5. September - Ankunft in Sheffield - Auf der Suche nach den besten Gußstahlfabrikanten, Feilenhauern, Messerschmieden und Werkzeugmachern ...

Am 5. September, gleich nach dem Frühstück, entschloß ich mich, nach dem sechs Meilen von Sheffield gelegenen R. zu gehen, um an Hrn. W. meinen Empfehlungsbrief von Hrn. Gott abzugeben und daselbst die Adressen der besten Gußstahlfabrikanten, Feilenhauer, Messerschmiede und Werkzeugmacher zu erfahren. Als ich nach zwölf Uhr in der nahe bei R. gelegenen Manufaktur ankam, wurde ich von Hrn. W., der ausserordentlich und fast bis zur Ueberspannung beschäftigt schien (welches mir auch Hr. Gott vorausgesagt hatte), sehr höflich an seinen ersten Geschäftsmann Hra. Clarke gewiesen, dem er sagte: „Bemerken Sie- dafs Hr. Fischet Von Hin. Gatt durch Hrn. Lee in Manchester und Hrn. Watt in Soho empfohlen ist.“ — Da ich den Wunsch äußerte, vorzüglich mit Gußstahlfabrikanten bekannt zu werden, verwunderte ich mich, als er mir sagte: „Ich will Sie an Herrn B., dem Associé des Hrn. W. führen; Niemand verfertigt den Cement- und Gußstahl so im Großen wie wir, und bei ihm können Sie alle Auskunft über Preis und Gattung erhalten.“ — Hr. B. ging mit mir, nachdem uns Hr. Clarke verlassen, sogleich in die Stahlmagazine, die vielleicht bei tausend Zentner Cementstahl enthielten, und zeigte mir die verschiedenen Gattungen desselben, nämlich harten und weichen, und auch was die Engländer German-Steel (deutscher Stahl) nennen, der aus den Stangen von Blister-Steel, die zu große Blasen haben und für gute Arbeit untauglich sind, zusammengeschweißt und dann herausgestreckt wird. Von dem Gußstahl hatte er gar nicht viel vorräthig, aber was davon geschmiedet war, war im Bruch viel besser, als der von P. et Comp, in Birmingham. Die gegossenen Stangen, im Aussehen und Gewicht wie die in Birmingham, zeigten im Bruch ausserordentlich viele Löcher, und waren aufgeschwollen; ein Umstand, der mir über ihre Prozedur hinreichenden Aufschluß gab.

Da ich gern die Cement- und Gußstahlfabrikation gesehen hatte, und diesen Wunsch auf eine ziemlich schickliche Weise anzubringen wußte, so ging Hr. B., der schon mit mir nach dem Comptoir zurückgekehrt war, wieder zurück, und zeigte mir die Brennstahlöfen, die mit drei Kisten nach gewöhnlicher Art eingerichtet sind. „Die Gußstahlmanufaktur, sagte er, ist an einem andern Ort; aber wir wollen, if you please (wenn es Ihnen gefällig ist), auch hingehen.“ Ich zweifelte keinen Augenblick, daß dies der Ort sein könne, den ich, ehe ich zu Hrn. W. kam, dafür angesehen und an den außer dem Werke herumliegenden alten Tigeln genugsam erkannt hatte. Es war wirklich so. Heute goß man nicht, sondern man war am Tigelmachen, und dies war für mich beinahe eben so anziehend. Da ich nie ihre Methode, und sie eben so wenig die meinige gesehen, so mußte ich mich wundern, wie der Mensch so ganz auf gleiche Mittel fallen kann, um zu gleichem Zweck zu gelangen.


Wenn ihre Verfahrungsart den Vortheil hat, geschwinder einen Tigel zur Welt zu bringen, so hat die meinige den Vorzug von besserer Arbeit; denn daß ihnen viele Tigel reißen, sah ich an dem vielen herumliegenden ausgelaufenen Stahl. — In zwölf einzelnen Windöfen, mit Coaks erhitzt, wird der in Stücke zerschlagene und mit den gehörigen Zusätzen versehene Cementstahl geschmolzen und in eiserne Eingüsse gegossen. Die Kunst, glatt zu gießen, haben sie noch so wenig erfunden wie ich, oder noch weniger, und ich wollte nur nicht fragen, was sie mit dem so mannigfaltig in Ausschuß fallenden Stahl anfangen; ich könnte es aber aus einer spätem Aeußerung des Hrn. Clarke entnehmen, der mir sagte: sie verkaufen den Gußstahl zu einem Schilling das Pfund, einigen aber auch zu sechs Pence. Da Hr. B. mir die Preisnote der verschiedenen Suhlgattungen und ihrer Anwendung zuzustellen versprach, so führte er mich indeß wieder zu Hrn. Clarke. „Wollen Sie nicht sehen, wie wir unsere Weisbleche verfertigen, bis Hr. B. die Note fertig hat?“ fragte Hr. Clarke. Ich war dazu mit Vergnügen bereit, und wir gingen bei einer, zu dieser über alle Vorstellung großen Manufaktur gehörenden Ankerschmiede vorbei, zu der eine Viertelstunde entlegenen Blechfabrik. „Die Kanonengiesserei ist auch gleich daneben, bemerkte Hr. Clarke, und wir sollten gerade zum Guß von sechs Stücken noch recht kommen; sollte es aber zu spät sein, und Sie wollen hier bleiben, so können Sie es morgen um elf Uhr wieder sehen.“ — Wir gingen also zuerst in die Blechfabrik. Eine ausführliche Beschreibung derselben ist um so wichtiger, als sie wahrscheinlich auf dem festen Lande noch wenig bekannte Umstände enthält und zeigt, warum die englischen Bleche keinen sogenannten Brand haben, und sonst so schön sind.

Das bis drei Viertelszoll dick geschmiedete Eisen wird in der gleichen Länge, als die Bleche breit werden müssen, abgeschnitten, im Glühofen gewärmt und unter zehn Zoll dicken gegossenen und, wie mir Hr. Clarke ausdrücklich sagte, eingesetzten (case hardened) Walzen herausgewalzt; fangen die Bleche an dünn zu werden, so werden sie doppelt und dann vierfach zusammengelegt, wodurch sie die doppelte Länge und gehörige Breite eines einfachen Sturzbleches erhalten, und somit beim Zerschneiden acht Stücke liefern. — Diese Bleche, an allen vier Seiten nach dem Riß eines eisernen Modells beschnitten, werden in Salzsäure (Muriatic acid) getaucht, halb zusammengebogen, daß sie auf den Kanten aufstehen, und dann ganz gelinde, wann die Salzsäure vorher darauf trocken geworden in einem Glühofen geglüht. Wenn sie kaum braun sind, nimmt man sie heraus, wo dann der Glühspahn mit einem leichten Schlag in starken Schuppen abfällt, und was nicht geht, mit einer Bürste nachgenommen wird. Diese gereinigten Bleche kommen unter einem wohlpolirten und wohlgehärteten Walzwerk durch, um federhart und glatt zu werden, und von da in die Kleien und (verdünnte) Vitriolsäure-Beize. So wie sie da herausgenommen werden, so kommen sie zum ersten Zinnherd, wo die mit englischem Zinn gefüllte Pfanne beständig mit Oel bedeckt ist. Bei ziemlich starker Zinnerhitzung, welche an der gelben Farbe der herauskommenden Bleche zu erkennen ist, erhalten sie die erste Verzinnung. Von da kommen sie zum zweiten Zinnherd, der ebenfalls stark mit Oel bedeckt, aber nicht gar so heiß ist. Nach geschehener Eintauchung wird das Blech mit einer Bürste auf beiden Seiten gerieben, noch einmal eingetaucht und dann auf ein Gestell mit einer der Ecken zuunterst, damit das Zum sich sammeln könnte, zum Vertropfen hingestellt. Während das Zinn daran bereits noch flüssig ist, nimmt eine andere Person das Blech, und spült es in einer mit kochendem Oel gefüllten Pfanne ab, wodurch alles überflüssige Zinn abfließt, und worin die noch immer räthselhafte Ursache liegt, warum die englischen Bleche keinen Brand haben. Aus dieser Pfanne wird das Blech in einen Haufen Kleie geworfen, womit es auf beiden Seiten abgerieben wird, und zwar durch drei verschiedene Personen; auch wird die Kleie oft gewechselt.

Obschon ich nicht Zeit hatte, der Prozedur nur so lange zuzusehen, als die gegenwärtige Beschreibung erforderte, so glaube Ich doch nichts Wesentliches übersehen zu haben. Das darauf folgende Verpacken geschieht in Kistchen von Eisenblech, jedes 250 Stücke enthaltend.

Zum Gießen der Kanonen kamen wir zu spät, da es schon vor einer Stunde geschehen war. Die herumliegende Menge derselben ließ mich auf die Leichtigkeit und Sicherheit Ihrer Verfertigung schließen, und die Stärke der Bohrspäne, von denen ich mir einige ausbat, um sie mitzunehmen, beweisen, wie schnell diese Arbeit von statten geht. Herr Yeates, Direktor der Gießerei, der sich zu uns gesellte, führte mich noch in den Werkstätten herum, wo nebst zwei durch Zylindergebläse getriebene Hochöfen noch sechs Reverberiröfen und ein Handschmelzofen sich befinden; einer der Reverberiröfen ist durch seine Lage merkwürdig. An der Seite des Hochofens angebaut und tiefer liegend nimmt er das erforderliche Eisen aus demselben auf und behält es im flüssigen Zustand, daß man mit Kellen zu größerm oder kleinerm Bedarf daraus schöpfen kann. Ein Wendelbaum zu einer Wassermühle gegossen, mit durchgehender Höhlung in der Mitte (welches sehr verständig war, da er das Gewicht verminderte, ohne der Dauerhaftigkeit zu schaden), wurde gerade aus der Damgrube herausgenommen; er war im Guß gefehlt und hatte einige Arbeiter unglücklich gemacht. Die Ursache war der versperrte Ausgang der Luft. Die Kernstange interessirte mich sehr. Sie war mit langem Knoppereisen, das einen Bündel bildete, umgeben, und dann erst mit den gewohnten Strohkränzen umwickelt. Diese Vorrichtung gewährte ein ungemein leichtes Herausziehen der Kernstange, welches sonst so schwierig ist.

Da auf den folgenden Morgen der Guß zu zwei Vierundzwanzigpfündern, jeder zu sechszig Zentnern sammt dem Ueberguß, vorbereitet war, so entschloß ich mich in R. zu bleiben, und dann des andern Tages zur bestimmten Zeit wieder hinzugehen, um demselben beizuwohnen. Ich wollte mich daher beurlauben; aber Hr. Yeates lud mich nebst Hrn. Clarke zum Mittagessen ein, indem er zugleich die Weisung ertheilte, daß der morgende Guß nicht eher statt haben solle, als bis ich gegenwärtig sei. Auch hier wie überall, traf ich nicht nur herzliche Gastfreundschaft, sondern auch gute Gelegenheit an, ganz nach Wunsch über Eisen, und Stahlwerksbetrieb wichtige Aufschlüsse zu erhalten.

Die Beschreibung, die ich den anwesenden Frauenzimmern (es war Madame Yeates und ihre Tochter und die Frau des jungen Hrn. Yeates) von meiner Vaterstadt und ihren Umgebungen machte, und zum Theil durch den bei mir habenden Almanach anschaulich machen konnte, setzte mich sehr in Gunst, so wie nach meiner Meinung nachstehender Umstand, von dem ich darum rede, weil er zu den Zeichen der Zeit oder vielmehr zur Karakteristik der vorherrschenden Ideen bei einer Nation zu gehören scheint. Ueberall nämlich, wo ich in England bekannt und durch Unterhaltung etwas vertraut wurde, fragte man mich nach der herrschenden Religion meiner Vaterstadt, und so wie man erfuhr, daß es die protestantische sei, so schien gleich eine größere Zuneigung einzutreten. Man muß sich über diese Erscheinung auch nicht wundern, wenn man die Geschichte Englands, sowohl der ältern Zeit als des gegenwärtigen Augenblicks, vor Augen hat; und obschon die englische Regierung die liberalsten Grundsitze hinsichtlich der Denk- und Glaubensfreiheit hegt, so kann doch individuelle Ansicht und Besorgniß auch den aufgeklärtesten Mann in seinen Gefühlen lenken. Obschon es ein Absprung ist, so steht die Bemerkung vielleicht doch nicht am unrechten Orte, die ich in Paris zu machen Gelegenheit hatte: daß nämlich eine eben herausgekommene Vorstellung des jüngsten Gerichts, so wie sie ein Pater Abraham a Sancta Clara oder irgend ein exaltirter Dominikanermönch mag geträumt haben, den großen Haufen vorzüglich und anhaltend anzog; auch spielten die Teufel mit ihren Geräthschaften und derselben Anwendung eine weit interessantere Rolle, als die etwas Übelgerathenen Engel, welche den Weg nach dem neuen Jerusalem zeigten, der aber so schmal war, daß nicht einmal Mann und Frau neben einander hineingehen konnten. — Hr. Clarke begleitete mich noch am Abend nach R. in meine Wohnung, wo er mich, da er dort wohlbekannt war, besonderer Aufmerksamkeit empfahl.

Den 6. Morgens um acht Uhr ging ich mit Hrn. Clarke, erhaltener Einladung gemäß, zum jungen Hrn. Yeales zum Frühstück, um nachher die Frischfeuer und Walz- und Schneidwerke dieser grofßen Manufaktur zu sehen. Der Prozeß im Puddling-Furnace war wie der bereits beschriebene; nur mit dem Unterschied, daß die herausgebrachten Lumps oder Luppen nicht unter den Hammer, sondern unter ein großes Walzwerk kamen, wo sie zu blos halbzolldicken Platten herausgedrückt, im Wasser sogleich abgekühlt und dann wieder in Stücke zerschlagen wurden, um im Blooming-Furnace zusammengeschweißt und unter den Walz, und Schneidwerkern in die gehörigen Formate verarbeitet zu werden. Die Art, Blechschnitzel und kleines altes Eisen gut zu machen und Stangen Eisen daraus hervorzubringen, muß auch als zur Manufaktur gehörend noch beschrieben werden. Durch Kinder werden diese Trümmer von altem Eisen mit einer durch viele Uebung erlangten vorzüglichen Geschicklichkeit auf einen ungefähr zehn Zoll im Durchmesser haltenden und anderthalb Zoll dicken runden Boden von feuerfestem Thon, aufgehäuft, und dann im Reverberirofen dem stärksten Feuer ausgesetzt, wo das Eisen sich setzt, und vermittelst der Zusammendrückung mit einem Rengel im Ofen selbst gänzlich zusammenschweißt, und dann unter den Walzen auch zu Stab, oder rundem Eisen verarbeitet wird.

Es war Zeit, in die Kanonengießerei zu gehen, wo bei unserer Ankunft schon Alles zum Guß vorbereitet war. Wenn der übrigens, geschickte französische Gießer Dardein von Straßburg in seinem Werke sur les différentes méthodts de couler les bouches à feu die englische Verfahrungsweise, Kanonen im Sand zu gießen, eine Methode perfide nennt, so war es entweder elende Schmeichelei, weil er glaubte durch diese Benennung Empfehlung für sein Werk bei Napoleon zu finden, oder er kannte die Sache, so wie sie ist, ganz und gar nicht; denn Besseres und Einfacheres kann gewiß nichts erdacht werden, wovon der richtigste Beweis der ist, daß nebst der Güte des Geschützes, mittelst der Sandformerei (alles Uebrige gleich) in einem Tage so viel geleistet wird, als durch die Lehmformerei in einem Monat. Diese Sandformen der Kanonen, die in vier kreisförmigen, dem äußern Umfang derselben etwas ähnlichen gegossenen eisernen Flaschen über zerschnittene hölzerne oder hohle metallene Modelle gemacht, nachher nur getrocknet und dann aufeinander geschraubt werden, bedürfen keines Eindammens, noch des kostbaren Bindens mit eisernen Schienen, sondern werden nur aufrecht in die ausgemauerte Dammgrube gestellt und von drei Seiten gesperrt, damit sie nicht umfallen. Eine eiserne mit Sand ausgefüllte Rinne, die von dem Zusammenfluß der Kanäle beider Oefen bis zur Kanonenform hingeht, führt derselben das flüssige Eisen zu, welches vorher durch eine in der Rinne vorgestreckte Schaufel so lange aufgehalten und angeschwellt wird, bis es von der obenaufschwimmenden Unreinigkeit gesäubert ist. Die von dem anklebenden, aber leicht abzuputzenden Sand befreite Kanone kommt in die nebenan befindliche Bohrwerkstätte, die allen andern ähnlich ist, wo dann der Ueberguß, der aber bei weitem nicht so groß wie beim metallenen Geschütz ist, abgedreht, dann im gleichen Lager mit dem Spitzbohrer angebohrt und mit den Ausreibern fertig gemacht wird. Ein einziger Mann besorgt diese Arbeit, die immer mit sechs Stücken zugleich statt findet, und die Dampfmaschine dreht dieselben herum. Vermittelst der noch mit Räderwerk verbundenen Flaschenzüge bringt der gleiche Arbeiter die schwersten Stücke in und aus dem Lager, und in und aus der Bohrwerkstätte. Durch diese verschiedenen Vorrichtungen ist es dahin gekommen, daß eine Arbeit, deren gutes Gelingen ehemals die besten Köpfe und die geschicktesten Hände erforderte, nun zu einem gemeinen Handlanger-Tagewerk heruntergebracht ist, und die vorbereitenden Anstalten den Erfolg unzweifelhaft machen.

Neben der Bohrwerkstätte liegen die großen Vorräthe von Erz, wovon ein Theil ungeröstet, ein Theil auf Rosthaufen und ein Theil fertig geröstet zum Aufgeben in die Hochöfen ist. Das Erz ist ein armer Thoneisenstein, der häufige Abdrücke von Pflanzen, besonders der Valeriana, enthält. Wenn man recht gutes Eisen und besseres Ausbringen haben will, setzt man einen vortrefflichen Hematk aus Cornwallis zu.

Es war Zeit zur Abreise. Die Aufmerksamkeit des Hrn. Yeates ging so weit, daß ein gesatteltes Pferd für mich an der Thür stand und ein zweites für ihn herbeigeführt wurde, um mich, wie er sagte, nach Sheffield so begleiten und dort an Jemand zu empfehlen, der mir nicht nur die besten Feilen, und Werkzeug-, Rasir- und Federmesser-, Scheeren- und Sägenfabriken angeben, sondern mich selbst überall einführen werde. So erfreulich dies für mich war, so kam ich doch durch so viele Güte fast in Verlegenheit, da mein ganzer Dank nur in Worten bestehen konnte. Um einen Umweg zu ersparen, durchritten wir den Donfluß, der diesmal wegen allgemeiner Trockenheit beinahe auch kein Wasser hatte, und nach einer Stunde waren wir schon in Sheffield. Dort übergab mich Hr. Yeates dem Hrn. R., einem sehr dienstfertigen jungen Mann, der auf dem Comptoir der Herren W. et B. ist, das sie in Sheffield haben. —

Mein größtes Trachten ging nach einer Feilenfabrik. Hr. R. führte mich in jene des Hrn. Bramale, at the Whitehouse, zwei Meilen von der Stadt. Nachdem ich achtzig verschiedene Muster von vier bis fünfzehn Zoll Länge und drei Grattungen Hieb, und einen Einsatz Drehwerkzeuge (o set of turning tools) gekauft, und eine Preisnote aller seiner Fabrikate erhalten haue, fragte ich nach schon genommenem Abschiede: ob man nicht auch sehen könne, wie man diese Feilen mache? Bei uns glaube man allgemein, es geschehe durch Maschinen. „Ich will Ihnen gleich das Gegentheil zeigen,“ erwiederte Hr. Bramall, und führte mich in die Werkstätte. Ich fand Alles mit Schmieden, Hauen und Härten bei schäftigt, gerade wie bei P. in Birmingham; nur schien mir die Arbeit besser zu sein, weil jeder Arbeiter nur gleichen Hieb und Feilen von nicht gar zu verschiedener Größte haut. Es werden auch viele Feilen von Gußstahl gemacht, die um ein Drittheil theurer sind, als jene von gewöhnlichem Cementstahl. — Beim Härten, welches auch immer durch die gleichen Personen geschieht, bemerkte ich gegen Birmingham den Unterschied, daß die Feile zuerst in die Hefen eingetaucht und dann nachher im Härtpulver herumgewälzt wurde. Die Gesenke für dreieckigte und halbrunde Feilen verdienen noch besondere Erwähnung. Sie haben keine Zapfen, wie bei uns, die immer abbrechen oder ein ewiges Tanzen des Werkzeuges verursachen; sie sind auch nicht (was besser, aber kostspieliger ist) in den Ambos selbst gemacht, sondern in die schwalbenschwanzartigen Einschnitte im Ambos eingeschoben, so daß sie festhalten und doch leicht herausgenommen werden können. Da die englischen halbrunden und dreieckigten Feilen, was sehr verständig ist, nicht von hinten nach vorn, sondern erst von der Mitte an sich verjüngen, und die Gesenke in der Richtung der Länge nicht ganz eben, sondern nach hinten zu etwas convex in ihrer Bahn sind, so ist es dadurch möglich, die Feile in einem und demselben Gesenke, das überdies immer eine Länge von fünf bis sechs Zoll hat, ganz fertig zu schmieden; wo man hingegen bei uns für eine und dieselbe Feile immer zwei bis drei verschiedene Einschnitte oder Gesenke braucht.

Federmesser, Scheeren und Rasiermesser kaufte ich halbdutzend- und dutzendweise bei drei verschiedenen Fabrikanten, deren zwar jeder alle drei Artikel verfertigt, aber jeder, wie mir Hr. R. sagte, sich nur in einem vorzüglich auszeichnet. Die Rasiermesser schienen mir im Vergleich der französischen besser und wohlfeiler, Federmesser und Scheeren aber theurer und nicht so geschmackvoll. — Bei einem Sägenfabrikanten kaufte ich Zirkularsägen, die bei uns noch gar nicht bekannt, für Drechsler aber vorzüglich nützlich sind; es werden deren zu fünfzehn bis achtzehn Zoll im Durchmesser verfertigt. Jede Drehbank, auf; die sie vermittelst der in der Mine befindlichen viereckigten Löcher gesteckt werden kann, dient für ihren Gebrauch. Gewöhnliche Sägenblätter und Fuchsschwänze kaufte ich nur, um einen Terminus comparationis zu haben, da David Mathis von Ober-Oenz im Kanton Bern sie aus Gußstahl von solcher Güte verfertigt, daß ihnen schwerlich andere gleichkommen.

Noch blieb die Werkzeugfabrike zu besuchen übrig, die aber leider wenig Vorrath im Magazin hatte. Ein niedlicher Wendelbohrer nebst zwei dazu gehörenden verschiedenartigen Einsätzen, einige Dutzend andere Bohrer, Hohl- und Flachmeißel und sogenannte englische oder Doppel-Hobeleisen war alles, was ich bekommen konnte. Ich wählte alles von Gussstahl, obschon mir der Fabrikant die gleiche Gattung von gewöhnlichem Stahl mit Gewalt aufdringen wollte. Um mir zu zeigen, welche Arten von Werkseugen er sonst noch verfertigen lasse, holte er ein Buch herbei, worin gegen dritthalbhundert Zeichnungen von denselben in natürlicher Größe und Proportion eingetragen waren. Ich fragte ihn, ob er mehrere Exemplare davon habe, und wie theuer er dieses verkaufe; er wollte aber nichts davon wissen. Nach langem Hin- und Herreden, und vorzüglich aus Gefälligkeit für Hrn. R., der sich sehr dafür verwendete, erhielt ich es endlich in einem noch ziemlich mäßigen Preis. Diese Acquisition sah ich für eine der wichtigern an, die ich in England machte. Besorgt, es möchte ihn wieder reuen , und ängstlich, es zu verlieren, packte ich alles zusammen und trug es selbst in meine Wohnung, obschon er mir wiederholt anbot-, es durch Jemand von seinen Leuten hinbringen zu lassen. Nachdem ich abgeladen hatte, ging ich mit Hrn. R. nach dem Fontin-House, um dort von Hrn. Yeates und Hrn. B., der auch noch angekommen war und eine Note seiner Stahlpreise mitgebracht hatte. Abschied zu nehmen.

In Sheffield wie in R. hatte ich nun Alles besichtigt; aber um meinen Plan in seiner ganzen Vollständigkeit auszuführen, hätte ich noch gern H—n’s Gußstahlmanufaktur zu A. gesehen; doch zweifelte ich an der Möglichkeit, weil ich wohl einen kleinen Auftrag, aber durchaus keine Empfehlung hatte, und die Herren W. et R. nicht in Anspruch dafür nehmen wollte, weil sie Konkurrenten waren. Auf mein Glück vertrauend machte ich mich indessen denselben Abend noch auf den Weg, um keine Zeit zu verlieren. Ich hatte zu meiner Verwunderung einige Mühe , die Wohnung von H—n zu erfragen, die, als ich dazu gelangte, ihrem Aeußern nach meiner Erwartung nicht entsprach. Beim Eintritt in das Zimmer ebener Erde war eine Frau mit einem kleinen Kinde, nebst zwei tabakrauchenden Mannspersonen da. Zweifelnd, ob ich am rechten Orte sei, fragte ich nach Hrn. H—n. „Ich bin es selbst, erwiederte einer dieser Herren: was ist Ihr Begehren?“ — Ich versetzte: ,,Da ich von einem meiner Freunde, Hrn. D. Z. in W—r, den Sie wahrscheinlich auch kennen, den Auftrag erhalten, bei meiner Durchreise durch Sheffield dünnen Gußstahldrath zu kaufen, so glaube ich denselben nirgends besser bekommen zu können, als bei Ihnen; überdies wird es Hrn. D. Z. treuen, Nachrichten von Ihnen zu erhalten, da Sie, wie ich glaube, ehemals selbst einige Zeit sich in W—r aufhielten.“ — „Das war mein Bruder, sagte er: er lebt aber nicht mehr. Den Stahl will ich Ihnen im Magazin zeigen.“ Mit diesen Worten führte er mich durch die an das Zimmer anstoßende Küche in einen kleinen Hof, worin das offenstehende Schmelzgebäude sich befand, und wo einer der Oefen von der kurz vorher beendigten Schmelzung inwendig noch glühete. „Hier machen wir unsern Stahl,“ sagte er, während sein zweiter Bruder auch zu uns kam und stille stand. Ich hätte also auch keine Veranlassung wegzugehen, und fand bei genauer Besichtigung, daß Tigel und Oefen von gleicher Art waren, wie die der Herren W. et B., oder daß vielmehr wahrscheinlich H—n, der die erste Fabrik dieser Art gründete, jenen zum Vorbild gedient hatte, so wie vielleicht auch von seinen Arbeitern anderwärts hingegangen sind. Hingegen aber bewies mir die Schlake, daß H—n seinen Zusatz dehnoch geheim zu halten gewußt hat, und daß sein Stahl und der meinige daher eine Eigenschaft besitzen, die keinem andern gemein ist, und daß weder W. et B oder der sogenannte Marshalstahl, noch der von P. et C. in Birmingham diesem beikommen werden. In dem Magazin war viel Stahl vorhanden, besonders gewalzte Bleche. Ich ersuchte Hrn. H—n um eine Preisnote seines Stahls, den er im Durchschnitt um fünfundzwanzig Prozent theurer hält, als die andern Fabrikanten. Nachdem er sie ausgefertigt hatte, zeigte er mir die den Nummern entsprechenden Muster, in Stägelchen von vier Zoll Länge, alle mit seinem Namen gestempelt, von dem dünnsten runden, flachen oder viereckigten, bis zum dicksten gleicher Gattung. Ich ersuchte ihn, mir diese gegen Bezahlung zu überlassen; er wollte Sich aber anfänglich nicht dazu verstehen, bis ich sagte, es würde mich freuen, diese Muster zu den kleinen Feilen und Grabsticheln, die ich auch von ihm gekauft hatte, zu haben, wo er mir sie endlich erließ; ich mußte sie aber verhältnißmäßig theuer bezahlen.

Nun hatte ich Alles erlangt, was ich mir als Ziel meiner Reise vorgesetzt hatte. Der wesentliche Nutzen bei obigem Umstand war für mich zwar nicht groß, denn ich muß den Stahl immer nach den Dimensionen schmieden, wie man ihn von mir verlangt; aber es schmeichelte meiner Eigenliebe, weil ich mir es einmal in den Kopf gesetzt hatte, nirgends unverrichteter Sache wegzugehen. Die Freude über dies Gelingen wurde aber bald durch eine etwas kitzliche Szene unterbrochen. — „Wollen Sie,“ sagte H—n, da ich schon an der Thür war und Abschied nahm, „mir Ihren Namen zurücklassen?“ Zugleich gab er mir Papier und Feder. Es fuhr mir wie ein Blitz durch den Kopf, er könnte vielleicht schon von mir gehört haben, und es möchte ihm dann mein Besuch und Aufenthalt unangenehm sein; doch dachte ich: du hast deinen Namen noch nie verläugnet, und es soll auch jetzt nicht geschehen, und schrieb auf das Blatt: Johann Konrad Fischer von Schafhausen. Er nahm das Blatt, las und sagte: „Diesen Namen kenne ich; es ist ein Stahlfabrikant in der Schweiz, der so heißt.“ — Ich erwiederte gefaßt: „Ich glaube es auch; aber woher wissen Sie dies, wenn ich fragen darf?“ — „Lesen Sie diesen Brief,“ sagte er, indem er eine Schublade öffnete: „er ist aber noch an meinen verstorbenen Vater.“ — Dieser Brief war von dem nun ebenfalls verstorbenen, Hrn. v. K—s aus W., der den alten H—n wohl gekannt hatte, und enthielt einen Vorschlag; daß Hr. H—n zwei seiner besten Arbeiter, mit den nöthigen Kenntnissen ausgerüstet, nach W, schicken solle, um dort in der Gußstahlfabrik, die er mit ihm auf gemeinschaftliche Rechnung errichten wolle, zu arbeiten. Und um alle Besorgniß zu heben, sagte er ferner: wenn er etwa befürchte, sein Geheimniß Jemand Andern, mitzutheilen, so müsse er ihm nur bemerken, daß ein gewisser Hr. Fischer schon seit einigen Jahren mit gutem Erfolge Gußstahl von vorzüglicher Qualität verfertige, und er also in jedem Fall einen Konkurrenten habe.

Ich gab Hrn. H—n den Brief mit der Frage zurück: warum sein Vater den Vorschlag nicht angenommen habe? — Er gab mir die Gründe an, und ohne mich weiter zu fragen, ob ich erwähnte identische Person sei, lud er mich sehr angelegen auf den folgenden Tag zum Mittagessen ein; ich mußte es aber ablehnen, weil ich schon einen Platz in der des Nachts von Liverpool anlangendes und nach London gehenden Mail-Coatch (auf den Fall, daß noch einer frei sei) genommen hatte. Sein Bruder hatte indeß noch die Gefälligkeit, mich zu einem Messerschmied zu begleiten, da ich recht gute Federmesser von seinem Stahl zu haben wünschte, um einen Vergleich mit andern anstellen zu können.

Es war schon Nacht, als ich wieder nach Sheffield zurückkam. Ich ging nicht zu Bette, weil ich genug zu thun hatte, die eingekauften Sachen zu packen und die Vorfälle des Tages zu bezeichnen.