Donnerstag, 21. April. Ziemlich gute Nacht. Die Gesundheit bessert sich.

Donnerstag, 21. April. Ziemlich gute Nacht, Die Gesundheit bessert sich. Nur gar so wenig Besinnung. Kann man ein Greis und ein Knabe zugleich sein, indes man das mittlere zwischen beiden sein sollte: ein Mann.

Mit Brant englisch gelesen. Wie es mir in England mit der Sprache gehen wird, weiß vorderhand Gott allein. Ich habe mich geflissentlich auf diese Reise geworfen, wie ein Nichtschwimmer ins Wasser, die Not sollte die Bewegungen von selbst lehren. Ertrunken bin ich vorderhand auch wirklich noch nicht, aber Wasser habe ich in Mund und Nase bekommen teufelmäßig, und wer weiß, was noch kommt?


Soll ich die Schuld auf Mangel an Charakter schieben? Kein wirkliches Unglück, keine eigentliche Gefahr hat mich noch unmännlich gefunden. Aber diese kleinen ennuys, diese immer wiederkehrenden Plackereien matten mich auf eine Art ab, daß ich dagegen durchaus nicht aushalten kann. Das eigentliche Unglück ist, daß ich das Fehlerhafte, das Absurde meiner Stimmungen und Eigentümlichkeiten völlig einsehe und mir alle Mühe gebe .......

Bin hier im Schreiben durch Hagberg unterbrochen worden und konnte den ganzen Tag nicht wieder dazu kommen. Jetzt da ich mich wieder dazu hinsetze, habe ich die merkwürdigen Ereignisse rein vergessen. Weiß nur noch, daß ich die Kirche St. Eustach besah, dieselbe, die Ludwig XIV. aus einer gotischen in eine haarbeutelmäßige so glücklich verballhornen ließ. Die Reste noch immer schön. Die Halle aux blés gesehen mit der riesenmäßigen Dachkuppel. Merkwürdiges Echo in der Mitte, das trotz der ungeheuern Entfernung des Daches jedes gesagte Wort wiederholt, beinahe ehe man's zu Ende gesprochen. Ich finde die natürlichen Erklärungen der natürlichen Dinge äußerst unnatürlich.

Großer Marktplatz, schmutziger als irgend etwas bei uns. Dames de la Halle. Die sehen eher nach einer Revolution von 1830, als nach der von 1792 aus. Gott ist mächtig in den Schwachen. Heißt das: Gott in Frankreich. Was sonst geschah, deckt die Nacht des Vergessens.

Mittags bei Neuwall. Nach Tisch waren wir schon im besten Zuge, uns gegenseitig zu ennuzieren, da erklärte ich, ins Theater gehen zu wollen.

Ging in die Variétés. Kam zum dritten Akte eines fünfaktigen Drama Le Marquis de Brunoy. Verstand daher nicht viel von der Verwicklung. Frédéric Lemaitre spielte die Hauptrolle sehr gut, bis auf eine Art Wahnsinn zum Schluß, was sich nicht recht geben wollte. Ueberhaupt alle Schauspieler recht gut. Was müßte man einer deutschen Truppe anbieten, damit sie sich eine solche Treue des Kostümes gefallen ließe, wie man sie hier täglich auf dem Theater sieht. Gepuderte Frisuren, Reifröcke, Haarbeutel.

Zum Schluß Ma femme et mon parapluie. Ein Klavierstimmer, dem man beide diese Einrichtungsstücke entführt, der um beide ungefähr im gleichen Maße trauert und in seinen Klagen sie ewig vermischt und verwechselt. Bernet, der ihn spielte, vortrefflich. Das ist der Unterschied zwischen unsern Wiener Komikern und den hiesigen, daß erstere immer mehr oder weniger Possenreißer sind, d. h. Späße aus freier Faust einmischen, indes die Pariser für ihre Komik immer bloß den Charakter und die Situation ausbeuten. Einer, der plötzlich ins Theater einträte, ließe sich gar nicht einfallen, daß Bernet der Komiker des Stückes sei, bis er nach und nach aus der Wirkung es bemerkte. Nicht einmal auffallend gekleidet hatte er sich. Er sah wie Tausende aus, die unbeachtet auf der Straße an uns vorübergehen. Sehr gut war auch Prosper als Mr. Coquerdon. Mehr chargiert, aber doch vollkommen wahr. Nur ganz gegen das Ende fingen beide an, sich ein wenig gehen zu lassen.