Ems, Dienstag, den 9. August 1836

Alles Leben auf der Erde verliert sich in Dichtung; in den geistigen Duft einer schönen Blüte. Alle Geschichte, im Augenblicke selbst, dass sie aufgefasst wird, verwandelt sich zu jener Blüte, und wird es immer mehr, je entschiedener, kräftiger die Auffassung geschieht, je weiter sie fortschreitet, je bedeutender und gedrängter sich ihr Bild darstellen soll.

Das Persönliche schwindet ganz und gar; bei den unbedeutenden Personen in der Unbedeutendheit, bei den bedeutenden in der Bedeutenheit. Was ist ein bloßer Name in den Geschlechtsregistern der Bibel? Was sind Moses und Jesus, mit allen Schilderungen von ihnen und ihrer ewig dauernden Wirksamkeit? Keine Spur mehr von dem Persönlichen, das wir meinen, wenn wir von solchem sprechen! Ja, Napoleon, Fichte, Goethe, uns so nah und umständlich bekannt, sind doch eigentlich schon völlig mythische Gestalten. In allem, was von solchem Menschen überliefert wird, ist oft keine Spur seines wahren Wesens, und er selber kann sein innerstes Dasein weder in Schrift noch Tat erkennbar darstellen, er kann es nur wirken lassen und eingießen in die übrige Welt. Kein ergrübelter Gedanke, eine innere Anschauung und Erfahrung! — Wie gleichgültig werden Lob und Tadel für die Toten! Um der Lebenden willen müssen wir darauf halten. Unsre Sache ist es, die wir behaupten!