Lernbegierig wie er war hatte Friedrich Ludwig ein offenes Auge für alles Neue, was sich ihm darstellte. ...

Lernbegierig wie er war hatte Friedrich Ludwig ein offenes Auge für alles Neue, was sich ihm darstellte. In Lüneburg sah er die erste Chaussee (die Meklenburg erst 1826 erhalten sollte), in Eisenach die erste Straßenbeleuchtung durch Laternen, die mitten über der Straße hängend an Stricken und Rollen befestigt waren - eine Einrichtung, deren die Stadt Schwerin erst 1823 theilhaft wurde -, am Königssee nach so vielen künstlichen den ersten natürlichen Wasserfall und vermerkte das alles als sehr interessant in seinem Tagebuch, für welches er einen größeren Kreis von Lesern im Auge gehabt zu haben scheint, denn es heißt einmal bei der Beschreibung des Aufenthaltes in Wien: „Ich fange an zu merken, daß die Begebenheiten meines journals so ziemlich alltäglich werden, und sich oft repetiren, ein Beweis daß wir nunmehr lange genug in Wien gewesen sind und so ziemlich alles gesehen haben. Ich bitte also die Leser dieser Zeilen um Verzeihung und danke ihnen für ihre Geduld so weit es gelesen zu haben, bitte aber zugleich um dieselbe auch in Zukunft.“ Jenseit Cassel zerbrach sein Reisewagen und „da auf einer jeden Station ein anderer Wagen genommen werden mußte, so habe ich denn auch erfahren wie es tut auf der ordinairen Post zu fahren. Man hat jedoch allenthalben bedeckte Postwagen, eine Sache die uns in Mecklenburg beinahe gänzlich mangelt, und die doch für Reisende so notwendig ist.“ Wo er Werkstätten, Fabriken, wissenschaftliche oder Wohltätigkeitsanstalten u. dergl. besichtigte, war er ein aufmerksamer Beobachter und suchte in seinem Reisejournal das Gesehene bis ins Einzelne genau zu beschreiben, so die Salzwerke in Lüneburg, in Hallein, in Reichenhall und ein Bergwerk in Freiberg, die Ateliers für das Bemalen und Brennen des Fürstenberger Porzellans in Braunschweig, die Geschützgießerei in Hannover, die Sternwarte auf dem Seeberge bei Gotha, die Fabriken in Chemnitz, die Breitkopf’sche Druckerei und die Armenschule in Leipzig - „ich wünschte in meinem Vaterlande einst eine so eingerichtete Schule zu sehen, woran es uns noch fehlt“, bemerkt er dabei -, das Taubstummeninstitut, die chirurgische Akademie und die Porzellanmanufaktur in Wien u. s. w. Auffällige Gebräuche bezw. Mißbräuche verfehlt er nicht als solche zu verzeichnen: „Ein sonderbarer Gebrauch in Wien ist es, daß wenn man irgendwo zu Mittage oder zu Abend gebeten wird, am anderen Morgen der Portier und die Bedienten kommen und sich höflichst ein Trinkgeld ausbitten, das der angenommenen Norm nach 2 Gulden an den Portier und 1 Ducaten an die Bedienten beträgt. Dies heißt sein diner theuer bezahlen, jedoch den ennui hat man dabei gratis, denn derselbe ist bei solchen grossen diners unvermeidlich und im vollen Maaße. Ich gestehe daß ich diesen Gebrauch sehr sonderbar und für die Hausherren selbst nicht sehr ehrbringend finde, denn es sieht doch offenbar aus als wenn man seine Leute nicht hinlänglich besolden könnte, allein vielleicht gehört dieses zum guten Ton, denn man findet es häufig genug in der grossen Welt, daß man du haut und du bas gewöhnlich vereiniget findet.“

So empfänglich der Erbprinz für landschaftliche Schönheit ist, so bringt er doch dem Gebirge nur geringe Sympathie entgegen. „Dieses ist die erste Berggegend, die mir wirklich gefallen hat“, schreibt er über das Schwarzathal, „ich ziehe sonst bis jetzt unsere vaterländischen Ebenen vor.“ Und selbst im Salzkammergut bekennt er: „Freilich haben die Berge etwas imponirendes, großes und schönes, aber auf mir machen sie eben keinen großen Eindruck, da ich die flachen Gegenden ungleich lieber habe.“ An den zahlreichen Höfen, an denen er sich vorstellte, wurde Friedrich Ludwig durchweg freundlich, zum Theil herzlich aufgenommen, und er war dankbar dafür. Aber er wahrte sich auch den Höfen gegenüber die Freiheit des Urtheils, dem er gelegentlich einen für seine Denkungsweise bezeichnenden Ausdruck gab. In Braunschweig ist ihm der Herzog [Carl Wilhelm Ferdinand] „ohnstreitig - ein bei Fürsten seltener Fall - der interressanteste Mann an seinem Hofe.“ Er erwähnt rühmend, wie der Herzog die Liebe aller seiner Unterthanen genieße; in Cassel dagegen, wo die vielen zwecklosen Prachtbauten das Bedauern des jugendlichen Reisenden erregen, sei der Landgraf Wilhelm IX. von Niemandem geliebt, von Allen gefürchtet. In Hannover kommt es ihm „sonderbar vor, einen Hof ohne Herrn zu sehen. Obgleich letzterer fehlt, so fehlt es dennoch nicht an der strengsten etiquette, welches dem Hofe sowie im allgemeinen den Gesellschaften eine unangenehme Steifigkeit giebt.“ Strenge Etikette war dem Prinzen durchaus zuwider. Von dem Kurfürsten Friedrich August von Sachsen, der im übrigen als „ohnstreitig einer der besten Regenten Teutschlands“ gepriesen wird, heißt es: „Zu beklagen ist es, daß er so sehr an die Etiquette klebt und dadurch sich abhalten läßt einen jeden zu sprechen, denn es hält ausserordentlich schwehr ja es ist beinahe ohnmöglich selbst ihm Sachen vorzutragen. Er ist nur immer mit dem Adel umgeben und hört nur ihn, und erfährt also oft wohl nicht die Beschwehrden der Unterthanen, denen er sonst sicher immer gleich auf der Stelle abhelfen würde.“ Weit behaglicher als in Dresden fühlte sich der Prinz beim Landgrafen Ludwig X. von Hessen-Darmstadt, der, von den Franzosen aus seinem Lande vertrieben, in Eisenach, im Lande seines Schwagers Carl August von Weimar, eine Zuflucht gefunden hatte. „Mittags aßen wir an Hof“, berichtet das Reisejournal, „oder vielmehr beim Landgrafen von Darmstadt, denn man sieht auch keine Spur von Etiquette und Hof bei ihm; der Landgraf, seine Gemahlin, seine Famielie und die ganze kleine Gesellschaft leben völlig wie Privatleute, und machen gleichsam nur eine Famielie aus. O möchten doch so manche Fürsten Teutschlands diesem Beispiele folgen, alsdann würden sie erst finden was wahre Glückseligkeit ist, die sie jetzt so fälschlich oft in dem Glanze ihres Hofes und der Zahl ihrer Höflinge suchen.“ -