Am 2. September Morgens kam ich in Manchester, dieser nun so groß und volkreich gewordenen Stadt an, die ehemals so unbedeutend war, daß ...

Am 2. September Morgens kam ich in Manchester, dieser nun so groß und volkreich gewordenen Stadt an, die ehemals so unbedeutend war, daß sie nicht einmal ein Mitglied ins Parlament zu senden hatte. Sobald Vormittags die schickliche Stunde eingetreten war, meinen Empfehlungsbrief von den Hrn. Boulton et Watt in Soho an Hrn. Lee zu übergeben, ging ich nach der großen Spinnerei, die wirklich an Ausdehnung wenig ihresgleichen hat. Hr. Lee war gerade im Begriff auf die Börse zu gehen, und nahm mich mit. „Wir werden dort einen Herrn finden, der bei mir in der Spinnerei ist,“ sagte er, „und er muß Sie nebst einem portugiesischen Gentleman, Hrn. Parienta, der mich gestern besuchte, in Manchester herumführen und Ihnen das Merkwürdigste zeigen; Abends um vier Uhr fahren wir dann zusammen auf mein Landhaus zum Mittagessen.“ — Erst nach zwei Stunden war indeß Hr. Willoughby zu finden, so daß ich schon besorgte, wegen Mangel an Zeit um die Hauptsache zu kommen; dieser aber, ein sehr einsichtsvoller und verständiger Mann, wußte das Wesentliche von dem Unwesentlichen zu unterscheiden, und so wurde mein Wunsch doch noch erfüllt. Er führte uns zuerst in eine Manufaktur, wo der sogenannte Manchester oder Fustian gewoben und dann aufgeschnitten wird. Dieses Aufschneiden geschieht mittelst eines zwei Fuß langen rappierähnlichen, etwas rückwärts der feinen Spitze mit einem ganz kleinen angeschmiedeten Messerchen versehenen Instruments. Jeder Stoß oder Schnitt geschieht auf einmal in der Länge von sechs Fuß, auf dem auf einem Gestell ausgespannten Zeug, und in Folge langer Uebung mit außerordentlicher Sicherheit und Geschwindigkeit. Aus dieser Manufaktur gingen wir in die im gleichen Einfang gelegene Kratzerei, Brennerei, Geschwindbleicherei und Färberei dieses nämlichen Zeugs. Die Kratzerei wird durch eine Dampfmaschine getrieben. Hölzerne, mit auswärts gelöchertem und folglich auf der Oberfläche rauh gemachtem Eisenblech beschlagene Zylinder ziehen den Manchester zwischen langen, harten und mit grofser Eilfertigkeit sich überquer bewegenden Bürsten durch, wodurch alle Haare, die nicht innig mit dem Zeug verbunden sind, aufgekratzt und aufgestellt werden. So zugerichtet kommt das Zeug in die Brennerei. Ueber einer, mittelst durchziehender Steinkohlenflamme stets glühend erhaltenen halben Röhre von Gußeisen, etwa acht bis neun Zoll im Durchmesser und von einer etwas größern Länge, als die Breite des Manchesters, wird nun der aufgekratzte Zeug (der äusserst trocken sein muß) mit einer Geschwindigkeit von etwa dritthalb Fuß in fünf Sekunden hart auf dem glühenden Eisen aufliegend hergezogen, und dann der Geschwindbleiche mittelst oxigenirter Salzsäure übergeben. Von dieser nun bekannten und schon vielfältig beschriebenen Bleichmethode, welche die häufigen braunen Brandstreifen sogleich wieder wegnimmt, bemerke ich nur, daß, nach aller Aussage und Erfahrung, dem auf diese Weise behandelten Zeug durchaus nichts Nachtheiliges widerfährt, wenn nur die Säure durch Waschen vollkommen wieder herausgebracht wird, — Die Färberei zeigt in ihrer Einrichtung nichts Besonderes, insofern die Benutzung der Dampfmaschine, zu Herbringung des Wassers in die verschiedenen Kessel und viereckigen Gefässe, als etwas angesehen wird, das sich von selbst gibt und bei Bereitung des schwarzen Manchesters ist einzig zu bemerken, dafs das Brennen erst nach dem Färben geschieht. Ob die Preise dieser Fabrikate (nach welchen ich mich bei dem Eigenthümer der Manufaktur, Hrn. B., erkundigte) im Vergleich mit denen des festen Landes theuer oder wohlfeil sind, kann ich bei meiner Unkenntniß dieser Waare nicht sagen. Er bestimmte das Yard oder anderthalb Ellen unsers Maßes zu sechszehn Pence oder circa vierundvierzig Kreuzer vom Geringsten, und zu vier Schilling sechs Pence oder zwei Gulden achtundzwanzig Kreuzer vom Besten. Von diesem Hrn. B. der bei sehr guten Manieren in seinem Anzuge nichts vor seinen Arbeitern voraus hatte und überall selbst mit Hand anlegte, sagte mir übrigens Herr Willoughby, daß er wenigstens fünfzigtausend Pfund Sterling werth sei.

Aus dieser Manufaktur gingen wir in die Maschinen-Spinnerei und Weberei des Hrn. C. Die Mule-Jenny-Maschinen, deren jede zu zweihundert und vierzig Spindeln eingerichtet ist, werden durch eine Dampfmaschine getrieben und so wie der Wagen ganz zurück ist, kehrt es sich von selbst aus, um Zeit zum Zwirnen zu lassen. Warum ist bis dahin nur noch Menschenkraft zu diesem Behuf in der Schweiz verwendet worden? — Die Cardmaschinen waren den unserigen sehr ähnlich; nur schienen sie mir, so wie die Spinnmaschinen, nicht sehr gut gearbeitet zu sein. Man sieht besonders darauf, daß die Spindeln ganz von Stahl sind, auf welche das Garn dann unmittelbar (und nicht, wie bei uns, auf Spuhlen) gewunden wird. Da die Baumwolle knollig, sehr dick und unrein auf ein langes, um einen dünnen hölzernen Zylinder gewundenes Tuch ausgebreitet war, von welchem es die Cardmaschine empfing, so konnte ich nicht begreifen, wie dieses die Grundlage eines schönen Fadens abgeben könne; nachdem ich aber die Einrichtungen des Vorgespinnstes, die Prozedur mit dem ab den Spindeln genommenen fertigen Garn, und dann noch die besondere ultimatorische Behandlung desselben gesehen hatte (die ich auf dem festen Lande nie Gelegenheit hatte wahrzunehmen), so glaubte ich auch darin die Ursache des Credits des englischen Garns und Tuchs zu erkennen. das was hier gesponnen wurde, war No. 40, und wurde (wovon ich sogleich mehr sprechen werde) auf der Stelle verwoben.


Wenn man vor einigen Jahren in den Zeitungen von dem Aufstande der Weber um Nottingham und an einigen andern Orten, und ihrer Zerstörung der Maschinen und der dieselben enthaltenden Gebäude gelesen hat, so wird man sich über die Erbitterung arbeitloser Menschen nicht mehr wundern, sobald man diese Maschinen-Webstühle sieht. Fünfzig solcher Webstühle, alle durch eine und dieselbe Dampfmaschine getrieben, welche die Spinnerei treibt, standen in einem mittelmäßig großen Zimmer, da jeder höchstens vier Fuß ungefähr an Länge, Breite und Höhe einnahm, und wurden von fünfzehn Personen und einem Aufseher besorgt. Da die Bewegung des Schiffchens, welches durch Federkraft hin- und hergeschossen wurde, so wie das Zusammenschlagen des Eintrags, etwas schneller als von Menschenhänden geschah, so war das Produkt in gleicher Zeit nicht nur größer, sondern auch, wie mir der Aufseher richtig bemerkte, da die Maschine nicht wie der Mensch müde wird, gleichförmiger und folglich besser. Da ich mir aus Neugierde Muster von diesem gewobenen Tuch ausbat, und mir auch von dem schwarzen Manchester etwas geben ließ, so ist dies der beste Beleg zu dem Gesagten.

Gern hätte ich noch eine Walzen-Kattun-druckerei besucht, aber die Zeit erlaubte es nicht mehr; das Einzige, was ich noch auf dem Hinwege von Hrn. Lee erfahren konnte, war die Verfahrungsart, dem zum Erleuchten der Fabrikgebäude bestimmten Wasserstoffgas den übeln Geruch zu benehmen, und es mit brillanter statt bläulichter Flamme brennen zu machen, welches noch als Geheimniß behandelt wird.

Wallnut-Cottagt (Nußhütte mochte ich es übersetzen) war das mit einem hübschen Pleasure-ground umgebene Landhaus des Herrn Lee genannt, drei Meilen von Manchester gelegen, wo wir hinfuhren und von seiner Schwester, einem sehr gebildeten und geistreichen Frauenzimmer, die als Verfasserin der Canterbury Tales bekannt ist, bewirthet wurden. — Der lebhaften Unterhaltung machte Abends um acht Uhr ein aus der Stadt kommender Eilbote ein Ende, dessen mitgebrachtes Schreiben Hrn. Lee bewog, sogleich dahin aufzubrechen; Hr. Parienta und ich begleiteten ihn.

Da ich mich bei Hrn. Lee nach dem Ort in England erkundigte, wo die Dampfmaschine zum Treiben der Wagen statt der Pferde angewandt wird, gab er mir Leeds an; damit ich dort nicht ohne Bekanntschaft sei, hatte er die Güte, mir noch in aller Eile einen Empfehlungsbrief an Hrn. Gott, den größten Tuchmanufakturisten Englands, mitzugeben. Da ich meinen Platz in der Postkutsche nach Leeds schon auf den folgenden Morgen bestellt und hezahlt hatte, so konnte ich die Spinnerei des Hrn Lee, die er mir am Abend selbst hatte zeigen wollen, aber nun nicht konnte, nicht mehr sehen. Ich bewunderte nur noch die prächtige Erleuchtung des Speisesaals mittelst Wasserstoffgas, der aus den Mündungen der kristallenen Leuchtern ausströmte, und reiste dann am 3. September, vergnügt mit dem was ich Neues und Merkwürdiges gesehen, von einem Orte ab, der ursprünglich nicht in dem Plan meiner in spärlich zugemessener Zeit auszuführenden Reise war, und dessen Besuch ich nur dem freundschaftlichen Rath und der Empfehlung des Herrn Watt zu verdanken habe.

Zum Schluß bemerke ich noch, daß Herr Lee, der wegen seiner vielfachen Kenntnisse gewiß unter die ausgezeichnetsten Männer Englands gehört, der Erste war, der die Anwendung der Gasbeleuchtung nach einem so großen Maasstab einzuführen den Muth hatte, und sich die Einrichtungen dazu durch Hrn. Murdoch, dem die erste Idee der Benutzung von Wasserstoffgas in ökonomischer Hinsicht angehört, in den Werken der Herren Boulton et Watt verfertigen lieft.

Einen Aufsatz über die comparative Helle und die Kosten eines gegebenen Quantums Wasserstoffgas-Lichts gegen Licht von Kerzen legte Hr. Murdoch der königlichen Societät der Wissenschaften vor. Hr. Lee hatte die Güte, mir denselben mitzutheilen; und da er so äußerst interessant ist, so reihe ich ihn hier meinen Bemerkungen, vom heutigen Tage an.