7. bis 14. September - Rückreise bis Paris und das Resultat meiner Nachforschungen zum Hausbrauen. ...

Am 7. Morgens um zwei Uhr kam die sich nur wenige Minuten aufhaltende Kutsche an, auf der ich zu meinem größten Verdruß, da es gerade regnete, einen Platz auf dem Deckel einnehmen mußte, weil inwendig schon alles besetzt war. Diese unangenehme Lage dauerte bis Nottingham, wo ich einen Platz in dem Innern der Kutsche bekam. Bei gutem Wetter ist die Aussenseite zwar angenehm, und kostet beinahe nur die Hälfte; hingegen ist sie äusserst gefährlich, wenn man das Unglück hat, umgeworfen zu werden, was bei dem rasend schnellen Fahren nicht selten geschieht.

In dem kleinen, aber hübschen Städtchen Bedford sahen wir Abends auf kurze Zeit einem Balle zu, der um das Fest des Tages (veranlaßt durch einen den Engländern so wichtigen Hahnenkampf und ein Pferderennen) zu beschliessen, im dortigen Wirthshause statt fand. Viele sehr schöne Frauenzimmer (wie man diese’ in England überall zu sehen gewohnt ist) fanden sich ein, und mein Reisegesellschafter, Hr. Farrar aus London, bedauerte mit mir, daß die blecherne Posaune des Kutschers uns so schnell zur Abreise mahnte. — Wir bekamen, jedoch nur bis zur nächsten Station, einen Country-Squire (Landjunker), der dem edeln Hahnenkampfe und Pferderennen beigewohnt und sich einen tüchtigen Stecher geholt hatte, zum Reisegesellschafter. Unter Schwüren und Verwünschungen über die damn’d Jade, auf die er gewettet, erzählte er uns, er habe a cool hundred pounds (runde hundert Pfund Sterling) verloren, und doch seien die Odds (Wahrscheinlichkeiten) immer für ihn gewesen bis gegen das Ende, wo dann die erwähnte Jade (Schimpfname eines Pferdes) den Athem verloren habe und von dem andern überwunden (beaten) worden sei. Nach dieser Herzenserleichterung fing er an zu schnarchen, und in diesem Zustande wurde er auf der nächsten Station zur Kutsche hinausgeschoben. Die stockfinstere Nacht verleitete uns indessen bald zu gleicher Unterhaltung, die wir bis zum Morgen (des 8.) fortsetzten, wo wir mit Tagesanbruch in London ankamen, und also in sechsundzwanzig Stunden (mit Inbegriff des Aufenthalts unterwegs) hundert und fünfundsechzig englische Meilen zurückgelegt hatten. — Mit dem Einkauf und Einpacken verschiedener Sachen verfloss dieser Tag, an dem ich blos noch Gelegenheit hatte, einige Erkundigungen über das nun in England durchaus übliche, für andere (besonders nicht weinbauende) Länder vielleicht, eben so nützlich in Anwendung zu bringende Hausbrauen einzuziehen. Ich wurde zu diesem durch die Bemerkung verleitet, daß nicht nur dies Hausbrauen in den reichsten wie in den mittlern Bürgerfamilien eingeführt ist, sondern daß das home brew’d beer (im Hause gebraute Bier) auch besser schmeckte und gewiß in jedem Fall gesünder war, als das in den Wirthshäusern verzapfte, von welchem der Arbeiter und gemeine Mann immer verlangt, daß es heady (in Kopf steigend) sein müsse, zu welchem Zwecke nicht selten schädliche und betäubende Bestandtheile darunter gemischt werden. — Das Resultat meiner Nachforschungen war, daß das im Hause gebraute Bier nur etwas über die Hälfte dessen zu stehen kommt, was man dem Brauer dafür bezahlen müßte, obschon man nebst Malz und Hopfen noch verschiedene Droguen beimischt, um das Bier angenehm, und haltbar zu machen, worunter der Zucker eine Hauptrolle spielt, der freilich in England nicht so theuer ist, zu diesem Behuf aber besonders präparirt werden müsse.


Das Malz selbst (denn das Brauen zerfällt in England in zwei besondere Gewerbe: in das Malzmachen und Biersieden) wird bei dem Malster (Malzmacher) für jedesmaligen Bedarf, und mehr oder minder gedörrt, je nachdem man eine hellere oder dunklere Farbe des Biers liebt, in größern oder kleinern Portionen gekauft.

Am 9. bestellte ich einen Platz in der Diligence nach Dover, nahm Abschied von meinen Freunden, und widmete die noch Übrige Zeit der Nachfrage über einen Gegenstand, der zwar nur für wenige Personen Interesse hat, aber doch auf dem festen Lande noch wenig gekannt ist, obschon seine Erfindung bereits in den Vierziger-Jahren des vorigen Jahrhunderts in England gemacht wurde. Es ist nämlich das Braunmachen des Kupfers, welches man besonders bei Theemaschinen und andern Geräthen des Luxus anwendet, weil nicht nur die Farbe recht gut ins Auge füllt, sondern das Anlaufen des Kupfers (welches, wenn es auch hell polirt ist, immer mit der Zeit und zuweilen auch sehr bald geschieht) dadurch verhindert wird. — Ich überzeugte mich hier, was ich aus frühem eigenen Versuchen schon erfahren: daß die Art der Steinkohlen und ihrer Dämpfe, die man dabei anwendet, viel zu Erlangung einer schönen Farbe beitragen, sie aber, je nach dem das aufzutragende Pulver und der Hitzegrad modifizirt wird, verschiedener Abstufungen fähig ist. Daß die Sache auf einem Oxidationsprozesse der Oberfläche beruht, und nicht auf einem Ueberzug von Firnis oder Lak wie Manche glauben, bedarf kaum einer Erwähnung. Den 10. Morgens um sieben Uhr reisete ich von London nach Dover ab. Es befanden sich in der Kutsche nebst einem Frauenzimmer noch fünf Herren, worunter ein Türke in seiner Nationalkleidung. Er verstand nicht das mindeste Englisch oder Französisch. Zur lächerlichen aber doch notwendigen Fürsorge hatte ihm das Haus in London, an das er empfohlen war, einen offenen Frachtbrief, wie zu einer Kiste, an das Oberkleid geheftet, und ihn so an seine Korrespondenten in Dover adressirt, mit dem Ansuchen, für seine Ueberfahrt zu sorgen und ihn auf gleiche Weise nach Paris zu spediren. Dieser Mann war uns sehr lästig; denn nicht nur war er so dick angezogen, daß er den Platz für zwei Personen einnahm, sondern er hatte noch ein Bündel mit Mundvorrath auf dem Schoos, von dem er von Zeit zu Zeit zu sich nahm, und der in Mandeln und Weinbeeren, einem grünen Zwiebelgewächse und kleinen rothen Seekrebsen bestand, die einen so abscheulichen Geruch verbreiteten, als wenn beständig der Fleet-Market von London hinter uns her wäre; dazu kam noch das Tabakrauchen welches er sich nur durch Gewalt verbieten ließ, indem ihm der Guard oder Conducteur die Pfeife wegnahm. — Da unterwegs eine Feder am Wagen brach, so mußte derselbe in Canterbury umgepackt werden, und wir kamen erst Abends um acht Uhr in Dover an, wo ich wieder in mein voriges Wirthshaus, Paris-Hotel, Mr. Kiriker, ging, das wegen guter und billiger Bedienung jedem Fremden empfohlen zu werden verdient, obschon die Ship-Inn ein eleganteres Aeußeres hat.

Es stürmte sehr, und der anwesende Schiffskapitän John Hayward von dem Paketboot Elisabeth kündigte zum Voraus an, daß er schwerlich morgen werde in See gehen können.

Um im möglichen Fall von besser werdender Witterung ungehindert abreisen zu können, ging ich am 12. früh vor Anfang des Gottesdienstes nach dem Zollhause, um meine Sachen visitiren zu lassen, und den Erlaubnisschein zur Abreise zu erhalten. Es hatte, weil es Sonntag war, wieder einige Schwierigkeiten, die ich aber auf gleiche Art, wie das erstemal, beseitigte. Der Zollbeamte ließ sich, da ich noch mit ihm allein war, mit mir in ein Gespräch ein, und fragte mich unter anderm auch um die Religion meines Landes. Ich antwortete ihm, es sei die protestantische. „So!“ sagte er: „so werden gewis von Zeit zu Zeit englische Missionare kommen, um bei Ihnen zu predigen.“ Ich mußte über diese grobe Unwissenheit, in der er uns so ziemlich mit den Bewohnern von Otaheite auf eine Linie stellte, lachen, ohne mich eben sehr darüber zu verwundern, weil man in England, in Hinsicht der Kenntniß fremder Länder, ähnliche Verstöße bei gebildetern Personen bemerkt. Ich erwiederte: es kommen freilich viele Missionäre aus England zu uns, und zwar meistens in Kutschen mit vier Pferden bespannt; sie fragen aber nie nach, der Kirche, sondern immer nach dem besten Wirthshaus. — Diese Antwort machte ihm selbst Vergnügen, und nach erhaltener Erläuterung fing er doch an zu begreifen, daß es Gottlob mit der Verkündigung des Evangeliums bei uns nicht so übel stehe, als er sich vorgestellt hatte.

Der Gott der Winde war diesen Tag über unerbittlich, und deshalb an keine Abreise zu denken. Dieser Umstand, der für mich unangenehm war, fiel mir noch ersprießlich aus. Ich hatte einen kleinen Sack mit Eisenerzen, Tiegelfragmenten, Stahlmustern, Steinkohlen, Coaks und besonders Muster von englischem Eisen bester und schlechtester Qualität angefüllt mit in die Diligence genommen. Dieser wurde, ohne daß ich es wußte, beim Umpacken in Canterbury vergessen; erst in Dover vermißte ich ihn, und klagte meinen Unfall den Wirthsleuten. „Sein Sie unbesorgt,“ sagten diese: „wenn Ihr Sack in der Kutsche war, so müssen Sie ihn heute Abend oder morgen früh bekommen,“ und schickten sogleich nach dem Postbureau, um dasselbe an alle Plätze, wo die Kutsche angehalten und etwas abgegeben hätte, zu berichten. Noch diesen Abend kam die Tochter auf mein Zimmer, und sagte zu meiner Verwunderung und Freude: Sir! Your bay is come! (Herr! Ihr Sack ist angelangt.) Ich ging sogleich gelbst hinunter, um ihn in Empfang zu nehmen, aus Furcht, er möchte wieder verloren gehen. Zur Ehre der englischen Posteinrichtungen muß ich sagen, daß mich die Herbeischaffung dieses Sacks nicht nur keinen Pfenning kostete, sondern daß auch meinem Ansuchen sogleich mit größter Bereitwilligkeit entsprochen wurde. — Ich hätte diesen Sack hauptsächlich um der Eisenmuster willen, die mir Hr. Watt gegeben, ungern verloren, da ich mich, auf seine Bemerkung hin, daß das englische Eisen nicht zum Stahlmachen tauge, und deshalb schon viele Versuche angestellt worden seien, zu dem Versuche anheischig machte, das Problem nach meiner Art zu lösen, wann ich einmal wieder zu Hause angelangt sein würde.

Am 12. hatte sich der Sturm in der Nacht vollkommen gelegt; der Wind blies zwar noch frisch, doch vollkommen günstig; die See war aber in starker Bewegung. Morgens um acht Uhr schifften wir uns ein. Mit Vergnügen bemerkte ich das ruhige Befehlen des Kapitäns und die stille Folgsamkeit der Matrosen. Das Schiff durchschnitt wie ein Vogel die Wellen, die sich in dunkelblauer Farbe und auf ihren Gräten mit Schaum verbrämt aus dem Weltmeer daher zu wälzen schienen. Unverrückt blickte ich nach der merkwürdigen Insel, die ich so eben verlassen hatte, und nahm, da ihre weißen Küsten sich in der Nähe Frankreichs meinem Auge entzogen, (doch hoffentlich nicht für immer) von ihr Abschied.

Um elf Uhr und zwanzig Minuten des gleichen Vormittags stiegen wir zu Calais nach einer Ueberfahrt von nicht ganz vierthalb Stunden wohlbehalten ans Land. Bis Abends um acht Uhr (aus welchem Grunde ist mir unbekannt) mußten wir auf die Abfahrt der Diligence warten, die uns den 13. Mittags nach Abbeville und den 14. Nachmittags um drei Uhr nach Paris brachte.