7. September. Morgens um fünf Uhr Ankunft in Widdin.

7. September. Morgens um fünf Uhr Ankunft in Widdin. Wir steigen aus. Ein paar recht gebildete macedonische Griechen, die in Orsova zu uns gestoßen, führen den altern Holländer und mich in die Stadt. Ein elenderes Nest kennt die Erde nicht. Bazar, sozusagen. Straße der Fleischer. Furchtbares Pflaster. Steigen in den äußern Gang der Moschee empor. Der Tempel ganz leer. Eine Art Hühnertreppe führt zu einer Art Kanzel hinan. Die Fenster mit farbigen Gläsern. Ungeheure Lampen und Kronleuchter. In einem Winkel am Boden lauert der Priester und singt in klagendem Tone Gebete herab. Die Griechen führen uns beim griechischen Erzbischof ein. Einer der schönsten Männer, die ich je gesehen, bei oder über sechzig Jahre, weiße Haare und Bart, die Hände noch weißer, wenn möglich. Wir sagen uns Komplimente, die die Macedonier verdolmetschen. Man bringt Pfeifen, eingemachte Früchte und Kaffee. Die Abfahrt des Schiffes nötigt zum Abschied. Das Dampfboot hat sich indes mit Türken, Bulgaren, Juden und Jüdinnen samt Familie gefüllt, so daß wir einer türkischen Kolonie gleichen. Die Kinder amüsieren sich auf kleinen Nürnberger Trompeten. Die ganze Gesellschaft frühstückt mit Weintrauben, Melonen, stinkendem, mit Ochsenschmalz, vulgo Unschlitt, bereitetem Brot, wozu sie Wasser trinken, so daß sich einem vom Ansehen der Magen umwendet. Ein reicher Kaufmann, der einen Bedienten zur Begleitung hat, ausgerüstet wie ein Zeughaus. Kaffee um acht Uhr, Gabelfrühstück um neun Uhr, so daß wir eigentlich viel ekelhafter uns gehalten als die Türken. Doch die Not zwingt zu essen auch ohne Hunger, denn das Mittagmahl soll erst um vier Uhr stattfinden. Angenehmer Reisetag, das Wetter, den Wind abgerechnet, besser als an den vorigen Tagen. Die ab und zu kommenden Türken, halb Pracht und halb Lumpen, bringen Abwechslung in die Scene. Der bosnische Kaufmann, ein goldgesticktes Schnupftuch vor sich und Löcher in den Strümpfen. Die Donauufer so abgeschmackt wie immer, mit kurzen Unterbrechungen durch leidliche Gegenden. Meine Homerlektüre kommt ins Stocken, da ich in der Betäubung manche Stelle nicht ganz verstehe. Nikopolis. Nachts liegen wir in Sistow still. Hatte Thee getrunken, konnte nicht einschlafen. Verdächtiges Gekrabbel über den Körper. Der alte Engländer, begleitet von dem altern Holländer, schnarcht. Der junge Engländer kramt bis Mitternacht herum. Die walachischen Schildwachen von Sistow her rufen sich unaufhörlich an. Das Kalb, das unser morgendes Mittagmahl bilden soll, blökt auf dem Verdecke. Jeden Augenblick Störung durch einen Aufstehenden, der über die Lagerstätten hinwegsteigt. Endlich doch mit Unterbrechung geschlafen. Gegen vier Uhr das letzte Mal erwacht. Die beiden macedonischen Griechen nehmen Abschied. Das Schiff setzt sich in Bewegung.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Tagebuch auf der Reise nach Griechenland. 1843