Ems, Donnerstag, den 11. August 1836

Über Persönlichkeit und ihre Rechte nachgedacht. Ob und wie weit man einen Menschen erforschen darf? Übereinkömmliche Sitte und Bescheidenheit setzen hier Schranken, aber bloß äußerliche, gesellschaftliche; von innen betrachtet, ist das Recht unbedingt. Der Mensch will gar nichts andres, als seine Mitmenschen erkennen, und er muss, auch ohne Willen und Bewusstsein, die Ziffern und Buchstaben lesen, welche die Natur ihm überall entgegenhält. Physiognomik, Kranologie, Stimme, Schrift, Ausdrucksweise, Lebensgeschichte, Anthropologie, Weltgeschichte, Dichtung.

Die unwichtige Äußerlichkeit will man auch nur meistens geschont wissen, das wichtige Innere kann man nicht hehlen noch schützen vor dem wahren Blicke, der dafür geschärft ist. — Ein jeder lumpiger, roher Gerichtshof, infolge elender, wechselnder Gesetze, soll das Recht haben auf den bloßen Anschein einer Verwicklung mit begangenem Verbrechen, alle meine Heimlichkeiten zu erforschen, meine Briefe, Verhältnisse, Gespräche, — und ein höchstes Interesse geistigen Anteils, reinsten Wahrheitsforschens, tiefsten Erkennens, sollte da zurückschrecken müssen? Der Grundsatz, que la vie privée doit être murée, außerdem, dass er feig und nichtswürdig ist, wird auch im Praktischen nirgends anerkannt, von keiner Behörde, von keiner Gesellschaft, von keinem Einzelnen. — Wer es unrecht findet, wenn Persönlichkeiten ohne Erlaubnis der Personen zur Schau gestellt werden, durch Briefe zum Beispiel, die man drucken lässt, der darf auch keine Kenntnis von dem nach seiner Meinung unrechtmäßig Mitgeteilten nehmen, oder er macht sich der Schuld mitschuldig. — Leset also dergleichen Bücher nicht! Geht nicht hin, wo ihr die Sitte und Behandlung zu tadeln findet!