Tafel 003 und 004 – Die Kaiserin Theodora †548 und Kaiser Justinianus †565

Aus: Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des Achtzehnten Jahrhunderts – Band 7
Autor: Hefner-Alteneck, Jakob Heinrich Dr. von (1811-1903) Museumsdirektor, Altertumsforscher, Kunst- und Kulturhistoriker, Zeichner und Radierer, Erscheinungsjahr: 1886
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mittelalter, Deutschland, Sittenbilder, Sittengeschichte,
Mosaikbilder mit lebensgroßen Figuren in der Kirche San Vitale zu Ravenna, daselbst kopiert im Auftrage S. M. des Königs Wilhelm IV. von Preußen im Jahre 1837 von Dr. Ernst Förster. Seitdem diese geschichtlich so wichtigen Bildwerke in unserer ersten Auflage erschienen, wurden zwar mehrfach fotografische Aufnahmen nach diesen Mosaikbildern gefertigt, welche aber doch in sofern keinen Ersatz für unsere Veröffentlichung boten, als die Fotografien die Originale, welche sich in einer gerundeten Nischenwand befinden, in perspektivischer Verschiebung wiedergeben, wogegen unsere Darstellungen als auf einer geraden Fläche gedacht erscheinen. Wenn die Fotografie die Wirkung der Farben im Allgemeinen nicht wiedergibt, so ist dieses besonders bei Mosaikbildern mit Unebenheiten und ungleichem Glanze der Fall.

Die Kirche San Vitale, noch gegründet unter dem Gotenkönig Theodorich, wurde nach Zerstörung der Gotenherrschaft in Italien durch Justinian vollendet, und unter Mitwirkung des Julianus Argentarius (des königlichen Architekten oder Schatzmeisters) musivisch ausgeschmückt und im Jahre 547 eingeweiht. Der feierliche Kirchgang zu dieser Einweihung ist der Gegenstand dieser beider großen Bildwerke, welch die Wände der hohen Chornischen bedecken.

Durch die Darstellungen auf beiden Tafeln geben wir eine gute Verstellung von dem Charakter der Kostüme der früh-christlichen Zeit. Es ist aus diesen Bildern schon zu entnehmen, weil die Tracht von der späten Römerzeit bis in das X. Jahrhundert, wo sich zuerst das Christentum in ihr ausspricht, wenig dem Wechsel unterworfen und sehr einfach war. Nur die Fußbekleidung bei den Männern wie Frauen weicht von jener des Römertums ab. In Wirklichkeit ist von Bestandteilen der Trachten, abgesehen von vereinzelten Waffenstücken, auf unsere Zeit wenig überliefert worden, nur besitzen wir aus Gräberfunden Schmuckgegenstände, als Fibulen, Agraffen, Armspangen, Perlen von Glas und gebranntem Ton. Einzelne Überreste von gemusterten Seidenstoffen haben sich, wenn auch als große Seltenheiten, erhalten, da man mit solchen schon in frühchristlicher Periode Reliquien umhüllte.

Die hier vielfach erscheinenden, vereinzelt stehenden breiten langen Streifen von dunkler Farbe auf heller Kleidung war eine besondere und stets wiederkehrende Eigentümlichkeit, ebenso die viereckigen Stücke, welche aus einem anderen Stoffe geschnitten in die Mäntel der Männer eingesetzt wurden und verschiedene Rangabstufungen bezeichneten.

Die Bischöfe trugen bekanntlich vor dem XI. Jahrhundert noch keine Insul, wie hier Maximianus. A Kaiser Justinian, das Weihgeschenk für die Kirche in goldener Schüssel tragend. Er war geboren 483, mithin im Jahre 547 64 Jahre alt. E F G drei Hofleute oder weltliche Reichswürdenträger. H I K die königliche Leibwache mit dem Schilde, darauf das Abzeichen der christlichen Kaiser. Dieses nannte man das Constantinische Monogramm, weil es durch Constantin nach seinem Siege über Maxentinus allgemein als Zeichen des Christentums geführt wurde. Dasselbe enthält die griechischen Buchstaben X und P d. h. CH. und R., die zwei ersten Buchstaben des Namens Christus. Durch Constantins Sieg ist dieses bei den Christen übliche Monogramm verherrlicht und siegbringendes Zeichen geworden. Deshalb ist dasselbe häufig, von einem Kranze umgeben, dargestellt auf Sarcophagen.

Älter als dieses ist jenes, welches in der Mitte statt des P ein I hat. I und X sind die Anfangsbuchstaben von . . .

B der oberste Würdenträger der Kirche zu Ravenna, Bischof Maximianus, der die Einweihung von San Vitale vorgenommen. C und D zwei Geistliche, der eine mit dem Evangelienbuche, der andere mit dem Rauchfass.

Kaiserin Theodora war die Tochter des Patriarchen von Konstantinopel und von ihrer Mutter zum Theater erzogen worden, auf welchem sie sich durch ihre Kunst der Pantomime aus gezeichnet. Mit dem Statthalter Ekoboles ging sie nach Afrika, wurde aber bald von ihm verabschiedet. Von Alexandria, wo sie in großer Not lebte, nach Konstantinopel zurückgekehrt, wurde sie hier in tiefer Zurückgezogenheit von Justinian, der damals als Patrizier dem Thron noch sehr fern stand, aufgefunden und geheiratet. Sie ward nach Justinians Thronbesteigung vom Patriarchen zur Kaiserin gekrönt und die Geschichte rühmt ihr nach, dass sie durch Geist und Kühnheit mehr als ihr hoher Gemahl das Reich regierte. Auch hat sie ihr früheres Leben zu büßen gesucht durch Umwandlung eines kaiserlichen Palastes auf der asiatischen Küste in ein weibliches Besserungshaus.

Hier sehen wir A Theodora in vollem Schmucke von Perlen und Edelsteinen, ein goldenes Weihgefäß in ihren Händen. Der Saum des Mantels ist mit einer Darstellung der Magier aus dem Morgenlande geziert, vom welchen man nur die Letzteren sieht, wie sie Geschenke bringen. Eine ähnliche Handlung der Kaiserin. Die phrygischen Mützen der Magier sind sich häufig auf ähnlichen Darstellungen an den ältesten Sarkophagen.

Die Aureola hinter dem Kopf der Kaiserin ist hier wie bei dem Kaiser nicht als Heiligenschein zu deuten, sondern dient nur zur Bezeichnung ihrer bevorzugten Stellung. I und K sind Hofbedienstete, der eine hebt den Vorhang. B bis H die zum Hofstaat gehörigen Frauen in reichem Schmucke, mit Ausnahme der Fußbekleidung, ebenfalls nach Römerart. Der Brunnen (Cantharus), vor dem durch einen Teppich verhängten Eingang, bildet einen wesentlichen Teil der alten Kirchen und hatte wenigstens im Orient immer fließendes oder springendes Wasser, durch welches der Eintretende die Handlung symbolischer Reinigung auszuführen hatte.

Tafel 003 - Kaiserin Theodora gestorben 548

Tafel 003 - Kaiserin Theodora gestorben 548

Tafel 004 - Kaiser Justinianus gestorben 565

Tafel 004 - Kaiser Justinianus gestorben 565