Wie ich den Zweck meiner Reise erlangte, indem ich die durch Dampfmaschinen gezogenen Wagen für Kohlentransporte auf einer Strecke von beinahe drei englischen Meilen noch in Thätigkeit antraf und sah.

Ueber Middleton, wo nicht weit von dem Wirthshause zum staubigen Müller (at the dusty Miller) ein durch die Weber abgebranntes, nun aber wieder aufgebautes Fabrikgebäude als Denkmal der Wirkungen der französischen Prohibition steht, kam ich Abends um sechs Uhr in Leeds an, bis wohin ich einen sehr artigen jungen Mann, den Sohn eines Tuchfabrikanten Parr, zum Reisegesellschafter hatte, und dessen Anweisung ich es verdanke, daß ich noch den gleichen Abend den Zweck meiner außer dem geraden Wege nach Sheffield über Leeds gehenden Reise erlangte, indem ich die durch Dampfmaschinen gezogenen Wagen für Kohlentransporte auf einer Strecke von beinahe drei englischen Meilen noch in Thätigkeit antraf und sah.

Von dem Ort, wo die Steinkohlen gegraben werden, bis zu dem bei der Stadt Leeds liegenden Magazin geht ein eiserner Railweg, der sich von den gewöhnlichen darin unterscheidet, daß an der einen Seite desselben vorstehende Cogs oder Kämmen angegossen sind, etwa dritthalb Zoll lang, zwei Zoll dick, oben abgerundet und ungefähr zwei Zoll von einander abstehend.


Der Wagen, auf dem die Dampfmaschine ist, und der in Größe und Form einem kleinen Weinwagen mit einem einzelnen Fuhrfaß gleichkommt, hat auch vier niedere ganz eiserne Räder, wie die hinten angehängten Kohlenwagen; aber er hat noch ein fünftes, in der Mitte zwischen dem linken Hinter, und Vorderrad umlaufendes Stirn-Zahnrad, welches in die Kämme greift, und durch zwei kleinere Stirnräder, die an zwei mit Kurbeln versehenen Wendelbäumen angebracht sind, herumgetrieben wird. Diese zwei Kurbeln erhalten ihre Bewegung unmittelbar von den auf- und niedergehenden Kolbenstangen in den zwei zehnzölligen Zylindern, die sich in dem Dampfkessel oder Boiler selbst befinden und nur so weit herausragen, als es die Disposition der Ventile oder vielmehr Hahnen, die durch die Kolbenstangen selbst vermittelst eines einfachen Mechanismns zur Zulassung des Dampfes geöffnet und geschlossen werden, nothwendig machte. In dem Boiler selbst befindet sich auch der Ofen, um mit wenigem Feuer die größte Menge Dampf hervorzubringen.

Das Ganze ist mit hölzernen Dauben von eisernen Reifen gebunden eingefaßt, wodurch es ziemlich das Ansehen eines Fasses erhalt, und wovon der Grund bald angegeben werden soll. Der hintere und vordere Boden sind frei und auch von sehr starkem Eisenblech. An dem hintern ist das Loch zur Feuerung angebracht, und an dem vordem das gekröpfte, sechszehn Fuß in die Luft ragende Kamin. Oben auf dem Faß befinden sich noch die zwei Sicherheitsklappen. Da wegen Mangel an Raum zur Mitführung des Wassers, und um Vereinfachung der Maschine kein Condensator angebracht ist, so wird dieselbe nur durch die Ausdehnung der Dampfmaschine getrieben, die so stark ist, daß sie auf jeden Quadratzoll mit einer Kraft von sechzig Pfund drückt, weshalb die oberwähnte hölzerne Einfassung wegen Gefahr des Zerspringens der Maschine angebracht ist.

Bei genauer Beobachtung ihres Ganges vermittelst der Sekundenuhr fand ich die mittlere Geschwindigkeit der Kolben von sechzig Zügen in der Minute von jedem Zylinder, und den Kolbenhub zwei Fuß. Das Fortschreiten der Maschine ist so, daß ein Mann im starken Schritt kaum folgen kann. Da ich diesem Fuhrwerke noch fast zwei englische Meilen entgegengegangen war, ehe ich ihm begegnete, so hieß mich der Mann, der es leitete, auf den Wagen der Maschine, der an den Seiten mit Bänken versehen ist, aufsteigen, und schlug mir zu Gefallen einen Trott an, indem er durch stärkere Dampfproduktion die Geschwindigkeit der Kolben bis auf achtzig Hube in der Minute vermehrte. Ich war aber froh, als er wieder nachließ, wegen der augenscheinlichen Gefahr einer Explosion; denn der Dampfpfiff, als wenn ein halbes Dutzend asthmatischer Rosse ausser Athern getrieben vorgespannt gewesen wären. Uebrigens machte es mit Freude, auf diesem Triumphwagen des menschlichen Geistes (so möchte ich dies Fuhrwerk nennen) meinen Einzug in Leeds zu halten; denn zu einem solchen Behuf sind die Elemente wohl noch nicht oft und mit so konzentrirter Kraft in einen so kleinen Raum gebannt worden, da dieselbe in einem Augenblicke dreiundzwanzig Wagen, jeder mit sechszig Zentner Steinkohlen beladen, dann die ganz eisernen Wagen selbst, deren jeder zehn Zentner schwer ist, auf zuweilen etwas ansteigender Bahn, und zwar mit gleicher Geschwindigkeit fortschafft.

Ich wäre gleich am folgenden Morgen (den 4. September) wieder abgereist, wenn ich nicht gern den Erfinder und Verfertiger dieser Maschine, Hrn. Murray, bitte kennen lernen wollen, indem ich damals noch nicht ahnete, welche anziehende und in der Folge so nützliche Bekanntschaft ich sonst noch an diesem Orte machen würde. — Nachdem ich von hier aus, als dem Wendepunkt meiner Reise, einen Brief an einen Freund im ganzen Sinn des Wortes geschrieben hatte, ging ich (Vormittags um halb elf Uhr) zu Hrn. Gott, um meinen Brief von Hrn. Lee an ihn abzugeben, blos in der Hoffnung, zu erfahren, wie ich am besten an Hrn. Murray gelangen könne. Ich wurde beim Anmelden von einem Bedienten in das Studierzimmer des Hrn. Gott geführt, in welches er aus einem anstauenden Kabinet eintrat. Er hatte den Brief kaum durchgelesen, als er seiner gerade bei der offenen Thür vorbeigehenden Gattin zurief: „Herr Fischer von Schafhausen wird so gut sein, und bei uns über Mittag bleiben.“ Zu mir sagte er blos: er hoffe, ich werde die Einladung nicht ausschlagen; nur müsse er mich benachrichtigen, daß am Sonntag um ein Uhr, statt um vier Uhr, gespeist werde, damit die Dienstboten die Nachmittagskirche besuchen können. Nach einer kurzen Unterredung suchte er die Karte des Kantons Schafhausen, fand sie aber nicht sogleich. Ich hatte gerade den helvetischen Almanach des Jahrs 1811 in der Tasche, der die Karte und topographische Beschreibung meines lieben Vaterlandes enthält, und ich konnte ihm daraus den begehrten Aufschluß, hauptsächlich auch wegen der Lage der Eisengruben, wonach er sich eben so wie Hr. Watt erkundigte, ertheilen. Etwas Auffallendes und noch nie Gesehenes bemerkte ich an den Fenstern des Zimmers, wo wir waren: nämlich alle Scheiben fein matt geschliffen, und in jeder die niedlichsten Zeichnungen von antiken Figuren transparent, und nur die Umrisse in feinen schwarzen Strichen. Als ich die Schönheit und Kunst dieser ganz neuen Art Glasmalerei bewunderte, führte er mich in ein oberes Zimmer, wo statt Figuren Blumenbouquets von dem schönsten Colorit waren. „Alles dieses, sagte er, hat meine Tochter gemacht; diese Arbeit macht ihr viel Vergnügen.“

Beim Mittagessen lernte ich die ganze, gewiß sehr liebenswürdige Familie dieses so reichen als thätigen Mannes kennen, die aus zehn Kindern besteht, und wovon zwei Söhne und obenerwähnte Tochter, die an Körper und Geist gleich ausgezeichnete Bildung und Anmuth besitzt, erwachsen sind.

Es war mir lange nicht so wohl gewesen, wie unter dieser Familie, die mich mehr wie einen Verwandten und lange bekannten Freund, als wie einen heute ins Haus gekommenen Fremdling behandelten. Nach dem Essen ging Hr. Gott mit seiner Frau und den Töchtern in die Kirche, welche überhaupt in England mehr als in irgend einem andern Lande und zu wahrer Erbauung besucht wird, und die beiden Söhne mit mir zu Hrn. Murray. Da dieser verreist war, hinterließ ich einen Brief an ihn, und die jungen Herren Gott führten mich nun in den Theil ihrer äußerst großen und einige Meilen weit von einander gelegenen Fabrikgebäude, der die Gasbeleuchtung, die Dampfmaschinen und die Färberei, wo alle Kessel durch Dampf geheizt werden, enthält.