Donnerstag, den 5. Mai. Befinde mich recht übel. Ein rheumatisches Unwohlsein fängt an, ...

Donnerstag, den 5. Mai. Befinde mich recht übel. Ein rheumatisches Unwohlsein fängt an, sich durch Geschwulst und einen Ausbruch am Munde Luft zu machen. Kälte geht wie ein brummender Orgelpunkt fortwährend durch das ganze Stück. Hoffe, ohne Feuer zurecht zu kommen. Finde es endlich unmöglich. Ziehe wiederholt die Klingel. Muß endlich selbst den Einheizer holen. Er kommt, ich genieße schon in Gedanken die wohlthätige Wärme; da tritt, ehe das Feuer noch brennt, mein hilfreicher Schwede ein, mich seinem Versprechen gemäß in die Bibliothek abzuholen. Ich verlängere das Gespräch des Empfangs nach Möglichkeit, um mich während desselben zu erwärmen. Umsonst! Noch erstarrt, muß ich in die Büchersäle, die ungeheizt, wie sie sind, ein frostiges Gegenstück zu meinem eigenen Museum bilden. Suchen und finden Herrn Hase, den deutschen Kustode. Sehr freundlich empfangen, merke ich erst nach und nach, daß mein Besuch gar keinen eigentlichen Zweck hat. Zum Glück interessiert mich das System der Anordnung, Katalogisierung und Aufstellung der Bibliothek zu kennen; ich lasse mir das erklären, was Herr Hase mit großer Gefälligkeit thut. Endlich verfällt er selbst darauf, mir Handschriften der Minnesänger und Troubadours zu zeigen. Wir gehen in das Manuskriptenzimmer, wo ich einen solchen Kodex in die Hand bekomme. Unendlich wichtiger ist mir der erste Band des gedruckten Katalogs der hiesigen Bibliothek, die Theologie umfassend. Ich durchgehe ihn mit großer Aufmerksamkeit, den Hut auf dem Kopfe, da die Temperatur des Lesezimmers ungefähr die einer porte cochère bei schlechtem Wetter ist. Um ein Uhr kommt Brant, mich abzuholen. Herr Hase war inzwischen von andern Geschäften abgerufen worden und hatte vorher noch mir versprochen, des andern Tages um zwei Uhr mich zu einer kleinen Sitzung des Institut royal zu führen. Ich nahm mit Vergnügen an, da ich denn doch nichts Besseres zu beginnen wußte. Brant machte mir die Notwendigkeit begreiflich, einmal wieder nach mehreren Tagen dem Körper Bewegung zu verschaffen. Es ist Pferderennen im Champ de Mars. Wir beschließen, hinzugehen. Die Sonne kommt hervor. Schon werden unsere Hoffnungen kühner und kühner. Das Pferderennen beginnt. Keines der größten. Die prägnanten Punkte von Zusehern besetzt, der übrige Teil der Bahn ziemlich leer. Drei Pferde laufen. Zwei davon machen sich den Sieg ziemlich streitig. Da umziehen schwarze Wolken von neuem den Horizont, Wir eilen, nach Hause zu kommen. Bald aber bricht der Platzregen los. Schon durchnäßt, flüchten mir unter die Säulen des Palastes der Deputiertenkammer. Da hatten wir Zeit genug, die abgeschmackt placierten Statuen an den Stufen dieses sonst herrlichen Gebäudes und die noch viel alberneren des Pont de la Concorde zu betrachten. Endlich während eines mäßiger gewordenen Regens zu Brant. Englische Lektüre, durch Lockes gesunden Menschenverstand erheitert. Ich gehe nach Hause, mich umzukleiden. Finde eine Einladung von Rothschild auf morgen zum Essen. Wohl! Wird dann abgethan sein. Zugleich sagt mir der Portier, eine Madame Chese oder Chise, die seit drei Wochen schon in Nr. 12 hart neben meiner Stube wohne, habe sich angelegentlich nach mir erkundigt. Sollte das Mde. Chezy, die Dichterin, sein? Ich kann es kaum glauben. Wäre übrigens doch möglich. Beschließe endlich, wie gewöhnlich, den Göttern die Aufklärung zu überlassen. Kaum in meinem Zimmer angelangt und halb ausgezogen, poch! poch! an meiner Thüre, und die leibhafte Frau von Chezy, Dichterin der Euryanthe u. s. w. tritt ein. Sie scheint betrübt und hat, wie natürlich, gealtert. Sonst gut und herzlich wie immer. Bei der Erwähnung ihres ältesten Sohnes steigen ihr die Thränen in die Augen. Er scheint ihr Kummer gemacht zu haben. Sie ist hier, um ihre Pension zu sollicitieren. Sie will mich überall hinführen und mit der ganzen Welt bekannt machen. Ich, nach meiner stockischen Art, wehre mich dagegen aus Leibeskräften. Muß ihr (nicht gerne) versprechen, morgen bei ihr zu frühstücken. Endlich kann ich mich ankleiden und zu Neuwalls zum Essen gehen. Die französische Dame von neulich, ebenso groß im Essen als Reden, speist da. Unterhalte mich ziemlich lange mit ihr im gewähltesten Französisch. Sie scheint zufrieden, was von einer französischen Dame gegenüber einem deutschen homme d'esprit immer genug ist. Später gehe ich mit Brant Thee trinken, und wir beschließen den Tag.