetreten. „In den Ländern, die wo sich die Juden augenblicklich Wohlbefinden, werden meine Stammesgenossen meine Behauptungen vermutlich auf das heftigste bestreiten. Sie werden mir erst glauben, bis sie wieder von der Judenhetze heimgesucht sind. Und je länger der Antisemitismus auf sich warten lässt, umso grimmiger muss er ausbrechen. Die Infiltration hinwandernder, von der scheinbaren Sicherheit angezogener Juden, sowie die aufsteigende Klassenbewegung der autochthonen Juden wirken dann gewaltig zusammen und drängen zu einem Umsturz.“ Die Notleidenden suchen in Palästina einen sicheren Hafen, ein besseres wirtschaftliches Dasein, eine friedliche, sichere Zukunft, die geistig Bedrückten ein freies Kulturzentrum für ihre Tätigkeit, die Einen und die Anderen suchen die Heimat und lechzen nach Freiheit im eigenen altneuen Lande. Der historische Moment hatte das jüdische Volk nicht unvorbereitet getroffen. Das Volk und die Jugend sind reif, um den Herzischen Willen und Herzische Lehre heute zu verwirklichen und in dieser Reife des Volkes spiegelt sich Herzls Tat und Verdienst. Insbesondere die Jugend, die im Kriege ihr Bestes auf dem Altare fremder Freiheit hingegeben hat, ist heute bereit ihr Gut und Blut dem Wiederaufbaue der eigenen Heimat zu opfern, die Jugend, in welche Herzl seine größte Hoffnung setzt: „Wir werden sehen, ob uns schon die Jugend, die wir brauchen, nachgewachsen ist; die Jugend, welche die Alten mitreißt, auf starken Armen hinausträgt und die Vernunftgründe umsetzt in Begeisterung“; die Jugend, die den Ruf, den Herzl in seinem „Judenstaate“ ergehen ließ, mit folgender Adresse im Mai 1896*) beantwortete: Der Ruf, den Sie in Ihrem „Judenstaate“ an das jüdische Volk haben ergehen lassen, findet einen mächtigen Widerhall in den Herzen von Tausenden Ihrer Stammesgenossen. So alt wie unser Exil ist auch die Sehnsucht unseres Volkes nach Freiheit; aber nur vereinzelt waren die Stimmen, die diesem Wunsche lauten Ausdruck gegeben haben. Sie, hochverehrter Herr Doktor, haben den Mut gehabt, diese Gefühle in klarer und prägnanter Weise auszusprechen und den nationalen Bestrebungen unseres Volkes neue und für die Zukunft verheißungsvolle Bahnen zu weisen. Hierfür gebührt Ihnen der Dank der Nation, den die Gefertigten — geistige Arbeiter des Judentums — nicht besser dokumentieren können, als indem Sie das Wiederaufrollen unserer nationalen Fahne freudig begrüßen und sich in den Dienst der heiligen Sache des jüdischen Volkes hingebungsvoll stellen“.

Die Jugend hob Herzl auf ihr Schild und gab ihm Kraft die Geschicke des Volkes zu lenken, die Jugend schwor Herzl und dem Judenstaate Dienst und Treue, nun liegt es an der Jugend, „dass aus dem Traum ein tagheller Gedanke wird“, dass Herzls Ideen im „Judenstaate“ im Staate der Juden verwirklicht werden.

*) Die Adresse wurde unterzeichnet von folgenden Verbindungen: Akademische Verbindung „Kadimah“ in Wien ; Verbindung österr.-schles. Hochschüler „Ivria“ in Wien; Vereinigung jüd. Veter. -Med. „Libanonia“ in Wien; Akademische Verbindung „Hasmonäa in Czernowitz; jüd akad. Verbindung ,,Unitas“ in Wien; Akademischer Verein „Gamalah“ in Wien; Theologischer Verein der Hörer an der isr. Theolog. Lehranstalt in Wien ; Akademischer Verein „Humanitas“ in Graz.

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Es war während des zweiten Baseler Kongresses. Da stand Herzl mit den anwesenden Delegierten auf dem Balkon des Kongresshauses, als der Schweizer Festzug von St. Jacob zurückkam, wo die Eidgenossen den Sieg über die Armagnacs vom 26. August 1444 zu feiern pflegen. Seine königliche Erscheinung ergriff die Menge und als einige Delegierte „Hoch die Schweiz“ riefen, senkten sich die Fahnen des Zuges, grüßten das vom Balkon flatternde blauweiße Banner und brausend schallte es wohl zum ersten Male seit Jahrtausenden herauf: „Hoch die Juden!“ Wohl zum ersten Male seit Jahrtausenden senkte sich das Banner eines freien Volkes vor der blauweißen Fahne und sandte dem jüdischen Volke Grüße der Freiheit und der Verheißung, für die Herzl gerungen. Heute ist uns Herzl die Fahne geworden, von der er dem Baron Hirsch gesprochen, „mit der man die Menschen führt, selbst ins Gelobte Land“. Heute an der Schwelle der Wiedergeburt wiederholen wir die Worte der Palästinenser an Herzl im Jahre 1896 nach der Veröffentlichung des Judenstaates :

„In der Geschichte des jüdischen Volkes wird für alle Zeiten ein Name in goldenen Lettern glänzen, der Name des Mannes, der durch seine herrliche Staatsschrift den Völkern ein Friedensbote, seinem eigenen Stamme Licht und Leuchte geworden.

Und mögen auch viele Jahre vergehen, ehe die große Idee zur Verwirklichung wird, die treuen Söhne des jüdischen Stammes werden voll Hoffnung und Zuversicht an den Gedanken des Judenstaates festhalten, werden mit tiefer Dankbarkeit und Verehrung an dem Manne hängen, der dem alten Glauben neue Nahrung, der ererbten Hoffnung frische Pflege gegeben, der seinem Volke ein begeisterter Sohn geworden, ein weiser Lehrer und Kostspender.“

                                Davis Erdtracht

Autor: Nordau, Max geb. als Maximilian Simon Südfeld (1849-1923) Arzt, Schriftsteller, Journalist und Politiker

Autor: Nordau, Max geb. als Maximilian Simon Südfeld (1849-1923) Arzt, Schriftsteller, Journalist und Politiker

Ostjüdisches Antlitz

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Ostjude

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Der greise Jude

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Bärtiger Jude

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Alter Jude

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Lesender Jude

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Meditierender Ostjude

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Ostjude vor seinem Gebetbuch

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Jude beim Lesen eines Buches

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Ostjude beim Studium

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Typisches Gesicht eines Ostjuden

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Kohle schleppender Jude

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Ostjude bei der Arbeit

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Arbeitender Jude

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Vollbärtiger Jude

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Jüdin mit Kopftuch

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Jüdin

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Jüdischer Mädchenkopf

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Jugendliche Jüdin

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Ostjüdin mit Kind

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Jüdische Schülerin

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Ostjüdische Schönheit

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