Düsseldorf, Montag, den 11. Juli 1836

Es ist ein herrlicher Zug von Goethe, aus der Tiefe der reinsten Frömmigkeit geschöpft, dass Faust durch die Vermittelung Gretchens, der vorangegangenen Geliebten, selber zur Seligkeit geführt wird. Alles irdische Verbrechen, Gräuel und Schmach, die Betörung, der Missbrauch, die Verlassung, die Ermordung des Bruders, die Hindrängung zum Kindermord, der Tod durch das Schwert, — nichts, nichts von allem diesen Entsetzlichen vermag der einfachen, unwidersprechlichen Wahrheit entgegenzutreten, dass doch Liebe es war, welche Faust und Gretchen vereinigt hatte, diese Wahrheit ist eine ewige, nichts kann sie aufheben oder ihre Wirkung schwächen. Liebe war es, doch Liebe! die stärkste, alles Irdische weit überragende Liebe! Sie führt überschwängliche Verzeihung und Reinigung mit, die höchste Seligkeit bleibt ihr Preis. Eine tröstliche, erhabene Vorstellung, die mich vorgestern auf der Reise viel beschäftigte, mein bestes Denken und Sinnen erweckte, mir im tiefsten Herzen wohl tat! Ich war Goethe innig dankbar für die schöne Dichtung, die gleich einer Tatsache zu uns spricht. Ich machte unendliche Anwendungen ihres Sinnes, im Großen, im Kleinen. Wer mir dabei die Seele mit hellem Glanz durchleuchtete, wie im Heiligenschein, und doch so nah vertraut und zu meiner Stufe herabgestiegen, — ich will hier den geliebten Namen nicht hinschreiben!