London, 12. Mai. Ich nehme spät wieder mein Tagebuch ...

Die letzten Tage meines Aufenthaltes in Paris waren höchst unruhig. Das Widerliche, aus einem einmal gewohnten Aufenthalt neuerdings in all die Widerwärtigkeiten eines Zigeunerlebens überzugehen und noch dazu alle Anstalten selbst besorgen zu müssen, ich, dem es zu Hause schon unerträglich war, nur einen Geschäftsgang über die Gasse machen zu müssen. Dazu in ein Land zu kommen, dessen Sprache ich wohl im Lesen recht sehr gut verstehe, aus dem Munde eines Sprechenden gehört, aber nicht dem zehnten Worte nach verstehe, viel weniger, daß ich sie irgend selbst sprechen könnte. Dazu einige Besorgnisse über die hohen Preise des Lebens daselbst und Zweifel, ob mein Ausgesetztes zureichen wird. Endlich meine schlechte Gesundheit, die durch die Seereise, nach früheren Proben, nur noch mehr gestört werden mußte. Doch was war zu thun? Ich hatte mir die Reise einmal als eine Art Buße, als einen Versuch auferlegt, mich an Menschen und äußere Thätigkeit wieder zu gewöhnen. Je schwieriger, um so besser zum Zwecke. Auch begann mir Paris nach und nach schon widrig zu werden. Der gute Brant (für mich wenigstens) langweiliger als billig, die Güte der Familie Neuwall, gerade durch das allzugroße Maß, beinahe drückend. Immer auf dem Punkte, in litterarische Bekanntschaften hineingezogen zu werden, welche zu vermeiden meine bestimmte Absicht war. Dazu schlechtes Wetter, schlechte Wohnung, üble Laune. Obwohl mir alles anlag, länger zu bleiben, und Koreff gar nicht sich darein finden konnte, bestellte ich doch meinen Platz auf der Post für Sonntag, 15. (für Samstag war kein guter mehr zu haben), verschwieg es aber sorgfältig, um die Bekanntschaftwerber mit einer längern Aussicht hinzuhalten. Konnte doch nicht vermeiden, mit Koreff bei Alexandre Dumas zu frühstücken, der mit einer hübschen Schauspielerin lebt und ein junger gut aussehender Kerl ist. Er hatte Viktor Hugo geladen, der nicht kam. Thut mir leid. Gerade den hätte ich am liebsten gesehen. Das Gespräch war etwas kauderwelsch. Offenbar endoktriniert Koreff den jungen Mann in deutscher und spanischer Litteratur. Ich ging um vier Uhr, weil ich der Chezy versprochen, die Herzogin von Abrantes zu besuchen, die denn doch eine interessante Person ist. Da sie jedoch krankheitshalber zu Bette liegt und ihre Dienerschaft von meiner Ankunft nicht unterrichtet war, so ward ich abgewiesen, ließ meine Karte da und ging. Um so besser. Zwei Tage vor meiner Abreise speiste ich noch mit Neuwalls im Café de Paris, vortrefflich. Den letzten Mittag mit Brant und Many bei den Frères provençaux. Die andern Ereignisse habe ich vergessen. Besuchte noch Koreff, der mir eine Adresse nach London und ein Mittel gegen meine hartnäckigen Obstruktionen versprochen hatte. Fand ihn nicht zu Hause, was mir diesmal leid that. Das Verhältnis mit Brant macht sich immer schlechter. Er begreift nicht, daß ein Fremder, der nur fünf Wochen in Paris lebt, anders leben muß als ein eigentlicher Einwohner, und bei seiner Sparsamkeit ärgert es ihn, so oft ich ins Theater gehe. Lieber sollte ich den Abend bei ihm an seinem Kaminfeuer zubringen, in das er verliebt ist, und an dem wir uns beim Thee ennuyieren. Kam diesmal beinahe zu einer harten Erklärung. Er verleidete mir und Many für den Abend das Theater. Wir gingen also nur noch nach dem Spielhause Rue Richelieu, dem ersten hier, das aber in kleinerem Stil ist, als ich dachte. Das in Neapel war viel grandioser. Huren und Silbergeldspieler. Many verlor vierzig Francs, ich gewann fünf, nachdem wir eine halbe Stunde mitgemacht hatten. Letzte Nacht in Paris.