Dienstag, 19. April. Sehr schlechte Nacht zugebracht.

Dienstag, 19. April. Sehr schlechte Nacht zugebracht. Meine Gesundheit leidet sichtlich unter dem Andrange so vieler Gegenstände und Neuigkeiten. Wäre doch höchst unangenehm, hier krank zu werden. Doch ich kann meiner Natur schon etwas zutrauen. Besonders die Verdauung schlecht, obschon ich wenig esse. Nur einmal des Tags und da, außer Suppe, ein Stückchen Rindfleisch, eine Kotelette, eine Obstspeise und irgend ein Nichts als Dessert ...

Muß heute beim Gesandten speisen. Aergere mich schon jetzt darüber.


Mit Brant zum Kirchhofe des Père Lachaise. Ich bin ein guter Fußgänger, Brant geht mich aber doch in Grund und Boden. Er will von Fiacre oder Omnibus nichts wissen, und so geht es denn zu Fuße in diesen ungeheuern Entfernungen. Der Kirchhof wunderschön. Es gibt nirgends etwas dem Aehnliches. Ein fortgesetzter Hain mit Grabmälern, einige mit Gärtchen, Blumenstücken, alle mit Kränzen von Immortellen. Obgleich die Rührung, die der letztere Schmuck erregt, etwas dadurch gemindert wird, daß diese Kränze auf allen Zugängen schon fertig zu Hunderten verkauft werden, so zeigt es doch immer Aufmerksamkeit der Angehörigen. Grabmal Abailards und Heloisens mit den ganzen Figuren beider, liegend unter einem gotischen Baldachingewölbe. Heloise, schöne Züge. Heloise! –

Sankt Anna sitzt im Nest und brütet Heloisen.

Ich weiß nicht, warum ich mir einbilde, eine Person müsse sich eben jetzt in Paris befinden. Ich sehe mich auf allen Straßen um, und erschrecke manchmal. Und doch ist es ein Unsinn – Herzlosigkeit und ein Raum von 800 Meilen liegt dazwischen.

Eins ist, was altergraue Zeiten lehren,
Und lehrt der Morgen, der erst heut getagt;
Des Menschen ew'ges Schicksal heißt entbehren,
Und kein Besitz, als den du dir versagt.

Der laute Tag, verlebt in froher Runde,
Beim heitern Fest genippter Götterwein,
Des Teuern Kuß auf deinem heißen Munde,
Dein wär's? Sieh zu! ob du vielmehr nicht sein.

Denn der Natur alther notwendige Mächte,
Sie hassen, was in freien Bahnen zieht,
Als vorenthalten ihrem ew'gen Rechte,
Und ziehen's lauernd in ihr Machtgebiet.

All was du hältst, davon bist du gehalten,
Und wo du herrschest, bist zugleich du Knecht!
Genuß sieht vom Bedürfnis sich gespalten,
Und Pflicht, als Dorn, umstellt das süße Recht.

Nur was du abweist, kann dir wiederkehren!
Nur was du denkst, ist dein; denn du bist's, es ist du;
Drum laß gefaßt ein Aeußres uns entbehren:
In Selbstbewahrung liegt zuletzt die Ruh. [Fußnote]vgl. Bd. I, S. 129.

Mittags beim Gesandten gegessen. Gut empfangen. Niemand da, als die Familie. Doch einige Aufhorchereien, ob man mit Börne und Heine schon gesprochen. Die Ministerin den Börne gelobt. Heißt das, wenn nicht – obschon. Ich finde es natürlich. Habe nun mein Futter. Werde nicht leicht wieder hingehen. Die Frau habe ich mir natürlicher, herzlicher vorgestellt. Die Söhne benahmen sich, als ob ich eben aus China angelangt. Die Ministerin zeigte ihren Wunsch, mich öfter zu sehen, wenn nur dem Fremden in Paris seine Augenblicke nicht so kostbar wären, in welche Wahrheit ich herzlich einstimmte. Der Minister meinte, zu dem tanzenden Frühstück, das er am 3. Mai geben wolle, müsse ich denn doch kommen. Allerdings. Mögen leicht zu den Besten einer schlechten Gattung gehören. Mir ist, als witterte ich etwas Uriasartiges bei meinen hiesigen Landsleuten, mit Ausnahme der Familie Neuwall. Gut, gut! Wird sich ja aufklären. Oder auch nicht. Die Straßen von Paris können sie mir doch nicht wegnehmen und die Theater auch nicht.

Des Abends mir Ruhe gegönnt. In einem Lesekabinett zum erstenmal seit drei Wochen die Zeitungen gelesen. Nichts Neues gefunden. In Spanien die alten Trägheit. Um halb eilf Uhr nach Hause. Will mich ausschlafen.