Sonntag 7. August 1815. – Über Hüningen, Mühlhausen, Colmar, Schleestadt, Sainte Marie aux Mines, Nancy, Toul, Epernay, La-Ferté nach Paris. Ankunft am Nachmittag des 14. August.

Sonntags den 7. August reiste ich in Begleitung meines jungen Freundes Ringk von Wildenberg, der aus Italien kommend sich auch nach London begeben wollte, von hier nach Basel ab, um den folgenden Tag mit dem Kurier über Belfort nach Paris zu gehen. Allein die Einrichtung war seit dem Frieden noch nicht wieder getroffen, und wir waren genöthigt, den Umweg über Colmar und Nancy einzuschlagen.

Den 8. Abends langten wir über Hüningen und Mühlhausen, ohne daß man uns, zu meiner Verwunderung, an der Grenze die Pässe abgefordert hatte, in Colmar an, und den 9. Morgens, nachdem wir in der Nacht Schleestadt passirt hatten, trafen wir in dem gewerbsamen Orte Sainte Marie aux Mines, am Füße der Vogesen, ein.


Merkwürdig war es mir, von den Leuten des Orts zu vernehmen, daß dieser wichtige Pass im Jahr 1813 französischer Seits nie besetzt, und der erste Widerstand erst jenseits des Gebirgs zu St. Dié oder St. Diez geleistet worden sei. Den 9. in der Nacht, oder vielmehr den 10. Morgens um zwei Uhr, kamen wir in Nancy an, wo wir das Vergnügen hatten, uns erst um ein Logis umsehen zu müssen, da in dem Hause, wo die nicht weiter gehende Dligence anhielt, keine Fremden aufgenommen wurden.

Nachdem wir am Morgen erfuhren, dals erst in zwei Tagen, und dann noch nicht gewiss, Plätze in einer Postkutsche von Nancy nach Paris zu erhalten wären, so fassten wir, mit zwei französischen Offizieren und einem unter Davoust in Hamburg gewesenen Employé den Entschluß, eine Kutsche zu miethen, deren Eigenthümer uns versprach und sich schriftlich verpflichtete, uns bis am 14. Nachmittags (wohlverstanden mit den gleichen Pferden) nach Paris zu liefern. Den 10. Abende um vier Uhr fuhren wir also von Nancy ab, und in Toul schon begegnete, was wir früher voraussahen, daß nämlich eins unserer Pferde liegen blieb und zurückgelassen werden mußte.

Der Kutscher, ein Deutscher, trank sicht aus Verdruß darüber einen nichtigen Rausch, und fuhr dann bei Nacht und Nebel wieder zum Thor hinaus. Ich befürchtete, als ich ihn in diesem Zustand sah, er möchte umwerfen, und setzte mich zu ihm auf den Bock, um der Gefahr vorzubeugen. Er bemerkte mir aber: ich solle nur ruhig sein, Gott verlasse, keinen Deutschen; er sei schon zwölf Jähre in diesem ..... Lande, und sei immer noch gut durchgekommen; blos habe ihm seine Frau, eine Pariserin, vor zwei Jahren achthundert Franken, die er sich erspart hatte, genommen, und sei mit seinen zwei Pferden und ihrem Liebhaber durchgegangen; nun müsse er wieder um Lohn dienen, da er vorher selbst Herr gewesen. Ich bewunderte seinen philosophischen Gleichmuth, äußerte aber dennoch einige Zweifel, daß wir, nach der Beschaffenheit der Pferde zu urtheilen, dem Versprechen seines Herrn gemäß am 14. in Paris sein würden; er versicherte aber, es müsse gewiß geschehen. Wir kamen auch richtig auf den voraus bestimmten Stationen am 12. zu Epernay und am 13. zu La-Ferté an, allein mit abermaliger Zurücklassung eines Pferdes in jedem Nachtquartier. In Epernay sahen wir genügsame Spuren der Ereignisse, wo die deutsche Kraft den französischen Uebermuth bezwungen, und wo die ersten Feldherren die ersten Helden waren.

Den 14. Morgens früh, während des Fahrens, sprang unser Kutscher unter dem Ausruf: Arréte, femme! vom Bock, lief einer das Taschentuch vor das Gesicht haltenden Frauensperson nach, und überließ uns unserm Schicksal und die Pferde ihrem Willen. Diese waren aber gar nicht geneigt, Reißaus zu nehmen, und so hatten wir Gelegenheit, gemächlich zuzusehen, wie unser Fuhrmann ungefähr vierhundert Schritte rückwärts der Kutsche die Entlaufene einholte, sie nach einigen lebhaften Gestikulationen halb freiwillig halb gezwungen zurückbrachte und uns als seine wiedergefundene Gattin vorstellte. Er setzte sie neben sich auf den Bock und bezeugte große Freude. Sie hingegen schien bei weitem nicht so viel Vergnügen an diesem Spiel des Zufalls zu finden, und verhüllte, als wir Nachmittags um drei Uhr wirklich in Paris einfuhren, wahrscheinlich aus zarter Schüchternheit, ihr Gesicht ganz mit dem Mantel ihres Gemahls. Ringk und ich waren froh, unsere bisherige Reisegesellschaft verlassen zu können, von welcher wir nichts als das Lob ihres gewesenen Herrn und Meister, der nun auf Elba residirte, bald in Versen, bald in Prosa hören mußten. Uebrigens interessirte mich das Schicksal eines unterwegs angetroffenen, seinen Habersack tratenden französischen Offiziers, dem wir aus Gefälligkeit einen Platz in der Kutsche einräumten. Er war nach Ausweis seines Abschieds sechsunddreißig Jahre alt, hatte zweiunddreißig Dienstjahre (weil die Feldzüge doppelt zählen) und neun Wunden, war in Egypten, Deutschland, Spanien und Russland gewesen, und bei allem dem noch Unterlieutenant. Kein gebildeter, aber ein sehr braver Soldat schien er zu sein; er beklagte sich bitter, wie ihm Andere durch Protektion vorgezogen und er unverdient zurückgesetzt worden sei. — In dem mir schon bekannten Hôtel des Ambassadeurs, rue Helvetius, nahm ich mein Absteigequartier, und da der Abend schön war, machte ich noch einen Spaziergang durch das Palais-Royal nach den Tuilerien.