15. August 1815. – Geschäftsbesuch bei Häring, Optiker im Palais-Royal – Stadtbesichtigung – Besuch des Théatre des Variétés ... 18. August Abreise nach Calais.

Am 15. August war, wegen eingetretenen Maria-Heimsuchungsfestes, in Paris Niemand Geschäfte halber zu sprechen, und die Laden geschlossen. Vormittags stattete ich indessen bei Häring, Optiker im Palais-Royal, einen Besuch ab, probirte auf der Zinne seinem Hauses ein achromatisches Fernrohr, und besichtigte seine Maschine, um die Auszugröhren von Messing oder plattirtem Kupfer, für die Tubi, wenn sie zusammengelöthet sind; über stählerne Zylinder durch dergleichen Ringe rund und gerade zu ziehen, welches das Zusammensetzen optischer Instrumenta ungemein erleichtert, und das Ineinanderfallen der Axen und die Konzentrizität der Gläser weit besser sichert. Die Maschine ist einfach und wirksam, und zu Ersparung des Raums im engen Zimmer, bewegen sich die Zylinder vertikal statt horizontal durch die Ringe. Die Mechanik daran ist die der Winde, aber noch (wiewohl ohne Nutzen, weil die Bewegung zu langsam ist) ein Schwungrad angebracht. Eine Flaschenkette, die mit dem Haken der Winde in Verbindung ist und über die Rollen geht, zieht die Zylinder mit den darüber gesteckten Röhren durch.

Nachdem ich bei Hrn. Häring aus dem Adreßbuch einige brauchbare Adressen aufgenommen und einen Plan nebst Beschreibung von Paris gekauft hatte, ging ich das Museum zu besichtigen. Seit elf Jahren, da ich es gesehen, hatte dasselbe einen sehr großen Zuwachs, besonders an herrlichen Statuen, erhalten. Die anwesende Menschenzahl rechnete ich wenigstens auf zweitausend, ohne daß man sich im mindesten drängte. Besondert waren viele Engländer da. Es that mir wohl, den seit zwanzig Jahren vermißten Laut einer Sprache wieder zu hören, die ich wegen ihres Reichthums und ihrer Energie gleich hoch schätze. Nach einem schlechten und theuern Mittagessen im Palais-Royal stieg ich noch auf die, zur Ehre, der großen Armee, von Napoleon für den Feldzug von 1805 auf dem Vendomeplatz errichtete Denksäule, die aus dem Metall der eroberten Kanonen gegossen wurde. Ihre Höhe beträgt mit dem Piedestal, ohne die nun heruntergenommene zweiundzwanzig Fuß hohe Statue des Kaisers, noch hundert und elf Pariser Fuß, und ihr Gewicht vierzigtausend Zentner. Zweihundert sechsundsiebenzig Bas-reliefs enthalten in chronologischer Ordnung die Geschichte dieses dreimonatlichen Feldzuges, von dem Abmarsch aus dem Lager bei Boulogne bis zur Schlacht von Austerlitz.


Eine im Lapidar-Styl über der ebenfalls metallenen Thüre eingegrabene lateinische Inschrift sagt: Der erhabene Kaiser Napoleon weihte diese Säule dem Ruhm der großen Armee, verfertigt aus dem eroberten Metall, in dem unter seiner Anführung binnen drei Monaten des Jahres 1805 beendigten deutschen Krieg.

Hundert und sieben Stufen fuhren in dem Innern der Säule zu ihrem Capital, welches mit einer Gallerie von Metall umgeben ist. An der darauf befindlichen Haube (Calotte) oder zylindrischem Dom, mit paräboloidischem aus einem Stück gegossenen Dach, dem gewesenen unmittelbaren Stützpunkt der Statue Napoleons, lehrt eine kurze Inschrift, daß Denon (berühmt wegen seines Werks über Egypten) die Leitung der Ausführung, nach den Zeichnungen des Architekten Lepere, gehabt habe.

Im August 1807 wurde dieses Werk, das an Reinheit des Geschmacks wenig , und in Hinsicht seiner Art nicht Seinesgleichen hat, angefangen, und im August des Jahrs 1810 ausgeführt.

Erst mit einbrechender Nacht ging ich von diesem bewundernswürdigen Monument hinunter nach dem Théatre des Variétés, um den, seiner Calembourgs und witzigen Einfälle wegen, bei dem Pariser Publikum berühmten und beliebten Brunet zu sehen. Die vorgetragenen drei Stücke waren von geringem Belang, und das Le Cocq betitelte ganz nach Schubarts deutschem Michel gebildet. Das Costume der Acteurs war durchaus, nach den vorhandenen Kupfern zu urtheilen, wie zu Moliere’s Zeiten. Es harmonirte mit den Kutschern mit großen Haarbeuteln und den Offizieren in Schuhen und Strümpfen, die man nun häufig erblickt, weil, wie es scheint um dem Hof gefallen zu wollen, das Alte wieder hervorgesucht wird.

Am 16. Vormittags ging ich zu Hrn. Belon, meinen Kreditbrief abzugeben, und dann zu Hrn. Le Page, dem berühmtesten Büchsenmacher von Paris, um ihm gebohrte Stutzer- und Pistolenläufe aus Gußstahl anzutragen, auf welche er sogleich Bestellung gab. Er zeigte mir seinen prächtigen Waffenvorrath, worunter besonders viele Pistolen mit seinen neuerfundenen Schlössern, die ohne Stein und Zündpulver vermittelst des durch den bloßen Schlag des Hahns explodirenden Muriatique oxigénée abgefeuert werden. In dem Depot der Waffenfabrik von Versailles wurde ich an den Direktor der Manufaktur. Hm. Bouty, in Versailles selbst gewiesen.

Seit dem Frieden besteht wieder eine Anstalt, um täglich nach London abgehen zu können, und zwar Mittags um zwölf oder Abends um acht Uhr, wohin man längstens in vier Tagen für die Summe von hundert und zehn Franken, die Ueberfahrtskosten aber den Kanal mit inbegriffen, gelangt. Nachdem ich mich auf den 18. hatte einschreiben lassen, ging ich nach dem Mittagessen noch nach Chaillot, um meinem Reisegefährten die dortige Dampfmaschine und die prächtige Eisengießerei des Herrn Perriers, den ich schon persönlich kannte, zu zeigen.

Er war nicht zu Hause. Von dem Sekretär erfuhr ich aber, daß es seit dem Frieden hier, wie überall, mit den Manufaktur-Anstalten schlecht gehe.

Die Abdrehung einer langen dünnen zylindrischen Kolbenstange von Eisen, zwischen Lunetten von Holz und vorgesteckten Keilen zwischen dem ebenfalls hölzernen Untersatz, und die Anwendung der Crochets ließen mich einige gute Vortheile für Behandlung solcher Gegenstände sehen, so wie die Befestigung des Formsandes in einer sechs Fuß langen Flasche, vermittelst eiserner Agraffen, mir ebenfalls merkwürdig schien.

Wer in Paris die Pässe visiren lassen soll und nicht gern fahren mag, muß seine Füße mehr als gewöhnlich in Bewegung setzen. Dies Geschäft wurde mir am 17. zu Theil, da Ringk ausgegangen war, ehe wir dieselben von der Polizei zur weitern Einsicht bei der schweizerischen Gesandtschaft und dem Minister des Innern, wo man zehn Franken für jede einzelne Unterschrift bezahlen mußte, zurückerhielten, welches Herumlaufen beinahe dritthalb Stunden Weges betrug. Nachdem ich auf dem Quai Voltaire ein Geschäft bei einem Buchhändler beseitiget hatte, ging ich auf Gerathewohl in die Münze, um die persönliche Bekanntschaft des Direktors, Herrn Gingembre, zu machen. Er empfing mich zuerst etwas kalt, weil er glaubte, ich komme als Reisender, ihm mein Fabrikat anzutragen. Da ich ihm aber gleich erklärte: dies sei der Fall gar nicht, sondern ich hätte gewünscht, in wissenschaftlicher Hinsicht seine Bekanntschaft zu machen, da er vor einigen Jahren in dieser Beziehung an mich geschrieben, wurde er sehr höflich, und fing im Laufe der Unterredung selbst an, sich Stahlpreise und Anleitung für den Bezug desselben bei mir auszubitten. Ein Stück gegossenen Stahls von einer Medaille, das ich bei mir hatte, mußte ich ihm überlassen, so wie ein Muster von dem gelben Stahl, dessen Hauptbestandttheile ein Theil Kupfer und drei Theile Stahl sind, das ihn besonders interessirte.

Beim Weggehen bat er mich noch sehr angelegentlich, mich in England über die tragbaren Dampfmaschinen ohne Condensator zu erkundigen, da er gegenwärtig auch mit Verfertigung einer solchen beschäftigt sei. Meinem Vorhaben, den schweißbaren von mir erfundenen Gußstahl, so wie den dünngewalzten Federnstahl in England bekannt zu machen, um Absatz dahin zu finden, gab er vollkommen Beifall, überzeugt, daß dieser Schweißbare Gußstahl das beste Materiale zur Verfertigung von Werkzeugen sei.

Da ich unpäßlich und sehr müde war, beschränkte ich mich auf die Besuchung einiger Quincaillerieladen und die Uebernahme eines Auftrags von Hrn. Häring nach London, und beschloß mein Tagewerk mit einem Brief nach Hause.

Da ich im Vorbeigehen bei einer Station der Pompiers auf dem Quai des Orfevres erfahren hatte, daß alle Morgen um sieben Uhr mit den Feuerspritzen manoeuvrirt werde, so ging ich, obschon noch unpäßlich, am 18. dennoch hin. Ich hatte eine große Vorstellung von ihren Löschwerkzeugen gehabt; aber sie wurde auf den ersten Anblick heruntergestimmt, indem die Spritzen alt und schlecht sind, und gewiß mehr die gute Disziplin und Gewandtheit der Spritzenleute nebst deren Anzahl (es sind vierzig Posten oder Stationen in Paris) zu schneller Löschung beitragen, als die Wirksamkeit der Werkzeuge, die ihrer Einrichtung nach nicht mehr als acht Mann zur Bearbeitung gestatten, und den Wasserstrahl kaum achtzig Fuß weit tragen. Die Schläuche sind von Leder und, was mir auffiel, nicht eingeschmiert, darum aber auch schlecht. Ich versprach dem kommandirenden Offizier (denn sie sind militärisch organisirt und so gekleidet und bewaffnet) hundert Fuß hänfene, ohne Nath gewobene Schläuche, die er gar nicht kannte und über deren wohlfeilen Preis, er sich wunderte, bei meiner Zurückkunft nach Hause zur Probe zu übersenden. Die Spritze, die ehemals dem Kaiser auf seinen Reisen folgte und durch Leute von der Garde bedient wurde, war im gleichen Magazin; sie unterschied sich aber von den andern nur durch Neuheit und die Einrichtung des Wagens, der ohne den Raum für die Spritze, die auf- und abgehoben werden konnte, noch vier Sitze für die Bedienung hatte. Nach nochmaligem Gang auf die Prafektur der Polizei wegen meines Passes, und einem elenden Mittagessen in der Nähe des Bureau des Messageries, fuhren wir Nachmittags um ein Uhr aus Paris ab.

Weder unsere Reisegesellschaft (die aus einem unwissenden Schottländer, einem ehemaligen Sergeant in englischem Dienste aus Hannover, einem Kaufmann aus Calais und einem Frauenzimmer aus Paris bestand), noch die Oerter, die wir durchreiseten, verdienen große Erwähnung. Unreinlichkeit und ärmliches Aussehen bemerkte ich auffallend in Amiens, wogegen Boulogne sur mer sehr vortheilhaft abstach; sei es nun wegen der Nähe Englands und des Verkehrs mit dieser Insel; oder daß überhaupt den Seestädten der Nordsee und des Kanals eine größere Reinlichkeit eigen ist.