Mit dem Gange, den seine Erziehung bis dahin genommen hatte, war der Erbprinz in reifen Jahren nicht durchweg ...

Mit dem Gange, den seine Erziehung bis dahin genommen hatte, war der Erbprinz in reifen Jahren nicht durchweg einverstanden. Am 4. Dezember 1816 schrieb er an den Gouverneur seines Sohnes Paul Friedrich, den Legationsrath von Schmidt: „Zu meiner Freude sehe ich, lieber Freund, daß sich unsere Gedanken oft begegnen. Ich war im Begriff Sie zu befragen, ob Sie es nicht angemessen hielten einen kleinen Anfang zu machen, meinem Sohne mehrere Freiheit zu gestatten, und nun leget mir Ihr Brief vom 20ten November ganz dieselbe Frage vor. Ich erinnere mir sehr deutlich, daß man es mit mir nicht so gemacht hat, und daß man Unrecht hatte. Bis zu dem Tage, daß mein Hofmeister mich verließ, ich war 19 Jahre alt, war ich unter steter Aufsicht und konnte nicht allein über die Straße gehen. Dies war ohne Zweck, denn ich hörte, sah und tat Manches mit doppeltem Eifer, was mir weit weniger interessant geschienen haben würde, wenn ich nicht gerade, der mir darin gelegten Schwierigkeiten wegen, eine doppelte Neugierde daran gefunden hätte. Nachtheiliger indessen als dies, ist es mir geworden, daß ich dadurch nicht den Grad von Selbstständigkeit erlangt habe, der dem Manne ziemt; noch heute wenngleich ich nahe an die 40 bin, betreffe ich mich oft auf einer Unentschlossenheit, die ich Zaghaftigkeit nennen mögte, und die ich nur mit Mühe überwinde. Ich glaube, daß es einem jungen Menschen vortheilhaft ist zuweilen seine Handlungen selbst zu bestimmen und nicht immer sich von Anderen leiten zu lassen; einem jungen Prinzen scheint dies noch notwendiger, daß er aus eigener Erfahrung lerne, wie es in der Welt zugeht und sich selbst zu führen lerne. Der Fürsten Schicksal ist es ohnehin so oft und so viel durch die Augen Anderer sehen zu müssen. Gehet er in einigen Jahren auf die Universität, so wird es selbst lächerlich gegen Andere ihn in großer Abhängigkeit zu erhalten, und erst dann anzufangen ihm mehr Freiheit zu gestatten, würde dann auch den Nachtheil haben, daß er unbekannt mit den Menschen und der Welt sich in manchen Lagen und Vorkommenheiten nicht zu benehmen wissen würde. Fast alle jungen Leute, wenn sie das väterliche Haus verlassen, müssen sich allein durchhelfen, und wenn nur der fond gut ist, so giebt gerade das Alleinstehen dem Charakter eine gewünschte Festigkeit.“ Und über den allzu frühen Besuch der Universität schrieb er an denselben am 20. Dezember 1815: „Ganz gewiß werde ich meinen Sohn nicht vor dem 20ten Jahre eine Universität beziehen lassen, den Nachtheil des Gegentheils habe ich nur zu sehr an meinem eigenen Beispiele erfahren, und fühle davon täglich die unangenehmen Folgen.“

Im Herbst 1795 schloß der Erbprinz seine akademischen Studien ab und trat eine größere Bildungsreise an. „Nach drey auf der Universität zu Rostock recht glücklich und, wie ich hoffe, nicht ohne Nutzen zugebrachten Jahren beschloßen meine guten Aeltern mir auf einige Jahre eine Reise durch die merkwürdigsten Länder Europens thun zu laßen“ - so beginnt sein am 30. November 1795 angefangenes Reisejournal. „Ich hoffe daß diese interressante Reise nicht allein meinen, einem jeden jungen Menschen eigenen Trieb die Welt zu sehen befriedigen wird, sondern ich hoffe mit göttlichem Beistande meine Kenntnisse zu erweitern, aufmerksam auf alles was sich mir darstellen wird zu achten, und nach Vollendung dieser meiner Pilgerjahre durch die mir zu erwerbenden Kenntniße, einst meinem Vaterlande nützlich zu werden.“


Der Prinz verließ Schwerin am 2. Dezember. Er reiste unter dem Namen eines Grafen von Grabow; seine Begleiter waren sein Gouverneur, der nunmehrige Oberst von Lützow, und sein zum Justizrath ernannter Instruktor Josua Friedrich Passow. Die Reise gieng - um nur die Hauptstationen zu erwähnen - über Lüneburg nach Braunschweig, dann nach Hannover, Göttingen, Cassel, Eisenach, Gotha, Meiningen, Hildburghausen, Coburg, Rudolstadt (von wo ein Abstecher nach Schleiz gemacht wurde), Weimar, Dessau, Leipzig, Dresden, Freiberg, Chemnitz, Prag, Wien, München, Regensburg, Nürnberg. Dann traf den Prinzen eine Einladung seiner Base, der meklenburg-strelitzischen Prinzessin Therese, die seit 1789 mit dem Erbprinzen Carl Alexander von Thurn und Taxis vermählt war und in Dischingen in Schwaben residierte. Dieser Einladung folgte Friedrich Ludwig frohen Herzens; er verlebte eine Reihe beglückter Tage im Verwandtenkreise und trennte sich nur schwer von der ihm sehr zusagenden fürstlichen Familie, um seine Reise durch die Schweiz nach Italien fortzusetzen. In Schwäbisch-Gmünd aber setzten die politischen Ereignisse seinen „Pilgerjahren“ ein Ziel. Moreau hatte bei Kehl den Rhein überschritten, die Franzosen überschwemmten Schwaben. So kehrte der Prinz nach Dischingen zurück und erbat und erhielt von seinem Vater die Erlaubniß zur Heimkehr, die auf einem Umwege bewerkstelligt wurde. Als die Thurn und Taxis’sche Familie Dischingen flüchtend verließ, gieng Friedrich Ludwig nach München, von da ins Salzkammergut und dann über Linz, Prag, Carlsbad, Leipzig und Dessau in die Heimath zurück: am 18. August 1796 traf er in Ludwigslust ein und schloß sein Journal mit den Worten: „Gewiß fühle ich ganz meine Glückseligkeit jetzt wieder in Mecklenburg im Kreise der Meinigen zu seyn.“