Nach 6 Wochen und 5 Tagen langte ich am 22. September, glücklich und gesund zu Hause bei den Meinigen an.

Ich wäre sogleich wieder weiter gereißt, wenn nicht in den abgehenden Diligencen uns Kurier-Fourgons alle Plätze bis zum 18. schon bestellt gewesen wären. — Am 15. ging ich wieder zu Hrn. Gingembre, Direktor der königlichen Münze, den ich durch meinen Bericht über die bei Leeds gesehene Dampfmaschine ohne Condensator sehr erfreute. Er hatte selbst ein äußerst schön und fleißig gearbeitetes Modell einer Dampfmaschine, die, um zum Gehen gebracht und doch vor Wasserdämpfen geschont zu werden, die zur Auffüllung und Rarefaction der Zylinder notwendig gewesen wären, mit einer Luftpumpe in Verbindung gesetzt wurde. Er hatte noch ein weit größeres Modell ohne Condensator in einer der Werkstätten, aber es war noch nicht ganz fertig. Mit ihm und seinem Sohn, einem sehr geschickten Zeichner, ging ich in die Galerie de l’architecture royale de France, wo eine Ausstellung architectonischer Entwürfe über eine öffentliche Bibliothek für eine Stadt im mittäglichen Frankreich statt hatte. Die öffentliche Meinung erklärte sich für die Zeichnung des jungen Gingembre, und wahrscheinlich wird ihm auch der Preis zu Theil werden.

Eine wenig gekannte aber äusserst interessante und lehrreiche Sammlung von Modellen in Gyps, theils in natürlicher Größe, theils nach verjüngtem Maasstabe, befindet sich in einem der dortigen Säle und den Nebenzimmern. Diese Modelle sind nach den Alterthümern Italiens, Griechenlands und Egyptens gebildet, und enthalten Capitäler, Gesimse, Rosetten, Bas-reliefs und ganze Gebäude, wie z. B. das Pantheon, die Laterne des Demosthenes, die Tempel zu Pästum, und besonders mehrere egyptische Tempel, die während der Anwesenheit der Franzosen in jenem Lande, unter Denons Leitung, mit größter Genauigkeit nachgebildet wurde. In der Porzellanmanufaktur von Dihl, die ich am 15. besuchte, fand ich nichts vorzüglich Merkwürdiges, besonders da ich die Manufaktur zu Sevres, die Königin aller übrigen, schon gesehen hatte. Die Abdrücke von Gemmen und kleinen Bas-relief von Antiken, in weißer Pâte auf blauem Grund, waren theuer und schienen mir nicht einmal so vollendet, das heißt, so scharf und glatt, als die Basalt-Abdrücke von Wedgwood, von denen ich einige schöne Exemplare besitze. Uebrigens muße ich sagen, daß die Malerei, Vergoldung und Formen der Gefäße niedlich waren, und daß die Leichtigkeit und Eleganz, die dieser Nation in Sachen des Geschmacks eigen ist, sich auch hier unverkennbar ausspricht.


Am 17. ging ich in die Waffenfabrik von Hrn. Artilleriehauptmann Pauli von Bern, die er in der Rue des trois frérts, chaussée d’Antin, errichtet hat, um die persönliche Bekanntschaft zu machen und seine Einrichtungen zu sehen. Leider aber war er vor einigen Tagen nach England verreist. Seine Associés hatten indeß die Gefälligkeit, mir nicht nur die Einrichtungen dieser neuen Art Gewehre (die von hinten, und sieben, bis achtmal geschwinder als gewöhnliche Gewehre geladen und losgefeuert werden können, und ohne Zündpfanne, Pfanndeckel, Feuerstein und Ladstock sind) zu zeigen, sondern mich noch auf den hinter dem Hause gelegenen Schießplatz zu führen, welches mir um so mehr Vergnügen machte, da ich mich wohl darauf zeigen zu dürfen glaubte. Wir schossen mit Doppelflinten und mit gezogenen Pistolen, und ich muß gestehen, daß ich über die Schnelligkeit erstaunte, mit welcher der Schuß zusammenbrannte und losging, so wie man nur den Drücker oder Stecher, der gleich wie an einem andern Gewehr ist, berührte. Der Grund lag darin, daß das Zündkorn (Amorce), welches an Farbe und Gestalt einem Hanfkorn glich, und das sie Muriatique oxiginée (?) nannten, in der Mitte des Pulvers in dem durchlöcherten Boden der für jeden Schuß einzuschiebenden Patrone lag, und beim Abfeuern des Gewehrs mittelst des Stoßes von einem stählernen Stängelchen, Hammer genannt, augenblicklich explodirte. Diese Schnelligkeit der Entzündung gewährte für die Sicherheit des Schusses einen großen Vortheil, wie ich selbst erfuhr, indem ich in vier Schüssen, zu einiger Verwunderung dieser Herren, den Pavillon dreimal in die Höhe brachte.

Der Preis einer auf diese Art eingerichteten Doppelflinte ist sechshundert Franken, und der von einem Stutzer oder Pistolenpaar nur wenig geringer. Als Ursache dieses, wie mir vorkam, hohen Preises gaben sie mir an, daß derselbe die auf Versuche und Verbesserungen verwendeten Auslagen decken müsse, und sie, weil sie patentirt seien, keinen Konkurrenten zu befürchten haben. In wie fern dieses Raisonnement richtig und vorteilhaft für sie ist, wird der Erfolg lehren.

Sonntags den 18. verließ ich endlich Paris. Die Diligence war — mit Ausnahme eines, wie es schien, kürzlich zurückgekehrten Emigranten, der in Kleidung und Magerkeit ganz dem Gentilhommt champétre in der Komödie glich, und eine Anstellung in Paris gesucht hatte, aber unverrichteter Sache wieder in seine Heimath in der Gegend von Vesoul zurückkehrte — mit lauter Offizieren angefüllt Da ihre Unterhaltung sich ungefähr um den gleichen Gegenstand drehte, wie bei meiner Hinreise, so schloß ich meine Augen, und dachte an noch mögliche Verbesserungen von Pauli’s Gewehren.

Einer Bemerkung des Ritters von Vesoul — so nenne ich ihn, da mir sein Name unbekannt blieb — muß ich doch erwähnen, da sie karakteristisch ist. Es handelte sich um die Pressfreiheit, die in Frankreich hätte eingeführt werden sollen. Er sah es als eine gefährliche Sache an, während die Andern das Gegentheil behaupteten, und ihren heilbringenden Einfluß in England anführten. Que voulez-vous ! rief er: C’est tout qlielqu’ autre chose dans ce pays-la. Il vous faut un four entier pour monter un Anglais, pendani out cela se fait dans un clin d’oeil avec un de nous. — Die Vergleichung erhielt lauten Beifall; hingegen fand der Schluß, den er daraus zog, keinen Eingang.

Am 19. Morgens um zehn Uhr langten wir in Troyes en, wo die Diligencen wechselten und umgepackt werden mußten. Ich benutzte diesen Aufenthalt, um die Bemerkungen der zwei vorhergehenden Tage einzutragen, und die Cathedrale mit ihren kühnen gothischen Säulen und Spitzgewölben, die aber größter Ausbesserung bedürften, noch einmal zu besehen. —Abends kamen wir in Bar-sur-Aube an, wo wir übernachteten. Die Kriegsfackel hatte dort ziemlich geleuchtet, und nach oberflächlicher Schätzung standen weit mehr als hundert leere Giebel da, zu welchen ehemals Häuser gehört hatten. Auffallender als dieses war aber der noch in der Gegend herrschende Kadavergeruch. Man gab als Grund davon an, daß habsüchtige Leute die Todten auf dem Schlachtfelde wieder herausscharrten, in der Hoffnung, etwas bei ihnen zu finden.

Als beim Nachtessen die Rede auf das Schiksal von Bar und der Umgegend kam, sagte ein französischer Offizier: „Die Deutschen sind doch eine ganz andere Nation, als wir! Wann wir ihnen gesengt und gebrannt hatten, so stand es nach sechs Monaten wieder schöner und besser da, als vorher, während bei uns Jahr und Tag Alles in Trümmern liegen bleibt.“ Er mochte nicht ganz Unrecht haben; denn man sah noch keine Anstalten, nur um den Schutt wegzuräumen.

Den 20. Mittags langten wir in Chaumont, und Abends in der Stadt der Messerschmiede, nämlich in, Langres, an. In Chaumont bemerkte ich an vielen Häusern in der Anlage der Treppen eine eigene, noch nie gesehene, aber gewiß sehr alte Bauart. Es waren Wendeltreppen, alle Stockwerke durchlaufend und in der Fronte des Hauses so eingesetzt, daß die eine Hälfte hervorragte, während die andere Hälfte um so viel hineinging und zu den Zimmern führte. Was der Beweggrund dieser Anordnung gewesen sein mag, ist mir unbekannt; vermuthlich geschah es, um Platz zu gewinnen.

In Langres besuchte ich einige meiner Korrespondenten von den sogenannten Marehands couttliers. Ich lieft mir ihre Waaren zeigen, und fand bei der Untersuchung und Vergleichung, daß die feinern Arbeiten eben so gut als die englischen waren, weil sie sich des gleichen Materials, nämlich des Gußstahls, dazu bedienten, und zwar für Rasiermesser und Scheeren, wovon letztere weit geschmackvoller, aber auch theurer waren.

Den 21. früh verließen wir Langres, und kamen Abends nach Vesoul. Ich vertauschte dort meinen Platz in der Diligence mit dem im Fourgon des durcheilenden Kuriers, gelangte den 22. Morgens nach Belfort und mit einer ähnlichen Gelegenheit Abends um sechs Uhr nach, Basel, wo mein ältester Knabe, den ich hinbeschieden hatte, mich dort bei einem guten Freund erwartete. Nach kurzem Aufenthalt verreisete ich noch den gleichen Abend nach Stein bei Säckingen, und langte den folgenden Tag, als den 22. September, glücklich und gesund zu Hause bei den Meinigen an.

In einem Zeitraum von sechs Wochen und fünf Tagen hatte ich also diese Reise gemacht, die im Ganzen ungefähr dreihundert deutsche Meilen beträgt. Manches höchst Interessante ist in dieser Zeit an mir vorübergegangen, und der Reichthum an neuen Ideen, den sie mir gewährt, und die Bekanntschaft der Personen, die ich gemacht, sind hinreichender Ersatz für Alles, wenn (was im Schoose der Zukunft verborgen liegt) auch kein anderer Nutzen fur mich daraus entspringen sollte.

Ich schließe nun mein Tagebuch, indem ich so glücklich bin, in Hinsicht seines Inhalts mit ziemlicher Wahrheit sagen zu könuent: Nulla dies sine linea!