Mittwoch, den 1. Juni. Der letzte Monat meines Urlaubs ...

Mittwoch, den 1. Juni. Der letzte Monat meines Urlaubs beginnt. Ging ins Britische Museum, das die ganze Zeit meiner bisherigen Anwesenheit geschlossen war. Nahm mir vor, bloß die Antiken zu besehen und den naturgeschichtlichen Teil dem Zufalle zu überlassen. Vortreffliche Sachen, die man durchlaufen muß, statt bei jeder stundenlang stehen zu bleiben. O, ewige Griechen! Daneben ägyptische Bruttogewicht-Dinge nebst indischen Scheußlichkeiten, die darstellen wollen, was man höchstens denken könnte. Endlich die Elginschen Marmore. London ist eine nicht üble Stadt, der Parthenon mag aber denn doch mehr wert gewesen sein. Alles zerstört, aber überall Spuren einer Schönheit, die man mit keinem Dampfapparat herstellen und mit ihren höchsten Erzeugnissen nicht aufwiegen kann. Die Gruppe der drei Schicksalsgöttinnen, die Theseusbildsäule, die Metopen, die Friesen. Nicht Riesen-, Götterwerke. Was mag das gewesen sein. Die Einbildungskraft erlahmt, nur nachzukonstruieren. Es erlahmten aber auch meine Füße. Ich konnte mich, als es vier Uhr war, kaum mehr regen. Doch wollte ich noch zum Gesandten gehen, um mir Eintritt ins Parlament zu verschaffen, das heute nach unglücklicher, zehntägiger Prorogation wieder beginnt. Unglücklicherweise aber regnet es, und ich muß nach Hause, denn bei meinem Gesundheitszustande durchnäßt werden, wäre nicht rätlich.

Abends Konzert des norwegischen Violinspielers Ole Bull in Kings Theatre. Einige sagen: ein Schüler Paganinis, die meisten: sein gefährlichster Nebenbuhler. Ouvertüre von Mozart aus G-Moll. So schlecht aufgeführt, daß man in den Wiener concerts spirituels zu sein glaubt, mitunter schlechter. Die Gesangsstücke von den ersten italienischen Sängern so unbedeutend, daß man merkt, sie wissen, vor was für einem Publikum sie singen. Ole Bull selbst vortrefflich, was die mechanische Fertigkeit betrifft. Der Körper Paganinis ohne seine Seele. Selbst die Schwierigkeiten weiß er mit dem eigentlich musikalischen Teil nicht so zu verbinden, daß sie zusammen ein Ganzes ausmachten, sie blieben meistens ein Getrenntes. Kunststück zum Bewundern. Moscheles spielte eine Phantasie, d. h. phantasierte zu Hause und spielte dann im Theater. Im Anfang sogar ohne Bestimmtheit und Sicherheit, dann rollte es glatt weg. Thalberg hat mich für die andern Klavierspieler verdorben. Seinen Ton muß man bei Moscheles nicht suchen, selbst in Geläufigkeit, namentlich in den Oktavenpassagen steht er ihm nach. Fand einen Herrn Präger aus Leipzig im Theater, einen liebenswürdigen Mann, der sich nach meinem Namen erkundigte und mich erkannt haben wollte. Schon während des Mittagsessens war ein junger Figdor aus Wien dagewesen, der mich engagierte, mir des andern Tags mehrere merkantilische Merkwürdigkeiten zu zeigen, was ich mit Vergnügen annahm.