Donnerstag, den 19. Mai, mußte ich meinen Bankier ...

Donnerstag, den 19. Mai, mußte ich meinen Bankier Doxat and company aufsuchen, da es mir an englischem Gelde zu fehlen anfing. Er sollte in der City, Bishopgate-street wohnen, einer Kirche gegenüber, Nr. 24. Das war nun ungefähr vier Meilen (englische) von meiner Wohnung. Ich beschloß dennoch, zu Fuße zu gehen, weil man nur so eine große Stadt bald und genau kennen lernt. Es ward daher der Plan genommen und die Lage der Straßen, zum Glücke bloß große, auf ein Blatt Papier nachgezeichnet, da man doch nicht immer zur Belustigung der Vorübergehenden die große Karte zu Rate ziehen konnte. Um zwölf Uhr machte ich mich auf den Weg. Die größte Mühe hatte ich, um nur aus dem Gewirre kleiner Gassen in der Nahe meiner Wohnung herauszufinden. Als einmal High-street, Holborn und so weiter erreicht war, ging es schon besser. Ich weiß nicht, verdarb mir die Aengstlichkeit des Suchens den Genuß oder verglich ich, halb unbewußt, das Gewöhnliche des Hiesigen immer mit dem Besten von Paris: auch dieser Gang brachte mich noch nicht zu jener Bewunderung Londons, die mich jetzt durchdringt. Ich ging nahe an zwei Stunden und fand endlich auch Bishopgate-street, auch Nr. 24, aber da war an keinen Bankier zu denken. Von der Kirche gegenüber lag ein Haus, aber ohne Inschrift, mit Gittern verschlossen. Ich fragte in dem Laden nebenan, aber die gebärdeten sich, als ob sie den Namen Doxat nie hätten aussprechen hören. Endlich ging ich in einen andern Laden. Der gefällige Inhaber, der den Namen Doxat gleichfalls nicht kannte, schlug eine Art Adressenbuch auf und schrieb mir die Wohnung des gesuchten Unbekannten, eines der bedeutendsten Bankiers, auf ein Blatt Papier. Sie war Nr. 13 – gerade gegenüber und hart neben dem Laden, in dem ich zuerst nachgefragt hatte, in demselben verschlossenen Hause ohne Hausnummer. Und so war den nächsten Nachbarn, gleichfalls Kaufleuten, ihr nächster Nachbar, Kaufmann wie sie, völlig unbekannt. Derlei findet man oft in London. Niemand weiß, als was ihn zunächst angeht, und man rechnet den Leuten oft als Ungefälligkeit zu, was nichts als reines Nichtwissen ist. Ich erhielt ziemlich trocken mein Geld, worüber ich sehr froh war, denn jede Gefälligkeit wäre mir höchst unbequem gewesen. Den Weg zurück fand ich leicht, ermüdete mich aber bis zum Sterben. Von Fiakern war ich schon den ersten Tag so ziemlich geprellt worden, hatte auch kein Geld in der Tasche als meine Fünf-Pfund-Noten und einen Sovereign in Gold nebst etwas Kupfergeld. Die Omnibus, für die das letztere hingereicht hätte, fuhren zwar von allen Seiten und geradezu in ununterbrochener Folge, da ich aber die Lage ihrer Richtungen nicht kannte, fürchtete ich, in ein entgegengesetztes Stadtviertel zu gelangen, und ging daher wacker meinen Weg. Nur dem vortrefflichen Pflaster verdanke ich es, daß ich lebend meine Wohnung, nicht ohne Verwicklung in den nächsten Straßen, erreichte.

Etwas besseres dinner mit Fisch, der nicht übel war. Nach Tisch in Drurylane, wo ich keinen Platz bekam und daher nach Coventgarden ging. Hier war es, wo ich die drei Lustspiele sah, deren Namen ich vergessen habe. Das Haus in Coventgarden weiß mit Gold, nicht im besten Geschmacke, höchstens dreißigmal schöner, als unser schönstes Theater in Wien; dagegen Drurylane, karmoisinrot mit erhabener Goldverzierung, das Herrlichste, was man sehen kann. Selbst die große Oper in Paris muß, denke ich, zurückstehen. Die Form ist dort gefälliger, der Eindruck hier majestätischer. Dazu die Gesellschaft in den boxes des ersten Ranges, wie ein versammeltes Oberhaus, imposant, erhaben. Das pit wird einem durch die gar zu große Ungezwungenheit des Publikums etwas verleidet (obschon es nahe an zwei Konventionsgulden kostet). Wem's einfällt, der behält den Hut auf dem Kopfe. Kommen nun gar die half-price-Leute, so setzt sich jeder, wo kein Platz ist, und gibt sich scheinbar alle Mühe, die Nebensitzenden nach Möglichkeit zu genieren.


Ueberhaupt zerstören die Halbpreise die hiesigen Theater. Um ihnen das Beste nicht preiszugeben, werden die guten Stücke zum Anfang gegeben, wo noch die gute Gesellschaft beim Mittagsmahl sitzt. Kommen die ordentlichen Leute ins Theater, so sehen sie höchstens den Schluß des Bessern und für den übrigen Abend das elende Zeug, das, eben des Halbpreishaufens wegen, die weitere Unterhaltung ausmacht. Auch ist die Verwaltung der Theater gewinnsüchtig, elend. Man teilt selbst für die Logen, wo doch nur eine bestimmte Anzahl Platz findet, Billets ins Unendliche aus. Die später Kommenden stürmen nun die Logen, steigen hinter den Rücken auf die Bänke der Sitzenden, drängen sich ein. Die Logenthüren bleiben offen, und ich mußte eine Vorstellung des Julius Cäsar, wo Kemble spielte, im vierten Akte verlassen, bloß weil ich den Schluß nicht mit einer Verkältung erkaufen wollte.