Einleitung.

Die Herausgabe des vorliegenden Reisetagebuches von Wilhelm von Humboldt bedarf keiner Entschuldigung und keiner Rechtfertigung. Ein Mann voll der reinsten Begeisterung für alles Grosse und Schöne, voll der innigsten Empfänglichkeit für alle Eindrücke in Natur und Menschenleben schildert hier seine Empfindungen und Erlebnisse auf einer Reise in das nördliche Deutschland. Nach meinem Gefühl verdienen seine Schriften einen der ersten Plätze in dem Bücherschatze aller Derjenigen, die die große vergangene Epoche unsrer Literatur noch warm am Herzen tragen und von einer Vertiefung in ihren Geist heilsame Wirkungen für unsre Zukunft erhoffen. Die Persönlichkeit Wilhelm von Humboldts mit ihrer gleich warmen Begeisterung für Deutschtum und Griechentum, ihrer kräftig und selbständig ausgestalteten, doch immer innig in den Tiefen der Gefühle wurzelnden Gedankenfülle wird, wenn mich nicht alles täuscht, für uns Deutsche noch zu einer großen idealen Führerrolle bei einer Wiedergeburt unsres Geistes berufen sein, die wir sehnlichst erhoffen und erstreben. Je besser wir Humboldt verstehen und würdigen, je tiefer wir eindringen in sein Wesen und seine Werke, desto freier, reicher und glücklicher werden wir uns entwickeln. —

Das Original des nachfolgenden Tagebuchs befindet sich in Humboldts Nachlass im Schlosse zu Tegel. Die Erlaubnis zur Veröffentlichung verdanke ich der verehrten Besitzerin und Hüterin des tegeler Hausarchivs, Humboldts Enkelin, Frau Majorin Konstanze von Heinz, geb. von Bülow. Ihres nun schon durch Jahre hindurch mir bewiesenen freundschaftlichen und bereitwilligen Entgegenkommens durfte ich mich auch bei dieser Arbeit wie bei so mancher früheren in herzlicher Dankbarkeit erfreuen.


Auf die Zusammenstellung der Erläuterungen ist besondere Sorgfalt verwendet worden. Die Auffindung und Abschrift des im Anhang abgedruckten Theeliedes der Frau Reimarus danke ich Herrn Direktor Karl Redlich in Hamburg; einige pommersche und rügische Personalien haben mir die Herren Doktoren Rudolf Baier in Stralsund und Martin Wehrmann in Stettin auf meine Bitte freundlichst zugesandt.

Jena, 24. Juli 1894.
Albert Leitzmann.