Siebente Fortsetzung

Im Komitat Bereg besiedeln die Ukrainer die weitaus größere Hälfte der Fläche (2.400 km2 von 3.783 km2). Noch vor kurzem, im Jahre 1900, bildeten sie auch die relative Mehrheit der Bevölkerung, 45,7%, auf die Magyaren entfielen 44,7%; die Volkszählung von 1910 hat dieses Verhältnis umgekehrt, indem sie den Ukrainern bloß 42,6%, den Magyaren 47,8% der Bevölkerung zuerkannte. Auf welchen Wegen, werden wir gleich sehen. Von den sieben Bezirken dieses Komitats sind vier ukrainisch: Horisnyj (Felvidek), Latorcza, AlsoVereczke, Svaljava (Szolyva); zwei gemischt: Munkacs und Tiszähät; einer, Koseno (Mezökaszony), magyarisch. Im Bezirke Felvidek betrug die ukrainische Bevölkerung im Jahre 1900 82,5% (ohne Juden), im Jahre 1910 fiel die Zahl nach den offiziellen Angaben auf 70%, obwohl das ein rein ukrainisches Gebiet ist, welches von allen Seiten von ukrainischen Bezirken eingeschlossen ist. Die Ursache davon liegt wieder in argen Missbräuchen. Das Dorf Loza-Poljanka (Füresmezö) hatte im Jahre 1900: 610 (78,2%) Ukrainer und 51 (6,5%) Magyaren, im Jahre 1910 finden wir nur noch 185 (21,8%) Ukrainer und 660 (78%) Magyaren. Das Dorf Midjanycja (Medencze), welches im Jahr 1900: 615 (95,4%) Ukrainer und 9 (1,4%) Magyaren aufwies, hat jetzt 313 (42,8%) Ukrainer und 418 (57,2%) Magyaren, d. h die Zahl der Magyaren ist im letzten Jahrzehnt in Loza-Poljanka um das Zehnfache, in Midjanycja um das Fünfunddreißigfache angewachsen. Und so sind zwei rein ukrainische Dörfer auf dem Papier zu magyarischen Oasen auf ukrainischem Boden geworden. Ähnlich, wenn auch nicht in so unverschämter Weise ist die Statistik in Babeci (Bäbaküt), Bilke, Rostoka (Gäzlo) gefälscht worden, wo ganze Dekaden Griechisch-Katholischer als Magyaren eingetragen worden sind. Im Bezirke Latorcza wurde das Dorf Rozvehovo (Orozveg), welches noch im Jahre 1900 wenigstens eine relative ukrainische Mehrheit hatte, 39,5% gegen 24,5% Magyaren, im Jahre 1910 zu einem überwiegend magyarischen gemacht, indem man den Magyaren 37% und den Ukrainern nur 30,8% der Bevölkerung zuzählte. Im Bezirke Tiszähät weist Ober-Kemeta (Felsöremete) 80,3% Ukrainer und 17,8% Magyaren auf, im Jahre 1910 wäre es nunmehr eine überwiegend magyarische Ansiedlung. Bei einer solchen Durchführung der nationalen Statistik kann man sehr rasch das von der ungarischen Regierung gewünschte Stadium erreichen, wo es in Ungarn in jeder Ortschaft 100% Magyaren geben wird; aber eine tendenziöse Volkszählung kann den wahren Tatbestand nur verdunkeln, aber nicht ändern.

Die ethnographische Grenze im Bereger Komitat ist ziemlich zerfranst. Längs der Borza gelangt sie in langer schmaler Zunge bis zur Mündung der Silva, dann biegt sie wieder nach Norden um und wendet sich dann in Windun gen, den Fluss Bek unterhalb Barbovo (Bärdhäza) durch schneidend, im Quellgebiet dieses Flüsschens nach Westen und erreicht die Latorcza bei der Mündung der Viznice. Von da an läuft sie mit dem rechten Ufer der Latorcza, übergeht einige Kilometer unterhalb Munkacs auf ihr linkes Ufer, erfasst sechs Ansiedlungen, die auf der nördlichen Seite der Wasserscheide zwischen der Borza und der Latorcza gelegen sind, und springt dann wieder zur Latorcza zurück. Die Latorcza stromabwärts gelangt sie bis zur Mündung des Flüsschens Stara, zur Grenze des Unger Komitats.


Das Unger Komitat ist dem Territorium nach überwiegend ukrainisch. Der Bevölkerung nach zerfällt es in drei Teile: einen ukrainischen, einen slowakischen und einen magyarischen, wobei die Ukrainer die relative Mehrheit der Bevölkerung bilden. Nach den Angaben der Volkszählung von 1900 waren im ganzen Komitat 36,4% Ukrainer, 30,2% Magyaren und 28% Slowaken; im Jahre 1910 38,1% Ukrainer, 33,2% Magyaren und 22,4% Slowaken. Hier treffen wir also zum ersten Mal einen offiziell anerkannten Zuwachs des ukrainischen Elementes, aber nicht auf Kosten der Magyaren, welche noch mehr zugenommen haben, sondern auf Kosten der Slowaken. Von nun an treten neben den Magyaren als Nachbarn der Ukrainer die Slowaken auf und diese Nachbarschaft geht bis zum westlichsten Grenzpunkt der ukrainischen Siedlung in Ungarn. Gleichzeitig aber tauchen große Schwierigkeiten bei der Bestimmung der ethnographischen Grenze auf. Auf dem ukrainisch-slowakischen Grenzgebiet treffen wir einen bald schmäleren, bald breiteren Streifen, wo die Bevölkerung der beiden nahe mit einander verwandten slawischen Völker stark vermischt ist, wo sich überdies noch Übergangsmundarten herausgebildet haben, mit denen sich nicht nur die Statistiken, sondern auch die Philologen nicht haben Rat schaffen können. Das Kriterium der Konfession gewährt auch keinen sicheren Anhaltspunkt, denn auch unter den Slowaken gibt es genug Griechisch-Katholische. Erst die Arbeiten von Petrov, Broch, Stavrovskyj, Cambel, Hnatjuk, Verchriatskyj und anderer haben in vieler Beziehung die Sache aufgehellt und Tomasivskyj die Möglichkeit gegeben, sie auf eine feste Grundlage zu stellen. Die amtliche ungarische Volkszählung ist lange Zeit ganz willkürlich vorgegangen und hat in den Jahren 1890 und 1900 ganz unzweifelhaft ukrainische Dörfer als slowakisch eingetragen. Erst die Volkszählung von 1910 geht da vorsichtiger zu Werke und bemüht sich, die früher gemachten Fehler zu berichtigen. Daher ergeben sich, wie aus den beigeschlossenen Tabellen zu entnehmen ist, zwischen den Ergebnissen der beiden letzten Volkszählungen große Unterschiede. Besonders stark fällt der Unterschied im Bezirke Sobranci (Szobräncz) in die Augen. Die Volkszählung von 1900 hatte bloß zwei Gemeinden als ukrainisch anerkannt: Benjatyna (Vadäszfalva) und Poruba (Nemetvagäs). Tomasivskyj*) fügt dazu noch: Honkivci (Alsohunkocz), Konjus (Unglovasd), Pidhorodja (Tibaväralja) und Chlivysce (Hegygombäs). Die Volkszählung von 1910 weist als ukrainisch außerdem noch aus: Jovsa (Jösza), Rybnycja (Felsöhalas), Ternavka (Tarna), Kolibabovei, Klokocovo, Hnojne, Kusin, Prekopa und Porubka, dafür ist Benjatyna ausgeschieden, welches Tomasivskyj als überwiegend ukrainisch ansieht. Daher ist es kein Wunder, wenn der Prozentsatz der Ukrainer im Bezirk Sobranci plötzlich von 3,4% (1900) auf 21,9% (1910) emporschnellt. Wir nehmen als Grundlage die Volkszählung von 1910 an, da sie der Wahrheit unstreitig näherkommt als die Berechnungen von 1900, wobei wir im Auge behalten, dass alle zweifelhaften Gemeinden territorial eng mit dem rein ukrainischen Gebiet verbunden, dem Glauben nach griechisch-katholisch und zum größten Teil auch von anderen Forschern als ukrainisch anerkannt sind. Zu ihnen zählen wir auch noch Benjatyna, andererseits scheiden wir aus der statistisch ausgewiesenen Zahl der Ukrainer alle römischen Katholiken und Protestanten als unzweifelhafte Slowaken aus.

Aus den anderen Bezirken des Unger Komitats wäre hier noch die unvermittelt plötzliche Magyarisierung (auf dem Papier) des Dorfes Dravci (Ungdarocz) im Uzhoroder (Ungvarer) Bezirk zu erwähnen. Nach der Volkszählung von 1900 hatte dieses Dorf 73,6% Ukrainer und 20.5% Magyaren, im Jahre 1910 zeigt es plötzlich 68,3% Magyaren und bloß 26,9% Ukrainer.

Die Grenze des ukrainischen Territoriums wendet sich von der Latorcza in rechtem Winkel nach Norden zunächst längs des Baches Cehanskyj, eines rechten Nebenflusses der Stara, dann durchschneidet sie den Fluss Ung bei Uzhorod (Ungvar) und läuft dann am rechten Ufer des Ung in einer Entfernung von 4—5 km vom Fluss zu den Quellen des Flusses Strova. Hier biegt sie nach Südwesten in das Quellgebiet des Baches Orechovskyj, eines linken Nebenflusses des Rybnyckyj, ab, springt wieder nach Norden in das Quellgebiet des Rybnyckyj zurück, wendet sich dann nach Westen und erreicht, längs der Bäche Porubskyj und Tarnavskyj verlaufend, die Grenze des Zemplener Komitats unweit der mittleren Laborcza.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Territorium und Bevölkerung der Ukraine