Kurzbiographie des Autors

Humboldt, Karl Wilhelm, Freiherr von, einer der geistreichsten Gelehrten und bedeutendsten Staatsmänner Deutschlands, geb. am 22. Juni des Jahres 1767 zu Potsdam, erhielt nach dem frühzeitigen Tod seines Vaters, der im Siebenjährigen Krieg Major und Adjutant des Herzogs Ferdinand von Braunschweig, nachher königlicher Kammerherr gewesen, mit seinem Bruder Alexander auf dem elterlichen Schloss Tegel und zu Berlin eine treffliche Erziehung und studierte von 1787 bis 1788 in Frankfurt a. O., dann in Göttingen Rechts- und Staatswissenschaften sowie unter Heyne auch Altertumswissenschaft und Kantsche Philosophie.

1789 reiste Wilhelm von Humboldt mit seinem ehemaligen Lehrer Campe nach Paris und Versailles, wo er einigen Sitzungen der Nationalversammlung beiwohnte, und begab sich dann nach Weimar, wo er den Winter 1789/90 verlebte. Hier trat Humboldt in den lebhaftesten Verkehr mit dem Koadjutor v. Dalberg, dem spätern Fürsten-Primas, machte die Bekanntschaft von Karoline v. Dachröden, seiner spätern Gemahlin, und wurde durch diese mit Schiller bekannt. Im Sommer 1790 wurde Wilhelm von Humboldt zu Berlin als Legationsrat und Assessor beim Kammergericht angestellt; doch gab er die neue Stellung im Frühling des Jahres 1791 wieder auf und verlebte die folgenden Jahre auf seinen Gütern im Mansfeldischen und Thüringischen sowie in Erfurt, wo er sich fast ausschließlich mit Altertumsstudien beschäftigte. Humboldt schrieb damals freisinnige „Ideen über Staatsverfassungen, durch die französische Revolution veranlaßt“ und gleich nachher „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit eines Staats zu bestimmen“, beides Schriftchen, die nicht im Druck, wofür sie eigentlich bestimmt waren, erschienen (nur letztere wurde später, Breslau 1851, veröffentlicht), aber für die der Zeit weit vorauseilende freisinnige politische Anschauungsweise des Verfassers, welcher die französische Revolution als den Anfangspunkt einer neuen Ära begrüßte, den deutlichsten Beweis lieferten.


Seit dem Jahre 1794 lebte Wilhelm von Humboldt in Jena in vertrautem Umgang mit Schiller und einem engen Kreis von gleich gesinnten Freunden in reger Geistestätigkeit, ebenso von diesen zu eignen wissenschaftlichen Arbeiten angeregt wie die Freunde anregend, wie denn mehrere Gedichte Schillers unter seiner Einwirkung entstanden. Ein schönes Denkmal dieser bis zu Schillers Tode dauernden Freundschaft bildet der später von Humboldt veröffentlichte „Briefwechsel zwischen Schiller und W. v. H.“ (Stuttgart 1830, 2. August 1876). Nach mehrfachen Reisen verweilte Humboldt von 1797 bis 1799 mit seiner Familie in Paris, um dann einen längern Aufenthalt in Spanien zu nehmen, von wo er mit reicher wissenschaftlicher Ausbeute heimkehrte. 1801 nahm Wilhelm von Humboldt auf den Wunsch der preußischen Regierung die Stelle eines Ministerresidenten in Rom an und blieb hier bis 1808, seit 1806 als bevollmächtigter Minister.

Rom war für Humboldt ein geeignetes Feld zu seinen wissenschaftlichen Studien, die er hier, im lebendigen Verkehr mit Gelehrten und Künstlern, auch über philosophische, ästhetische, philologische und archäologische Gegenstände ausdehnte. Im Jahr 1808 mit der Leitung des Ministeriums des Kultus und des öffentlichen Unterrichts betraut, war er der eigentliche Gründer der Berliner Universität, die er nicht bloß mit tüchtigen Lehrern, sondern auch mit der umfassendsten Hör- und Lehrfreiheit auszustatten suchte. Im Jahre 1810 ward er Geheimer Staatsminister, begleitete von 1813 bis 1814 das königliche Hauptquartier, leitete im Sommer 1813 als preußischer Bevollmächtigter die Verhandlungen in Prag, welche zum Anschluss Österreichs an die Alliierten führten, nahm vom 3. Februar bis 15. März des Jahres 1814 an dem erfolglosen Friedenskongress von Châtillon teil und war in Paris bei den Verhandlungen des ersten Pariser Friedens tätig.

In Gemeinschaft mit dem Staatskanzler Hardenberg, der ihm aber völlig freie Hand ließ, lag ihm auf dem Wiener Kongress von 1814 bis 1815 hauptsächlich die Behandlung der deutschen Frage ob; aber all sein Bemühen zur Erringung einer einheitlichen Verfassung und freier Institutionen für Deutschland scheiterte an den Gegenwirkungen namentlich der österreichischen Diplomatie. Nicht glücklicher war er bei den nach Napoleons zweitem Sturz 1815 eröffneten neuen Friedensunterhandlungen zu Paris, wo es ihm nicht gelang, die Abtretung des Elsass zu erreichen. Am 25. November reiste Humboldt von Paris ab, um als Mitglied der Territorialkommission zu Frankfurt a. M. die deutschen Gebietsverhandlungen ihrem Ende zuführen zu helfen.

Als Ersatzmann des preußischen Bundestagsgesandten, des Grafen von der Goltz, war er bei der feierlichen Eröffnung des Bundestags 25. November des Jahres 1816 zugegen und trug viel zur Regelung der Geschäftsordnung desselben bei. Im Frühling 1817 ging er nach Berlin, ward hier unter die Mitglieder des neugebildeten Staatsrats aufgenommen sowie in den zur Entwerfung der verheißenen Verfassung niedergesetzten Ausschuss berufen und zum Vorsitzenden der zur Beratung des Bülowschen Steuerverfassungs-Gesetzentwurfs niedergesetzten Kommission ernannt. Auch im Staatsrat tat er sich durch seine Freisinnigkeit hervor. Deshalb ward er 1817 als außerordentlicher Gesandter nach London und im Oktober 1818 nach Aachen geschickt.

Nachdem durch die Kabinettsorder vom 11. Januar des Jahres 1819 das Ministerium des Innern eine neue Organisation erhalten hatte, übernahm er die Leitung der ständischen und Kommunalangelegenheiten mit einer Reihe andrer Verwaltungsgegenstände als eine eigne Branche mit Sitz und Stimme im Staatsministerium. Sein Drängen nach endlicher Durchführung des Verfassungswerks, sein Auftreten gegen die Karlsbader Beschlüsse, welche er für „schändlich, unnational, ein denkendes Volk aufregend“ erklärte, und seine Opposition gegen Hardenberg zogen ihm endlich die Ungnade des Königs zu und bewirkten 31. Dezember 1819 seinen Rücktritt ins Privatleben. Mit ihm traten Boyen und Beyme aus dem Ministerium; erst von 1830 an wurde er wieder zu den Sitzungen des Staatsrats berufen. Seit seinem Rücktritt lebte Humboldt mit geringen Unterbrechungen durch Reisen nach Gastein und 1828 nach Paris und London auf Schloss Tegel, wo er eine auserlesene Sammlung von Meisterwerken der Skulptur besaß.

Er starb 8. April 1835 daselbst. Zur Belohnung seiner Verdienste hatte er 1818 die schlesische Herrschaft Ottmachau erhalten; 1884 wurde ihm, wie seinem Bruder, vor der Universität in Berlin ein Denkmal (sitzende Marmorstatue von Otto im Rom) errichtet.