Freitag, den 10. Es war ein förmlicher Ball im Hause, ...

Freitag, den 10. Es war ein förmlicher Ball im Hause, was ich nicht wußte, da ich des Mittags auswärts gegessen hatte. Man tobte bis zum hellen Morgen, so daß ich kein Auge zuthun konnte.

Beim Frühstück erfahre ich, daß der Legationssekretär gestern noch einmal dagewesen ist. Das scheint denn doch mehr als leere Höflichkeit. Will versuchen, ihn heute zu sprechen.


Mir thut leid, daß ich Raumers Werk über England vor meiner Abreise nicht lesen konnte oder vielmehr nur in den letzten beschäftigten zwei Tagen durchblättern. Will es zu Hause nachholen. Hier gefällt er den Radikalen sehr, die Tories schimpfen über ihn. Auch in der Allgemeinen Zeitung, die ich gestern las, wird er heftig angegriffen. Auf deutsche Weise, d. h. ungeschickt. Der Mensch hat viele gute Eigenschaften, und nur eine üble, die aber bei einem historischen Schriftsteller alle andern zerstört. Er ist kein Mann. Wer aber das nicht schon bei der Geschichte der Hohenstaufen sah, dem ist nicht zu helfen. Manchmal erinnert er sich des Johannes Müller, dann dringt er auf Tugend, Religiosität, und was weiß ich. Dann fällt ihm wieder ein, daß er ein Freund Tiecks ist, und nun gerät er in einen Tieckischen moralischen Indifferentismus, den Tieck Goethen nachgeahmt hat und er Tiecken. Manchmal thut er liberal, um nicht hinter Rotteck an Popularität zu stehen, dann will er's doch mit der preußischen Regierung nicht verderben und modifiziert seine Ansichten, daß nichts übrig bleibt, als was allenfalls im märkischen Sande auch aufkeimen könnte. In Deutschland merkt man aber derlei spät, weil die gesunde Stimme des Publikums für nichts gilt, sondern Lob und Tadel von einigen miserablen Tagblattschreibern ausgeht. Mir ist der Mann immer widerlich gewesen. Eine Art Hormayr, mit mehr Fleiß und weniger Persönlichkeit, übrigens von leidlicherem Charakter.

Beschloß, einen Versuch zu machen, mit meiner Karte vom verflossenen Montag heute in die Pairskammer zu gehen. Vorher zum Gesandtschaftssekretär Humelauer, den ich auch diesmal zu Hause fand. Offenbar ein gescheiter Mensch, doch vielleicht davon zu sehr überzeugt. Seine Augen sind es, durch die das östreichische Kabinett die hiesigen Dinge ansieht. Ich las den östreichischen Beobachter in seinen Worten. In Bezug auf die Lügenhaftigkeit der Whigs und Tories ist er meiner Meinung. Keine der beiden Parteien getraut sich, zu sagen, was sie will. Daher sind ihre Reden so leer, und sie machen sich wechselseitig so leicht lächerlich, weil nämlich ihre vernünftige Absicht nie ausgesprochen wird. Die Radikalen hält er für die einzigen Vernünftigen und Talentvollen. Eine Revolution im demokratischen Sinne, mit Staatsbankerutt u. s. w., scheint ihm unvermeidlich. Was ich nicht glaube und nur dann möglich würde, wenn die gemäßigten Tories noch länger sich von den Whigs entfernt halten und diese dadurch zwingen, ihre Majorität bei den Radikalen zu suchen. Aber auch dann wird's nicht geschehen. Eher kommen die Tories wieder ans Ruder. Der Geist der Masse ist offenbar monarchisch.

Ich kam um halb drei Uhr ins Oberhaus und suchte als ein Fremder, der London demnächst verlassen muß und der durch Unwohlsein gehindert wurde, von seiner Karte zu gehöriger Zeit Gebrauch zu machen, Einlaß. Ward auf halb fünf Uhr beschieden, da der door-keeper nicht zugegen war. Ging unterdes in den Court of common pleas, wo eben eine schlüpfrige Materie verhandelt wurde. Eine verheiratete Frau, die sich bei Gelegenheit einer Landpartie auf einem Seitenfußsteige brauchen ließ. Es war merkwürdig, mit welcher Ernsthaftigkeit die Richter die unanständigsten Zeugenaussagen herablasen und niemand lachte oder zischelte. Der Advokat sprach ausgezeichnet. Ging, eh es zu einem Abschluß kam. Ward in die Pairskammer glücklich eingelassen. Der Saal klein, hochrot ausgeschlagen. Im Fond der Thron, ein zwölf Schritt davor der Wollsack des Lordkanzlers. Die Bischöfe, obwohl in der Opposition, doch auf der rechten ministeriellen Seite sitzend. Es waren kaum ein halb Dutzend Mitglieder da, die unterdessen sich in kurzen Wechselreden übten. Nach und nach füllte sich das Haus. Einer der ersten Lord Wellington. Er sieht entschlossen und doch geistlos aus, was er auch ist. Die Rede war von Bestechungen bei den Wahlen, mit offenbarer Hinsicht auf einen bestimmten Fall. Wellington sprach, kurz und stockend. Ein paar Ministerielle, der eine fließend, der andere nicht übel. Alle Reden kurz. Ein Oppositionslord sehr gut. Bittschriften wurden eingebracht. Ein ministerieller Graf Shrewsburn scheint ein ausgezeichneter junger Mann. Ein Bischof sprach gegen die Minister. Lord Melbourne, der nicht gut aussieht und fast schmutzig gekleidet war, weißen Hut auf dem Kopfe, einen Knittel in der Hand, antwortete kräftig, im Gefühl der Ueberlegenheit. Lyndhurst stand auf; allgemeine Aufmerksamkeit. Ihm antwortete Melbourne heftig, drohend, beleidigend. Lyndhurst wies die Vorwürfe nicht auf die höflichste Art von sich. Es entstand eine Pause. Ich ging, da es nahe an sieben Uhr war und ich noch nicht gegessen hatte. Speiste im Strand, recht gut. Ich hatte mich mit Figdor zusammenbestellt, bei einer deutschen Familie Thee zu nehmen. Als ich nach Hause kam, war er da gewesen, aber schon wieder fortgegangen. Fand einen Zettel von ihm, wodurch die Partie nach Windsor auf morgen vier Uhr nachmittags festgesetzt ward.

Blieb zu Hause und brachte den Abend zu, wie es eben gehen wollte.