Berlin, den 15. Oktober 1836

Ich bin versichert, dass eine Zeit kommen wird, wo man die Spöttereien und Ausfälle gegen die Myten und Kirchenformen des Christentums, wie sie zum Beispiel Voltaire, Friedrich der Große, d'Alembert verübt haben, gutmütig und ohne Ärgernis ansehen, ja ein frommer Christ sich daran mit Beifall ergötzen wird, wie schon jetzt an den naiven, derben, oft unehrerbietigen Behandlungen, welche jenen Gegenständen vom Volk und von Volksdichtern und Volkspredigern immerfort widerfahren sind. Denn im Grunde meinen es jene Männer doch vortrefflich, ihre Polemik geht aus einem religiösen Streben hervor, und was Christus meinte und wollte, ist dem Wesen nach mehr bei ihnen, als bei ihren Gegnern, die nur den Namen von Christus tragen und entwürdigen. Oder meint man, dem Gottgesandten sei an seinem Namen mehr gelegen, als an seinem Wesen? und die seinen Namen schimpfen, weil er ihnen etwas bezeichnet, was Christus in Wahrheit nicht ist, seien deshalb seine Feinde? — Jene Zeit ist gewissermaßen schon jetzt da, im Einzelnen. Man sehe, was Saint-Martin von Voltaire sagt! Und Schleiermachers Schwester, eine fromme Herrnhuterin, hatte die größte Liebe zu Friedrich dem Großen.

Den 20. Oktober 1836. Heute bin ich mit dem Leben der Königin Sophie Charlotte im Entwurfe fertig geworden. In kaum sechs Wochen, bei so vielem Unwohlsein, so vielen andern Arbeiten, Briefen, aufgedrungenen Büchern, Besuchen — wahrlich rasch genug, mir selbst ein Wunder! Ich habe gute Stunden dabei gehabt, geistig erwärmte, voll Anerkennung und Liebe, das ist das Beste dabei; denn das literarische Hervortreten wird mir immer unbefriedigender und lästiger; wiewohl es zum Schreiben stets ein erster und nachhaltiger Antrieb ist.