16. September. Gestern schon hatte uns Herr Surmont ...

16. September. Gestern schon hatte uns Herr Surmont angekündigt, daß er durch den holländischen Gesandten einen Ferman zur Besichtigung der Moscheen für heute erhalten habe. Wir gingen daher um neun Uhr morgens zu ihm, oder vielmehr er kam uns auf dem Wege entgegen. Es hatte sich eine zahlreiche Gesellschaft eingefunden, und wir machten uns alle auf den Weg über die Hafenbrücke nach Konstantinopel. Die erste Moschee, die wir besuchten, war die Sultan Solimans, nach Sancta Sophia die größte und am meisten bewunderte. Diese kolossalen Porphyrsäulen, aus denen man nichts zu machen gewußt hat als Strebepfeiler für darauf gestützte Bogen, diese Bogen selbst, die von weiß und schwarzem Marmor gestreift, die Idee der Festigkeit und Tragekraft aufheben, welche die Idee des Bogens ist; die kahlen Wände, durch nichts unterbrochen, machten einen ungünstigen Eindruck auf mich. Dazu diese Menge von Lämpchen und Lampen, die auf Reifen und spinnenähnlichen Kronleuchtern über dem Kopf des Beschauers schweben. Das Gemisch edler Säulen und abgeschmackter Barbarei. Das Ganze macht einen wüsten und mäßigen Eindruck. Mir gefiel es nicht. Prächtig und würdig zugleich ist das daneben stehende Grab Suleimans, wo er mit zwei Söhnen und drei Weibern bestattet liegt. Die Wände mit einer Art buntem Porzellan überzogen, die Geländer mit Schildpatt und Perlmutter eingelegt. Auf dem Sarge der kaiserliche Turban mit zwei Reiherbüschen.

Es fing jetzt an zu regnen und wir mußten uns mit Parapluies bis Nur Osmani, einer kleinern, aber sehr hübschen Moschee, durcharbeiten. Sie ist ohne Prätention, ohne mißbrauchte Säulen ganz in orientalischem Stile gebaut, freundlich und hell, und gefiel mir deswegen.


Dasselbe ist mit der ungleich größern Moschee Sultan Achmeds der Fall auf dem Atmeidan mit dem Obelisk und der Säule Konstantins, die wir heute des Regens wegen nicht näher besehen konnten. Auch sie ganz maurisch mit Ungeheuern gemauerten Tragesäulen, auf denen die Gewölbe ruhen, im Innern.

Von da nach St. Sophia. Da unterdessen die Gebetstunde gekommen war, wurden wir nicht eingelassen, und setzten uns, um abzuwarten, vor einem nahebei liegenden Kaffeehause nieder, wo Pfeifen und Kaffee, wie natürlich, gereicht wurden. Mittlerweile hatte sich noch ein Anstand erhoben. Der geistliche Vorsteher weigerte sich, mehr Personen einzulassen, als in dem Ferman angegeben waren, nämlich zwei, indes unsere Gesellschaft beinahe aus dreißig bestand. Die Verdopplung des gewöhnlichen Geschenks hob auch diese Schwierigkeit. Wir wurden eingelassen, vorderhand aber nur in die Emporkirche. Es ist schwer, eine Beschreibung von dem Eindruck zu geben, den dieses Gebäude macht. Ich habe nichts Kirchliches gesehen, was sich damit vergleichen ließe. In rötlich grauen Marmor gekleidet, der an mehreren Stellen höchst glücklich von Tafeln dunklerer Farbe unterbrochen wird, hat das Ganze ein ernstes, aber keineswegs finsteres Ansehen wie die gotischen Kirchen. Die herrlichen Säulen müssen zwar hier auch Bogen tragen und sind noch dazu doppelt übereinander gestellt, aber die der Kuppel zur Stütze dienenden Pfeilerwände geben einen so massigen Gegensatz, daß eines durch das andere gehoben und getragen wird. Die Mosaiken der Kuppel und Decke sind von den Türken überweißt morden. Man beklagt dies mit Recht, vielleicht aber auch ist das Ganze durch sie schwer geworden, wie in St. Markus zu Venedig. Den Fußboden haben die Türken durch Legen der Teppiche ganz ins Schiefe gezogen, um die Richtung nach Mekka zu erhalten. Man führte uns endlich auch ins Erdgeschoß hinab, obschon das Gebet noch nicht vorüber war. Die Versammlung belief sich nicht auf viele Personen. Darunter mehrere Pilger aus Mekka, dunkle, sonnenverbrannte Araber und ein wunderlicher Kerl, ein Verrückter, wie uns der Lohnbediente sagte. Mit einem ungeheuern, wenn ich nicht irre, grünen Turban, scharlachrotes Kleid bis an die nackten Kniee reichend, den Gürtel besteckt mit Dolchen und Pistolen, eine Art Hellbarde auf der Schulter, Er ging wie der Hahn auf dem Miste umher und maß uns mit zornigen Blicken. Auch unter den arabischen Pilgern schien sich eine erregte Stimmung zu verbreiten, und endlich riet uns der Kawaß, der uns begleitete, fortzugehen, da es sonst zu einem Ausbruche kommen könne. Wir folgten seinem Rate, und am Ausgange verabschiedete uns der verrückte rote Kerl, oder ein ihm ähnlicher, da ich nicht begreifen kann, wie der andere vor uns aus der Thür kommen konnte. Auch trug er diesmal statt dem Spieß eine Fahne. Er sah uns furchtbar an und stieß einen Schrei aus, der zwischen dem Wiehern des Pferdes und dem Krähen des Hahnes die richtige Mitte hielt. Es mochte wohl eine Drohung oder Beschimpfung sein. Das Serail, obwohl unser Ferman auch darauf lautete, konnten wir nicht besehen, da der Sultan eben am nämlichen Tage es bezogen hatte. Wir begnügten uns daher mit dem innern des ersten Thores in der ehemaligen Irenenkirche liegenden Zeughause, das höchst unbedeutend ist.

Nun war aber noch das Wichtigste zu thun, nämlich nach Hause zu kehren, während es in Strömen goß. Wagen gibt es bekanntlich in Konstantinopel nicht, und unsere Wohnung war leicht eine volle Wegstunde entfernt. Es blieb keine Wahl. Wir stürzten uns in den Platzregen, ließen uns in einem bereits tüchtig durchweichten Kaïk übersetzen und kamen endlich, durchnäßt wie nie in meinem Leben, in unserer Wohnung an. Das bald darauf folgende Mittagmahl verbannte die eisige Kalte aus den Gliedern, und wir konnten abends dem Gesandten einen Besuch machen und so liebenswürdig sein, als es die Umstände erlaubten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Tagebuch auf der Reise nach Griechenland. 1843