Donnerstag, 28. April. Ging früh aus, weil ich mir einbildete, es sei Einlaßtag in die Bibliothek.

Donnerstag, 28. April. Ging früh aus, weil ich mir einbildete, es sei Einlaßtag in die Bibliothek. Habe Donnerstag mit Dienstag verwechselt. Durchstreife für mich allein die Stadt. Finde mich doch schon recht gut allein zurechte. Erst in die Straße Louis le grand, um Leo das Billet in die Deputiertenkammer zurückzustellen. Dann zur Rue J. J. Rousseau, wo die Post ist. Keine kleine Aufgabe. Fand alles auf, aber keinen Brief. Tu l'as voulu, George Dandin! Dann die Rue St. Honoré entlang, Marché des Innocents. Noch einmal St. Eustache. Vortreffliche Bildsäule Colberts am Hochaltare knieend. St. Roch. Scheint die besuchteste der Kirchen zu sein. Doch wenigstens eine Messe da, was mir bis jetzt noch nicht vorgekommen. Viele Grabmäler in der Kirche. Endlich zu Brant. Zwei Stunden mit ihm englisch gelesen. Gebe die Hoffnung auf. Was ist das für eine kokette Sprache. Gar nicht aus Buchstaben, nur aus Worten bestehend, gleich der chinesischen. Fühlte mich ungeheuer angestrengt.

Gingen ein wenig in der Stadt herum. Mußte mir die Haare schneiden lassen, Brant desgleichen. Nach seinem Gesetze der Sparsamkeit führte er mich zu einem Friseur für 10 Sous, wo augenscheinlich ein Lehrling an mir seinen ersten praktischen Versuch machte. Er ließ mir nichts als die Haut auf dem Kopfe und eine kleine Auswahl von abwechselnd kurzen und langen Haaren, daß ich aussah wie eine Vogelscheuche und den Tag meiner Geburt verfluchte. Hierauf ins Palais royal wieder zu einem wohlfeilen Traiteur, wo ich nichts gut fand, als die Suppe, die ich verabscheue, und meinen Hunger zuletzt mit Käse stillte, der mir noch jetzt im Magen liegt.


Abends allein in die Opéra comique. Fand keinen Platz im Parterre, mußte eine stalle d'orchestre zu 6 Francs nehmen. Erstes Stück: Die zwei Savoyarden, die zu gleicher Zeit mit den Haarzöpfen zu gefallen aufgehört haben. Zugleich die niederträchtigste Vorstellung. Die beiden Menschen spielten, als ob sie aus Wien von Duports kleiner Oper verschrieben wären, und sangen, wie die Dienstmägde bei der Wäsche. Die Männer muß man aus den Billeteurs und Feuerwächtern rekrutiert haben. Von einem solchen Chor hat man keine Idee. Sie trafen nie auf den Taktstreich zusammen und thaten, als ob in einer komischen Oper auch die Musik ein Spaß wäre.

Ich war schon im besten Schlaf, als mich die Ouverture des zweiten Stückes, Sarah, Oper in zwei Aufzügen, Musik von Grisar, aufweckte, deren zweite Vorstellung heute war. Ouverture schön, kam mir, so viel ich davon verstehe, gut gearbeitet vor. So ging es denn recht lobenswert fort. Leider hatte sich meine Natur einmal zu dem ihr eigentümlichen Theaterschlaf geneigt, und da das Süjet, ich weiß nicht, ob gar zu einfach oder wirklich langweilig ist, so überhörte ich vieles in süßem Vergessen. So oft ich aber wieder zu mir selbst kam, hörte ich immer was Gutes, und der zweite Akt, den ich ganz vernahm, gefiel mir teils recht wohl, teils fand ich ihn ausgezeichnet. Mlle. Jenny Colon, deren zweites Debüt war, spielt sehr und singt recht gut. Sie ist hübsch, hat aber Neigung zum Embonpoint was ihr in der Folge schaden kann. Die beiden Tenore, Jansenne und Coudere, für die komische Oper vorzüglich. Von einem Baß war nichts zu hören, es müßte denn Dougal, Deslande etwas derart gewesen sein. Er spielte aber recht brav. Die Chöre gingen viel besser, als die der ersten Oper, jedoch bei schwierigeren Stellen ohne Genauigkeit. Das Orchester oft ausgezeichnet, immer gut. Vorzüglich Hörner und Violinen. Um elf Uhr nach Hause.