Sonntag, 8. Mai. Bessere Nacht, Kopf und Magen noch immer leidend ... aber ohne fieberhafte Zufälle.

Sonntag, 8. Mai. Bessere Nacht, Kopf und Magen noch immer leidend ... aber ohne fieberhafte Zufälle. Gleich des Morgens kommt der eine meiner guten Schweden, Carlson, um mir zu sagen, er und Hagberg hätten ihre Gesellschaft nach Versailles aufgegeben, um mit mir hinauszufahren. Die Sonne scheint. Es verspricht ein hübscher Tag zu werden. Glücklich, daß les grandes eaux sich diesmal auf die Fontänen beschränken werden.

Wir gehen zu drei nach den Champs élysées und nehmen Platz in einem Coucou, zu vier, sage vier Francs die Person. Bis zu dieser Unverschämtheit haben es die Wiener Zeiselkutscher noch nicht gebracht. Zwei solche Fahrten zahlen dem Kerl Pferd und Wagen.


Die ganze Straße mit Fuhrwerken aller Art bedeckt. Postchaisen, Gondoles, Parisiennes, Citadines, Kabrioletts, reich und arm, die ganze Strecke von vier Lieues eine Reihe von Gespannen. Unser Kutscher überhäuft die vornehmen Equipagen mit Grobheiten, die seinem Karren im sausenden Fluge zu nahe kommen. Die Gegend wirklich schön. Endlich Sevres erreicht, der halbe Weg. Wir halten an. Der Fuhrmann gibt seinem Pferde etwas Heu, so sparsam, als ob es Biskuit wäre. Indes fliegt die tolle Jagd unausgesetzt an uns vorüber. Die Gondoles mit fünf Pferden in gestrecktem Galopp. Die Restaurants machen gute Geschäfte. Man trinkt sich aus den Wagen und den Wirtshausfenstern wechselseitig zu. Endlich wird eingesessen. Wir hatten unser zweites Frühstück auf Versailles verspart. Rechts am Wege zeigt sich St. Cloud, links, wenn ich nicht irre, Meudon. Hübsche Lage. Endlich hält die Wagenreihe. An der Barriere von Versailles wird visitiert. Das ist noch dümmer als bei uns. Endlich la grille. Die Wagen stürmen von neuem vorwärts. Das Schloß liegt vor uns, wir steigen aus.

Das Schloß präsentiert sich von der Stadtseite nicht gut. Ineinander geschachtelte Gebäude, widerlich bemalt, an die man vorn einige griechische Dinge angebaut hat. In den Garten. Dahinaus geht die Hauptfassade. Prächtig, ungeheuer. Doch verliert der Eindruck dadurch, daß das Mittelgebäude zu weit vorragt und dadurch die zurückweichenden Flügel dem Betrachter verkürzt. Das Schloß von Schönbrunn präsentiert sich, bei aller Albernheit seines Baustiles, besser. Ebenso die Hauptansicht des Gartens. Der von Schönbrunn durch den Hügel mit der Gloriette schön abgeschlossen, hier geht die Aussicht auf ewig lange Wasserstücke, die etwas Lachenartiges haben und sich wie Ueberschwemmungen eines ausgetretenen Flusses ausnehmen. Ueberhaupt zu viel Wasser im Garten. Der Fontänen kein Ende. Doch auf diese war es ja, zur Feier des königlichen Namenstages, heute abgesehen. Auch von unten, an der schönen Gruppe des Neptun im großen Teiche, nimmt sich das Schloß nicht zum besten aus. Die Treppe, die sich von der obersten Terrasse herabsenkt, sieht in der Ferne wie eine Mauer aus, und von Menschen besetzt, glaubt man eine belagerte Stadt zu sehen.

Die oberste Terrasse nach beiden Seiten großartig. Das Mittelstück des Gartens nicht so imposant als in Schönbrunn. Man muß sich diesen Garten erst zusammensuchen. Man hatte uns gesagt, die Wasser würden um ein Uhr springen. Hier erfahren wir, daß es erst um fünf Uhr geschehen werde, k>les grandes eaux erst um sechs. Da wir nicht hoffen konnten, in Versailles ein Mittagessen zu bekommen, und nach Paris erst um neun Uhr zu kommen hofften, beschlossen wir, uns noch vorher ein wenig zu restaurieren. Mein Vorschlag, etwas Warmes zu nehmen, fand keinen rechten Anklang, wir nahmen daher in einer Art Kneipe nur etwas Wein, wozu man uns Zuckerwerk und erst nach mehrmaligem Verlangen Brot gab. Zeche: vier Francs, mehrere Sous. Das Ganze mochte die Sous wert sein. Hierauf in den Garten zurück. Er verliert im gegenwärtigen Augenblicke dadurch, daß viele der Bäume, die die Ferne bilden, noch nicht hinlänglich belaubt sind. Es war drei Uhr. Da wir noch zwei Stunden vor uns hatten, gingen wir, die beiden Trianon zu sehen. Das sind die Perlen des Parks. Im kleinen der beiden Schlösser oder vielmehr Pavillons war die Treppe so mit Menschen besetzt, daß wir das Innere aufgaben und nur den Park besuchten. Welcher Park! Im ganzen Leben habe ich nichts Schöneres gesehen. Soll man hier die Natur bewundern oder die Kunst? Dazu schien die Sonne warm, das getretene Gras duftete, die Luft offenbar blauer als bei uns. Ich schlug an meine Brust. Ich war wie ein Kind. Alles so schön, so schön.

Zum großen Trianon. Die Zimmer durchwandert. Die Zeit des Einlasses ging zu Ende. Wir wurden erinnert. Prächtiger, aber viel weniger reizend, als sein Nachbar. Aber wenn man auf die Terrasse gegen den Garten hinaustritt! Hyazinthen-, Tulpenbeete. Die schönsten Baumgruppen. Aussichten, zwar nur wieder auf Bäume und Laubpartien, aber weit, weich, verschlungen, paradiesisch. Es war fünf Uhr. Wenn die Wasser gesehen werden wollten, mußten wir gehen.

Als wir in den großen Garten zurückkamen, war denn das große Werk bereits angegangen. Da sah man erst die vorher zerstreute Menge beisammen. Genug, um zwei Städte damit zu bevölkern. Und alles fröhlich, geschwätzig, glücklich. Denn die Wasser spielten. Die Gruppe des Neptun im untern Teiche nahm sich herrlich aus. Weniger die Latona mit den sie anspeienden Bauern und Bäuerinnen von Delos, die eben in der Verwandlung begriffen sind. Endlich zu einem großen, abseitig gelegenen Teiche gekommen, sahen wir den ganzen Umkreis mit Stühlen besetzt. Wir fragten. Es ist wegen der grandes eaux, sagte man uns. Wir bildeten uns ein, daß diese nur hier zu sehen seien, und standen wohl eine Viertelstunde in Erwartung, da dieses Hauptspektakel erst um sechs Uhr angehen sollte. Endlich erfuhren wir, daß das Spiel der großen Wasser sich auf alle Bassins erstrecke und dieser Teich, als Hauptfronte, nur den Schluß bilde. Wir gingen wieder in den Garten zurück, wo denn nun alle Springbrunnen in voller Thätigkeit waren. Früher müßig scheinende Figuren und Gegenstände zeigten jetzt erst, weshalb sie da waren. Von überall her stürmten Wasser gegen den Himmel. Jetzt erst nahm sich die früher etwas armselige Latona gut aus, und die von allen Seiten springenden Quellen bildeten ein bewegliches silbernes Throndach über die mißhandelte Göttermutter.

Bin im Schreiben unterbrochen worden und kann jetzt erst, nach zwei Tagen, wieder fortfahren. Kurz, wir besahen uns den ganzen Wasserspaß, fuhren in einem elenden Coucou nach Paris zurück, stiegen, von der Elendigkeit des Fuhrwerks gelangweilt, an der Barriere ab, verirrten uns in den Champs élysées, trennten uns auf der Place de la Concorde, und um halb zehn Uhr nachts nahm ich in einer elegant aussehenden, aber, wie es sich zeigte, elenden Restauration mein Mittagmahl ein, wo ich mich besonders von dem Wein eigentlich vergiftet fühlte.