Montag, den 2. Mai. Schlechte Nacht zugebracht. Mein Bette blieb Eis, und die Glieder starrten.

Montag, den 2. Mai. Schlechte Nacht zugebracht. Mein Bette blieb Eis, und die Glieder starrten. Dazu, obschon ich nicht sonderlich viel gegessen, mochte der unverdauliche homard den Magen beschweren. Hätte abends Thee oder Kaffee nehmen sollen, wie mir Many riet. Wälzte mich schlaflos umher. Die Unbehaglichkeit bezog sich immer deutlicher auf den Magen ...

Am Morgen noch immer leidlich genug erwacht. Schwarzen Kaffee getrunken. Unerträgliche Kälte. Man bringt mir die Rechnung für das verflossene Monat. Leidlich für ein so teures Gasthaus als das Hôtel des princes, obschon sechsundzwanzig Kreuzer schweres Geld für ein und ein halb Schalen Kaffee mit Brot ohne alle Zuthat nicht gerade wohlfeil sind.


Zu Brant, um das Englische fortzusetzen. Leider kommt ein comte tel et tel, der sich eben auch anschickt, nach London zu gehen, und der sich bei Brant über allerlei Rates erholen will. Gedenkt später über Wien nach Konstantinopel zu reisen, schreibt sich daher meine Adresse auf, da es ihm wohl an Empfehlungen fehlen mag. Unsere Lektion gestört. Es ist drei Uhr. Ich begleite Brant auf die Post. Die Sonne kommt etwas hervor. Wir gehen durch einige Gassen. Da erwacht in mir ein Zweifel, ob ich nicht bei Neuwall für diesen Mittag eingeladen sei. Ich gehe hin, den Bedienten zu fragen. Während ich mit diesem spreche, erkennt man im Nebenzimmer meine Stimme. Neuwall, der Vater, kommt heraus. Ich muß hinein. Die Einladung bestätigt und wiederholt. Die Leute meinen es gut, und ich finde sie liebenswürdig, aber meine Freiheit wäre mir unendlichemale lieber. Auf einen Augenblick nach Hause. Um sechs Uhr zu Tische. Das heißt seine Zeit an einem interessanten fremden Ort ziemlich vergeudet, aber die jämmerliche Kälte hindert jede zweckmäßige Benützung. War mit den drei Neuwalls allein zu Tische. Unterhielten uns recht gut.

Abends in die große Oper. Le philtre. Wehe mir, daß ich zur Strafe meiner Sünden einem solchen Geheule beiwohnen muß. Die Dorus recht niedlich, im Gesang nicht besser und nicht schlechter als sonst. Die einfachen Tonfolgen (daß ich nicht Kantilene sage) machen sich recht gut, nur bei den Passagen, die sie liebt und von denen ihr, materiell, keine zu schwer ist, zeigt sich das unangenehme, weniger Gestoßene als Geschleuderte ihrer Methode. Scheußlich aber die Männer. Da zeigt sich, was ein dramatischer Sänger, d. h, ein solcher, der die musikalischen Zwecke der Darstellung der Situation unterordnet, für ein häßliches Ding ist. Ihr Gesang ist ein Teil ihres Spiels. Bei komischen Stellen machen sie eigentlichen Spaß mit ihrer Stimme. Ich glaubte hundertmal, davon laufen zu müssen. Lafont gab den Bauerburschen mit einer Gemeinheit, die mich anekelte, dazu seine quäkende Stimme, die die Empfindung aus dem Halse und die Stärke aus der Mundhöhle hervorholt. Levasseur, der in den Hugenotten seinen alten Diener nicht übel gibt, brachte heute keinen gesunden Ton hervor. Er war offenbar der Meinung, er müsse das Lächerliche seiner Rolle (des Charlatans) auch auf den Gesang übertragen. Wodurch Prevost, der Soldat, sich für einen Sänger hält, gehört unter die Unbegreiflichkeiten. Ohne Spur von Stimme, ohne Methode, wäre er kaum zum Choristen gut genug. Madame Larotte, als junge (alte) Bäuerin, war so unmaskiert schlecht, daß selbst die Franzosen sie auslachten, indes sie die andern beklatschten, die im Grunde viel schlechter waren als sie. Denn die Arme sang nur ein paarmal falsch, indes die andern den ganzen Abend häßlich sangen.

Endlich das Ballett La tempête von Coralli, eine wunderliche Verschmelzung von Shakespeares Sturm mit »Fee und Ritter« oder einem andern Ballett, von dem letzteres etwa der zehnte oder hundertste Nachklang ist. Das Tableau beim Aufziehen des Vorhangs vortrefflich. Die übrigen Gruppierungen und Chortänze nicht sonderlich. Albert ein sehr guter Tänzer. Die Damen Noblet und Alexis, mit denen er ein pas de trois tanzt, nicht zu verachten. Endlich die beiden Schwestern Elßler, um derentwillen ich eigentlich diesmal ins Theater gegangen war. Therese, ein tanzender Straßburger Münster oder St. Stephansturm, konnte mir hier so wenig gefallen, als in Wien, obschon sie bewundernswürdige Sachen macht und so viel Grazie hat, als die Umstände erlauben. Fanny, bei weitem niedlicher als sie, obgleich auch ein wenig aus dem Frakturalphabet, scheint sich im Tanze sehr gebessert zu haben. Im Spiele habe ich, verglichen mit ihrer Leistung in »Fee und Ritter«, eher das Gegenteil gefunden. Es ist ein immerwährendes Wiederkauen derselben Bonbons, ein Küssen und Hinneigen und Beugen in allen Nuancen, das dem Freunde der Wirklichkeit auch in der Nachahmung immer wieder gefällt. Auch Fanny hat nicht das Aetherische, Luftige, das mir den Tanz allein zu einem Genusse macht. Ein tanzender Körper mit Begierden, statt Seele und Leidenschaften. Uebrigens unendlich viel Gutes. Die Füße mehr Kraft als Elastizität. Arme und Hände oft wirklich graziös. Die Büste ohne Geschmeidigkeit. Das Ganze sich zum Derben hinneigend. Vielleicht zeigt nichts mehr den Verfall der schönen Tanzkunst in Paris, als der ungeheure Beifall, den ich übrigens meinen Landsmänninnen von Herzen gönne.

Auch die Komposition dieses Balletts verhielt sich zu Nina oder der Fille mal gardée wie ein Bauernkirchtag zu einem Ball in den Tuilerien.