Vom Pferdehandel überhaupt

Erstes Kapitel.
Vom Pferdehandel überhaupt.

Es springt in die Augen, dass jemand, der einen Handel mit Pferden betreiben will, auch ein Pferdekenner sein muss. Ist er es nicht, so dankt er es dem Zufall, wenn er gute, brauchbare Pferde zu Markte führen kann; denn in vielen, wenn nicht in den meisten fällen wird er sich selbst täuschen.


Hat er sich nun aber durch seine Unkenntnis selbst betrogen, was dann? – Soll er die erkauften Pferde behalten? Nein! er muss sie wieder verkaufen, und da er vom Handel leben will, sie sogar mit Vorteil verkaufen suchen. Dies wird ihm aber nur möglich werden, wenn er seinen Abkäufer hinter das Licht führt und ihm Dinge vorschwatzt, die in der Wahrheit nicht bestehen. Es wird daher stets der Händler, der die meiste Pferdekenntnis besitzt, auch der beste, reellste Verkäufer sein können, da vorauszusetzen ist, dass er seine Einkäufe mit Verstand und Sachkenntnis gemacht hat; daher er auch beim Verkauf die wenigsten Worte zu machen braucht. – Hierauf nun beruht für den Käufer die goldene Regel:

Derjenige Pferdehändler, der zugleich als tüchtiger Pferdekenner bekannt ist und beim Verkaufe die wenigsten Worte macht, das ist in der Regel der Mann, der seine Kunden am besten bedient und bei ihm kommen diese am sichersten zum Ziele, wenn sie auch etwas höhere Preise bezahlen müssen,

die der umsichtige Händler aber auch nehmen muss, da selbstverständlich gute Pferde mehr kosten, als geringere und fehlerhafte. – Man glaube aber ja nicht, dass ein tüchtiger Pferdekenner nicht auch beim Einkauf sich täuschen könne; dies ist nicht selten der Fall, und wer behauptet, ihm sei dies nie passiert, von dem darf man dreist annehmen, dass er nie oder nicht viel gekauft habe.

Die Kenntnis des Pferdes ist übrigens nicht so leicht und schnell zu erlernen: es gehören jahrelange Übung und große Liebe zur Sache dazu, um sie sich anzueignen. Die besten Kenner werden gewöhnlich Diejenigen, die von Jugend auf in einem solchen Geschäfte leben. So hatte ich (Abraham Mortgen) schon in meinem zwölften Jahre die Geschäfte in meines Vaters Hause mit zu besorgen; ich musste die Pferde nicht nur besehen, sondern sie auch füttern, putzen, koppeln und alles das verrichten, was einem gewöhnlichen Koppelknechte obliegt; ich wurde dazu mit aller Strenge angehalten, wobei es selbst auch an Schlägen nicht fehlte, um Alles selbst genau kennen und beurteilen zu lernen, und nur die Liebe zum Geschäft ließ mich die Sache leichter ertragen. – Obschon ich mir Jahre hindurch alle Mühe gegeben hatte, durch Benutzung von Büchern über mein Fach und eigene Beobachtung an gesunden und fehlerhaften Pferden, wozu mir damals in meines Vaters und in den fürstlichen Ställen eine reiche Gelegenheit gegeben war, dies kennen zu lernen und ich mir schon eine Menge Abnormitäten an den Pferden und deren Folgen beim Gebrauche wohl eingeprägt hatte, so machte ich in meinem achtzehnten Jahre bei dem ersten Handel den mein Vater mich zur Probe abschließen ließ, einen solchen Fehlgriff, dass mein Vater ironisch zu mir sagte: „Mein Sohn! Du wirst es einmal mit deinen Kenntnissen im Pferdehandel weit bringen! Dein friesländer Rappe ist stockblind!“ – Man sieht, es kann einem Manne vom Fache auch so Etwas begegnen, wenn er auch Kenntnisse hat, und der Käufer braucht sich daher nicht so sehr über sich selbst zu ärgern, wenn ihm einmal etwas Ähnliches begegnen sollte. – Aber fort muss auch ein fehlerhaftes Pferd, das versteht sich von selbst, deshalb war damals auch ein alter Major so gut, den blinden Rappen neben sein einäugiges Pferd aufzunehmen, und auf meine nicht ohne Absicht hingeworfene Bemerkung, dass zur Zeit viele Pferde leicht blind würden, sagte er: „mein Kutscher hat gute Augen, der wird schon den Weg finden.“ Als ich mich gegen meinen Vater meines Glückes rühmte, erwiderte dieser belehrend: ,,ein dummer Käufer beschönigt die Dummheit des Pferdehändlers nicht!“ und riet mir wohlmeinend, mich in Zukunft vor solchem unreellen Verdienste zu hüten.

Vorsicht und Kenntnisse sind daher beim Einkauf von Pferden sowohl von Seiten des Pferdehändlers, als auch von Seiten des Privatmannes durchaus nötig, wenn man sich nicht Selbst täuschen will, und nur lange Übung – nicht nur im Hause und im Stalle, Sondern auch auf öffentlichen Märkten – , Beobachtung der leichter und Schwerer zu erkennenden Fehler des Pferdes und das Einprägen der theoretischen Regeln können den Käufer dahin bringen, dass er sicherer wird und es schwieriger wird, ihn zu übervorteilen.

Allein es ist nicht bloß die äußere Form des Pferdes, welche die Käufer beobachten müssen, nicht bloß die Abweichungen, die hierbei vorkommen, nicht bloß die wirklichen Krankheitszustände, vor welchen man sich zu hüten hat, auch die Bewegung des Tieres muss man genau beobachten lernen; dies ist namentlich bei Reit–Pferden der Fall, und ich kann daher nur wohlmeinend raten, es möge Niemand ein Pferd kaufen, das er vor dem Handelsabschluss nicht selbst geritten hat; denn nicht selten fiel der Preis eines zu erkaufenden Pferdes auf die Hälfte von dem, was ich bei der Augenmusterung dafür geben zu können geglaubt nachdem ich es geritten und seine Bewegungen kennen gelernt hatte. – Bei dieser Gelegenheit sei es mir einzuschalten erlaub, dass ich von meinem zwölften bis sechzehnten Jahre Schüler des damals berühmten Herzoglichen Bereiters, später Herzoglichem Stallmeisters Schröder und von daher Pferdehändler werde, wenn man nicht ein Guter Reiter ist. – Kommt man in dessen einmal in den Fall, ein Pferd kaufen zu wollen oder zu müssen das man nicht zuvor selbst reiten kann, so erforsche man wenigstens das Gestüt, indem es gezogen, die Rasse, das Temperament und den Gang, wenn man sonst nichts gegen den anatomischen Bau auszusetzen hat.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Taschenbuch für Pferdekenner und Pferdeliebhaber