Ems, Freitag, den 5. August 1836.

— Was für Eindrücke wurden mir in Nassau! Das alte Stein’sche Haus und sein Garten lassen sich stattlich genug ansehen, die Lage ist schön, man sieht, dass hier ein reiches, bedeutendes Geschlecht sich fortgepflanzt hat; aber doch wäre jetzt ein Haus und Garten in offener guter Gegend, vor den Toren einer bedeutenden Stadt, weit vorzuziehen, und es gibt hundert schönere, befriedigendere Landsitze. Ganz erschrocken aber bin ich über den altdeutschen Turm, den der Minister Stein zum Andenken der Befreiungskriege mit jahrelangen Anstrengungen und Kosten aufgerichtet, von dem unaufhörlich die Rede war, und der auch mir immer als eine große Sehenswürdigkeit gerühmt worden ist. So was Klägliches und Geringes, Unzweckmäßiges und Geschmackloses habe ich mir nicht vorgestellt! Sich ein Studierzimmer zu bauen, ein Denkmal des wichtigsten Erlebten, einen Behaglichkeits- und Weihe-Aufenthalt, und nichts anderes zu Stande zu bringen, als diese Spielerei, muss das größte Mitleid einflößen! Die Außenseite will etwas versprechen, das Innere aber ist jämmerlich. Unten sind zwei kellerartige Badstübchen, tief hinab, mit Steinen ausgekleidet; einige bunte Glasscheiben verdüstern die unheimlichen Löcher noch mehr; jeder Mensch wird eine hölzerne Wanne in einem heitern warmen Gemach vorziehen! Enge, steile, hölzerne Treppchen führen in den ersten Stock, den ein mäßiges Schreibzimmer ausfüllt, mit einer hübschen Aussicht, für Bücher ist ein enger Mauerwinkel als Versteck benutzt, während niemand hinderte, einen großen Saal gleich daneben im Schlosse zu haben. Durch noch schlechtere Treppchen gelangt man oben hinauf, wo die Tafeln mit den Schlachttagen sind, und die Büsten der drei Monarchen. Die Büsten von Marmor sind schön, die Tafeln — goldne Buchstaben und Ziffern ans Eisenplatten — sind nicht übel; aber alles macht doch nur einen dürftigen Eindruck, als Denkmal selbst ist es gar nichts, eine Armseligkeit im Vergleich des Geschehenen, als Andeutung eines Denkmals ist es zu wenig von Geist und Einbildungskraft belebt, ohne künstlerische Eingebung, ohne solche, die den Charakter wenigstens ausdrückte. So nehmen sich auch im Schreibzimmer die Bildnisse sehr gering aus. Die ganze Anordnung zeigt, dass Stein ohne höheren Kunstsinn, ohne Geschmack und Schönheitsgefühl war. Die plumpe Bezeichnung genügte ihm. Man sagt, er hat hunderttausend Taler für den Turm ausgegeben. Und während noch das Gewicht seiner Persönlichkeit dabei war, ließen sich auch ordentliche Leute blenden und bewunderten das Ding, und meinten, es wäre was damit, oder sie heuchelten und schmeichelten auch nur dem Alten ganz gemein. Jetzt aber zuckt jedermann die Achseln, die Dienstboten des Hauses lächeln spöttisch, und sagen unverhohlen, es sei mehr davon geredet worden, als die Sache verdiene! Die Bäder werden nie gebraucht, wiewohl im Schlosse täglich gebadet wird; die Aussicht im Schlosse ist schöner, die Zimmer geräumiger, anmutiger, besser gelegen; der Turm steht ganz öde; die obere Fußdecke, von Marmorplatten, gar zu schwer, und musste weggenommen werden, nun liegen die Balken aufgerissen bloß, Schutt an den Wänden aufgehäuft, und kaum vier Jahre ist der Besitzer und Erbauer tot, so fällt sein geliebtes Spielwerk schon wirklich in Trümmer, ist schon zur Ruine gemacht! – Sein Schwiegersohn, Graf von Giech, war eben anwesend; er und die Gräfin und einige Gäste aus Nassau saßen noch beim Mittagstisch, und ich mochte mich nicht anmelden lassen. Der Graf, Erbe schöner Besitzungen in Bayern, und auf welchen Stein auch sein vaterländisches Geschlecht und Besitzungen mitvererben wollte, hat keine Kinder und seine Linie stirbt mit ihm aus, für ihn ein unermessliches Leid, welches ihm all sein Lebensglück zerstört! Aber noch größeres Unheil hat ihn erfasst; er ist erst im Beginn der Vierzig und schon die Welt ihm völlig in Grabesnacht versunken! Er hat den schwarzen Star. Seit einem halben Jahr ist er völlig blind, hoffnungslos, und noch keineswegs darein ergeben, sondern angstvoll und jammernd! Der Unglückliche, Bedauernswerte! – Dahin läuft nun aller Glanz und Ruhm und alle Herrlichkeit aus, welche dieses bedeutende Leben des Ministers Stein mit so großen Ansprüchen und Kräften seinen nächsten Angehörigen zu übertragen meinte!