VIII. Erratische Pflanzen und Tiere.

1. In den verschiedensten Gegenden, welche nach Annahme der Geologen unter Einwirkung des Eises standen, findet man in den diluvialen Schichten Überreste von Pflanzen und Tieren, die auf ein raues Klima, d. h. aus eine Eiszeit hindeuten sollen. Da diese Tiere und Pflanzen selbstverständlich nicht während der Vergletscherung gelebt haben können, verlegen die Geologen ihre Existenzzeit zwischen zwei Eiszeiten und bezeichnen die betreffenden Schichten als interglacial, d. h. diese Schichten haben sich zwischen der ersten oder zweiten oder dritten Vergletscherung der Gegend gebildet. Auch findet man heutzutage noch lebende Pflanzen und Tiere, welche an Örtlichkeiten sich aufhalten, welche nach Behauptung der Geologen die Verbreitung von Eis über diese Gegenden voraussetzen.

„Es gibt nicht nur erratische Blöcke,“ schreibt Dr. Heim Seite 545, „sondern auch erratische Pflanzen, welche als Belege eines früher alpin-arktischen Klimas durch das ganze Tiefland der gemäßigten Zone gelten. Wir finden:


a) Lebende Kolonien von nicht durch Wind in Samen übertragbaren alpinen Pflanzen auf den Hügeln des Molassenlandes, in den Sümpfen hinter den Moränen oder auf großen erratischen Blöcken.

b) Die alpinen Kolonien im Vorlande bestehen ans Pflanzen, welche im gleichen Gebiete der Alpen ihre Heimat haben, wie die erratischen Blöcke in den Umgebungen der Kolonie.

c) Zahlreiche lebende Pflanzenspezies des Circumpolargürtels finden sich identisch wieder auf den vermiedenen Gebirgen der gemäßigten Zone, während jetzt eine Ausbreitung derselben durch die trennenden Landstriche durchaus unmöglich ist.

Bei a) haben wir es in kleinerem, bei c) in größerem Maßstabe mit zerrissenen Verbreitungsgebieten zu tun, wie sie einzig durch die Annahme früheren Zusammenhanges erklärbar sind.

d) An zahlreichen Stellen zwischen den Gebirgen der gemäßigten Zone und dem Polargürtel, wo jetzt die gemäßigte Tieflandsflora herrscht, sind in glacialen Ablagerungen (in feinem Thonschlamm, in geschichtetem Erraticum, in Thon über den Moränen, aber unter dem Torf der Pfahlbauzeit u.) hoch alpin-arktische Pflanzenspecies fossil erhalten gefunden worden, z. B. Hypnum diluvii, Salix reticulata, Betula nana u. f. w.

Aus a) bis d); folgt, daß alpin-arktischer Pflanzenteppich in Zusammenhang mit der Zeit großer Gletscherverbreitung einst die ganze gemäßigte Zone bekleidet hat und daß zur Zeit der erratischen Ablagerungen auch ein dem entsprechendes Klima geherrscht haben muß“ (??).

Bei dieser Darlegung Heims haben wir Tatsachen und Schlüsse auseinander zu halten. Tatsache scheint es, daß jetzt Pflanzen an Örtlichkeiten gedeihen, die einst miteinander durch irgend etwas besser zusammenhingen als jetzt. Hieraus zieht Heim den Schluß, daß das Eis diesen Zusammenhang hergestellt haben müsse. Dieser Schluß ist falsch; es kann ebenso gut Wasser, flutendes Wasser, die Verbindung ermöglicht haben. Tatsache scheint ferner, daß jetzt im Tiefland hoch alpin-arktische Pflanzen fossil gefunden werden; aber die Folgerung Heims, daß diese dort, wo sie gefunden werden, auch gewachsen sein müssen, ist unberechtigt, denn sie können dorthin auch geschwemmt worden sein. lind gesetzt, es könnte der wohl unmögliche Nachweis erbracht werden, daß sie auch an den Fundorten gelebt haben, so ist das noch kein Beweis eines besonders kalten Klimas, das nur durch eine Bereifung Erklärung fände. Gedeihen ja auch jetzt, wo Deutschland nicht vergletschert ist, alpine Pflanzen „auf den Hügeln des Molassenlandes, auf großen erratischen Blöcken, auf Gebirgen der gemäßigten Zone“ , wie Heim unter a), b) und c) selbst zugibt. Sind diese jetzt lebenden alpinen Pflanzenspezies kein Anzeichen etwaiger Vergletscherung, warum sollten dann die fossil gefundenen als solche gelten? Dass unter den fossil gefundenen Pflanzen auch einzelne alpine auftreten (die, wie soeben kurz erwähnt wurde, nicht für eine Vergletscherung der Gegend sprechen) bleibt allerdings richtig, aber man darf dabei die übrigen fossil gefundenen keineswegs alpinen Gewächse nicht übersehen, denn diese bilden die Mehrheit. Dr. Reumahr (II. 584, 591) nennt als solche: Föhre, Fichte, Lärche, Eiche, Hainbuche, Linde, Ahorn, gelbe Schwertlilie, Schilfrohr, „im ganzen dieselben Gewächse, die noch heute in Norddeutschland allgemein verbreitet sind und die kaum aus irgend eine Abweichung des Klimas von dem heutigen schließen lassen,“ ferner Eibenbaum, Haselnuss, Fieberklee, weiße und gelbe Seerose u. s. w. Ein Anhänger der Gletschertheorie liefert mir also das Material zur Widerlegung der Behauptung der Geologen, daß die diluvialen Pflanzen ein Beweis für Vergletscherung seien.

3. Ich habe hier nur noch kurz eines Einwandes zu gedenken, den mein Gegner Rühl (in Beilage 8 der Augsburger Postzeitung vom 23. Februar 1893 mir machte, daß nämlich öfter zwischen erratischem Materiale ansehnliche Torfbildungen gefunden werden, die sich unmöglich unter den Sündflutgewässern in so kurzer Zeit gebildet haben können. Hierauf erwidere ich: Wer kann denn beweisen, daß die Sündflutgewässer überall auf der ganzen Erde innerhalb eines Jahres verliefen? Konnten nicht einzelne Länder noch Jahrhunderte lang vom Wasser bedeckt sein, bis auf irgend eine Weise das Wasser einen Abfluss sich verschaffte und dadurch eine neue Überschwemmung eines bereits trockenen Landstriches verursachte? Die Geologen nehmen eine mehrmalige Vereisung mit normalen Zwischenzeiten an; auch die Sündfluttheologen können, ohne daß sie mit ihrer Theorie in Widerspruch geraten, mehrmalige Überschwemmungen mit oder ohne Zusammenhang mit der Sündflut zugeben. Ich wenigstens neige der Ansicht zu, daß zwischen Ablagerung der Nagelfluh in der bayerischen Hochebene und zwischen der Anschwemmung des sogenannten eigentlichen Moränenmaterials längere Zeit - einige Jahrzehnte oder noch mehr - verstrichen sei, und daß ein Teil dieser Ablagerungen schon vor der Sündflut - vielleicht infolge Berstens eines alpinen Binnenmeeres im etwaigen Zusammenhang der Hebung des Alpengebirges - die bayerische Hochebene erreicht hat. Dergleichen Katastrophen waren auch nach der Sündflut in einzelnen Gegenden möglich. In der Zwischenzeit konnten sich Torflager bilden da hierzu ein ganz kurzer Zeitraum genügt (siehe Dr. Merz, Buch der Erde, S. 55). Bei solchen großartigen Überflutungen konnten aber auch einzelne Torfschichten - gleich dem erratischen Materiale - losgerissen und weit fortgeschwemmt worden sein und zwischen die Ablagerungen gelangen. Mit dieser doppelten Möglichkeit der Einlagerung von Torfschichten verliert der Einwand Rühls jede Bedeutung.

4. „Zu den erratischen Pflanzen,’’ fährt Dr. Heim fort, „gesellen sich die erratischen Tiere. Wir finden:

a) Lebende Kolonien von nicht mehr durch Wanderung übertragbaren alpinen oder arktischen Tieren (besonders Insekten und Mollusken) auf den Hügeln des Molassenlandes, in den Sümpfen hinter den Moränen, in Gesellschaft mit den erratischen Pflanzen und Blöcken.

b) Die alpinen Kolonien im Vorlande bestehen aus Tieren, welche im gleichen Gebiete der Alpen ihre Heimat haben, wie die erratischen Pflanzen und Blöcke in den Umgebungen der Kolonie.

c) Manche Tierspezies des nordischen Gebietes finden sich identisch wieder in Kolonien auf den verschiedenen Gebieten der gemäßigten Zone oder selbst im Meere bei kalten Quellen, während jetzt eine Ausbreitung derselben durch die trennenden Landstriche unmöglich ist.

d)An zahlreichen Stellen zwischen den Gebirgen der gemäßigten Zone und dem Polargürtel, wo jetzt die gemäßigte Tieflandsfauna herrscht, sind oft in weiter Verbreitung und in zahlreichen Exemplaren in glacialen oder verwandten Ablagerungen alpin-arktische Tiere fossil gefunden worden (Renntier, Moschusochs, Vielfrass, Polarfuchs, Schneehuhn, Gämse, Steinbock, Schneehase, Murmeltier u. s. w.).

e) An gleichen Fundstellen kommen in zahlreichen Resten ausgestorbene Tiere vor, von welchen z. B. sicher rauem Klima das Mammut, Rhinozeros tichorrhinus, gemäßigtem und rauem Klima der Höhlenbär, Urochse, möglicherweise wärmerem Klima der elephas antiquus angehörten.“

Auch hier tritt wie bei den Pflanzen eine falsche Schlussfolgerung zu Tage, abgesehen davon, dass manches als Tatsache bezeichnetes Vorkommnis ( z.B. a) und c)) mit keinem Worte näher bewiesen ist, weshalb es mit dem gleichen Rechte bestritten werden kann. Quod gratis asseritur, gratis negatur. Nun zur Widerlegung im einzelnen. Konnten Insekten und Mollusken sich mit Hilfe von Gletschern verbreiten, so ist das durch Wasser (die meisten Insekten pflanzen sich durch Eier fort) und bei Insekten ebenso durch Winde (Eier) möglich. Können jetzt noch trotz Aufhörens der Eisperiode Tiere im alpinen Vorlande, resp. in gemäßigter Zone leben, so brauchten sie auch damals keine Kälteperiode. Jetzt ist allerdings eine Ausbreitung der Wassertiere „durch die trennenden Landstriche unmöglich“; aber zur Zeit der Sündflut war diese Schranke gefallen; überallhin stand ihnen die Wanderung frei. Bezüglich der alpin-arktischen Tiere, welche fossil gefunden werden, konstatiere ich, dass kein Geologe bewiesen hat, jene Tiere hätten auch dort gelebt, wo sie jetzt gefunden werden. Bei Hochwasser aus den Alpen, Wolkenbrüchen u. s. w. macht man öfter die Erfahrung, dass Tierleichen mittransportiert werden, so können auch die alpin-arktischen Tiere von den Schneeregionen der Gebirge durch die Sündflutgewässer - mit dem erratischen Materiale - fortgeschwemmt und erst in den Ebenen abgelagert worden sein. Aus dem Pelze von Tieren zu schließen, es müsse jene Periode, in welcher sie gelebt, eine Eisperiode gewesen sein, muss wohl als sehr kühn bezeichnet werden; bekanntlich haben auch die Hunde, Hasen, Füchse u. s. w. Pelze, und existieren doch auch in gemäßigtem Klima, ohne ein vergletschertes Terrain zu benötigen; auch die Bären, welche auf Geheiß des Propheten Elisäus jene ausgelassenen Knaben zerrissen, hielten es trotz ihres Pelzes im milden Palästina aus. Die Tiere können sich ja wie die Menschen acclimatisieren. Dr. Merz (S. 8l) erwähnt z. B., dass der bengalische Tiger noch heutzutage einzelne Male bis nach Sibirien streife, und erst in den letzten Jahren konnte man in Tagesblättern lesen, dass das nordische Steppenhuhn in Deutschlands Gauen seinen Wohnsitz aufgeschlagen habe.

5. Wie unzuverlässig alle Schlüsse aus dem Vorkommen mancher Tiere auf kaltes oder warmes Klima seien, dafür liefere ich einen Beleg aus Dr. Neumayrs Erdgeschichte (II. 29). Dieser Gelehrte steht nicht an, folgendes zu bekennen: „Es zeigt sich häufig, namentlich unter den Landbewohnern, dass speziell tropische Formen in unseren Gegenden und auch in hohen Breiten in den alten Ablagerungen gefunden werden. Aus solchen Vorkommnissen wird im allgemeinen aus warne Temperatur geschlossen oft aber geht man weiter und sucht aus dem Charakter einer lokalen Flora oder Fauna geradezu auf die mittlere Jahrestemperatur zu schließen. Der Wert all dieser Schlüsse hängt von der Richtigkeit der Annahme ab, dass nahe miteinander verwandte Formen unter denselben oder sehr ähnlichen klimatischen Verhältnissen leben müssen und dass im Laufe langer geologischer Perioden keine Akklimatisation stattfinden könne. Sobald diese Voraussetzungen sich als irrig erweisen oder nicht bewiesen werden können, fallen natürlich all die Folgerungen in sich zusammen. Wenn wir nun an die Prüfung dieser Voraussetzungen gehen, stoßen wir sofort auf eine Menge auffallender Widersprüche. So müssen z. B. Elefant und Nashorn nach ihrem jetzigen Vorkommen in Afrika und Indien als eminente Charaktertiere heißer Gegenden betrachtet werden und doch weiß man, dass Angehörige dieser beiden Gattungen in der Diluvialzeit gelebt haben; man findet ihre Reste im sibirischen Eisboden und die Speiseüberreste, welche man in ihren Zähnen gefunden hat, rühren von hochnordischen Pflanzen her. Andererseits weiß man, dass in der jetzigen Schöpfung eine und dieselbe Art unter verschiedenen Himmelsstrichen lebt und dass sehr nahe miteinander verwandte Formen unter kontrastierenden äußeren Verhältnissen leben, wie z. B. die Füchse, die in einander ganz nahestehenden Arten von den kältesten bis zu den heißesten Gegenden vorkommen.“

„Von großer Wichtigkeit ist für unseren Gegenstand vor allem die Beobachtung, dass in den alten Formationen zwar tropische Typen eine sehr hervorragende Rolle spielen, dass aber neben ihnen auch Tiere und Pflanzen auftreten, wie sie heute den kälteren Regionen eigen sind. So finden sich in der Flora der böhmischen Kreideformation neben einer Reihe tropischer Formen auch Kirsche, Weide nnd Efeu. Die Haifischsippe Selache, welche in der Kreideformation Europas vorkommt, ist heute an der grönländischen Küste heimisch. Unter den marinen Tieren werden die Riffkorallen als der auffallendste Beleg für die heiße Temperatur der alten Formationen angeführt; heute bedürfen dieselben zu üppigem Gedeihen einer Wassertemperatur, die nie unter 20° Celsius fällt, und doch finden wir paläozoische Korallen jenseits des 70° nördlicher Breite. Solche Beispiele zeigen, daß die weitgehendsten Akklimatisationen vor sich gegangen sind, mögen nun Organismen wärmerer Regionen sich an die Kälte gewöhnt haben oder umgekehrt. Es geht aber auch daraus hervor, daß keineswegs alle die fossilen Formen übereinstimmend auf warmes Klima verweisen. Überhaupt findet man oft genug bei näherer Prüfung, daß die in dieser Beziehung vorgebrachten Belege einer Kritik in keiner Weise genügen.“

Dies dürfte nach meiner Ansicht vollkommen hinreichen, um darzutun, daß der auf die Tierwelt gestützte Beweis der Geologen für eine Eiszeit als missglückt zu betrachten ist, zumal im Diluvium nicht bloß Polarfüchse, Gämsen, Murmeltiere, sondern auch Hirsche, Elefanten, Nashörner, Pferde, Wildschweine, Tiger, Wölfe, Füchse. Maulwürfe, Eichhörnchen, Feldmäuse, Marder u. s. w. fossil vorkommen (Neumahr II. 585, 591) von denen man doch nicht behaupten wird, dass sie einer kalten Region angehören. Die diluviale Tierwelt lässt sich, so sehr sich auch die Geologen bemühen, zu Gunsten der Gletschertheorie niemals verwerten, im Gegenteil, sie ist es, welche die Gletschertheorie in ihrer vollständigen Unhaltbarkeit nachweist, wie ich im nachfolgenden beweisen will. Zwei Punkte sind es, welche ich hervorhebe, nämlich die Binnen- sowie marinen Ablagerungen und das plötzliche Verschwinden oder Aussterben der großen Diluvialtiere.

6. In Bezug auf die angebliche Vereisung Norddeutschlands bemerkt Dr. Neumayr (II. 581): „Das Klima war also von dem jetzigen nicht sehr verschieden, ja das Vorkommen der Kastanie, Linde und des Ahorns lässt eher aus etwas wärmere Temperatur schließen. Wir sehen aber auch, dass in dem größten Teile des norddeutschen Gebietes die ältesten diluvialen Bildungen sich nicht im Meere, sondern im süßen Wasser gebildet haben, und dies wird auch durch das sehr verbreitete Vorkommen einiger Süßwasserconchylien in den oben genannten Tonen und Sanden bestätigt. Allerdings fehlt es neben diesen Binnenbildungen nicht an marinen Ablagerungen desselben Alters, allein dieselben nehmen einen sehr geringen Raum ein und sind aus ganz bestimmte, am Rande des Gebietes gelegene Striche beschränkt.“ „Besondere Beachtung verdienen sodann die Meeresablagerungen, welche aus den britischen Inseln vielfach mit Glacialablagerungen in Verbindung stehen und stellenweise eine sehr reiche Molluskensauna enthalten. Sie zeigen, dass das Meer erheblich höher stand als heute, stellenweise erheben sich die Meermuscheln bis zu einer Höhe von etwa 400 m“ (II. 592).

„Seitlich schließen sich an die Ufar, an deren Fuße, häufig Meeresbildungen mit zahlreichen Resten von Schnecken- und Muschelschalen an. Solche marine Diluvialablagerungen sind überhaupt in Skandinavien sehr verbreitet und finden sich namentlich längs der Küsten in zahlreichen „gehobenen Muschelbänken“, welche in verschiedenen Höhen über dem Meeresspiegel bis zu einem Niveau von etwa 200 m aufsteigen. Das Meer stand also gegen Ende der Diluvialzeit um soviel höher als jetzt an den dortigen Gestaden. Indem es sank, ließ es in verschiedenen Höhen bei seinem Rückgange Muschelbänke zurück“ (II. 578)

Die Erklärung, die Neumayr über die geschilderten Verhältnisse gab, ist allerdings sehr einfach, entspricht aber den Tatsachen nicht. Wäre das Meer 200 m höher gestanden, als jetzt, wie kommt es dann, dass nur „am Rande des Gebietes“ sich solche marine Bildungen finden? Stand das Meer so hoch über dem Lande, dann mussten sich nicht bloß an den Küstenrändern, sondern auch im Innern des Landes derartige Bildungen in häufigerem Vorkommen ausweisen lassen. Dass sie im Innern fast ganz fehlen, spricht gegen eine Meereserhebung, und so bleiben uns die Gletschergeologen eine richtige Antwort schuldig. Die Sündfluttheorie aber weiß Bescheid. Das Sündflutgewässer war hauptsächlich süßes Wasser; an den Küstenrändern musste es sich teilweise mit salzigem Meerwasser vermischen und so konnten sich Muscheln u., welche salziges Wasser benötigten, teilweise ins Land hinein ansiedeln. Im Innern gab es nur das Süßwasser der Sündflut, dort fanden also die meisten der Muscheln u. ihre Existenzbedingungen nicht vor und blieben fern. Dort konnten also nur Süßwasserbildungen entstehen, die Neumayr ja ebenfalls erwähnt, die aber durch Schmelzwasser von Gletschern nicht erklärlich sind.

7. Noch mehr als diese Binnen- und marinen Ablagerungen bekunden die Unhaltbarkeit der Gletschertheorie, die plötzlich verschwindenden oder aussterbenden Diluvialtiere, obwohl sie in zahlreichen Exemplaren existierten. Sie lebten nach Annahme der Geologen in der Interglacialzeit. Gesetzt, sie wären nun plötzlich infolge einer Epidemie ausgestorben, dann mussten ihre Leichen aus der Oberfläche liegen bleiben nnd verfaulen, innerhalb einiger Wochen oder Jahre. Wie konnten diese Leichen im Gerölle und Schutt, sogar viele Meter tief und viele Meter über dem Niveau der Flüsse begraben werden? Dass zur gleichen Zeit, als diese Epidemie sie hinwegraffte, die Eisströme der Gletscher hervorbrachen und Geröll und Schutt anhäuften, aus diesen Einfall werden die Geologen doch nicht im Ernste kommen, das wäre über den Deus ex machina in Theatern! Für solche Epidemie lässt sich gar kein Grund geltend machen, sondern ein wichtiger gegen sie. Denn diese Epidemie müsste aus der ganzen Erde eingetreten sein, da auch in anderen Erdteilen der Rückgang der Tiere beobachtet wird; das aber ist so unwahrscheinlich, dass es wohl Niemand ernstlich behaupten wird.

Man könnte vielleicht sagen, die Tiere fanden wegen des Herannahens des Eises die nötigen Existenzbedingungen nicht mehr nnd starben so aus oder wurden lebend von den Eisströmen begraben. Aber da die Vergletscherung nur allmählich vorrücken konnte, würden die Tiere wohl nicht so einfältig gewesen sein, um auf das Herannahen des Eises zu warten, sie würden in diesem Falle sicher eine Wanderung in eine nicht vergletscherte Gegend gemacht haben. So stehen also die Geologen dieser Erscheinung wirklich wie einem unlösbaren Rätsel gegenüber. Dr. Neumayr ist so aufrichtig, dies unumwunden zuzugeben, mit folgenden sehr interessanten Worten:

,In erster Linie wird man natürlich den auffallenden Wechsel der klimatischen Verhältnisse und damit auch der Flora verantwortlich machen wollen, manche Tiere werden einfach der zu großen Kälte beim Eintritte der Eiszeit oder der wiederkehrenden Wärme nach Ende derselben erlegen sein. Noch mehr wirkten wahrscheinlich auf die Pflanzenfresser die Veränderungen der Vegetation, indem sie die ihnen zusagende Nahrung nicht mehr fanden, und natürlich werden dabei gerade die Riesen der Tierwelt, welche ungeheure Mengen von Futter verbrauchen, in erster Linie betroffen werden. Allein offenbar reichen diese Verhältnisse zur Erklärung nicht aus. Betrachten wir z. B. das Mammut, dessen Verbreitung von den Ufern des Mittelmeeres, bis zu denen des nördlichen Eismeeres reicht, das vor dem Eintritte der Kälteperiode inmitten einer Vegetation lebte, wie wir sie heute in Europa haben, das sich während der Eiszeit erhielt (??), das von den Pflanzenresten des nördlichen Sibirien sich zu nähren vermochte und nach dem Verschwinden der Gletscher noch immer in unseren Regionen ausdauerte, so können wir offenbar nicht an die oben besprochene Ursache denken, sondern vielmehr an die Tätigkeit des Menschen, der in jahrtausendlang fortgesetztem Ringen manche (!!) dieser Kolosse und der furchtbaren Raubtiere ausrottete.

Diese zwei Ursachen könnten (??) für die Erklärung der Verhältnisse genügen, wie wir sie in Europa finden; allein, wenn wir für einen Augenblick über dessen Grenzen hinausgreifen, so überzeugen wir uns, dass es sich nicht überall so verhält. Wie wir sehen werden, zeigt sich ein ähnlicher Rückgang über den größten Teil der Erde und in besonders auffallender Weise in Amerika. Von den Vereinigten Staaten von Nordamerika bis nach Patagonien, also in der heißen nnd in den beiden gemäßigten Zonen, waren massenhafte Mastodonten, riesige den Elefanten nahestehende Tiere, und neben ihnen ein ganzes Heer von kolossalen Edentaten, verwandten der Faultiere und Gürteltiere, vorhanden; hier kann die Eiszeit keinen Ausschlag geben; denn die Tiere, denen es im Norden und Süden zu kalt wurde, konnten sich in der Mitte, in der Äquatorialregion erhalten. Dass der Mensch sie vernichtet habe, ist ebenfalls unwahrscheinlich, denn man kann kaum annehmen, dass der außerordentlich dünnen und aus niedriger Kulturstufe stehenden Urbevölkerung, z. B. des östlichen Südamerika, dies gelungen sein sollte, während es der hochstehenden und überaus dichten Bevölkerung Indiens nicht möglich gewesen ist, die ihre Felder verwüstenden Elefanten und Nashörner zu vertilgen. Wenn wir aber sehen, dass in Amerika die großen Diluvialtiere ausgestorben sind, ohne dass die Ursachen gewirkt hätten, deren Tätigkeit man für Europa annimmt, so muss das sehr ernste Zweifel an der Berechtigung dieser Annahme für unseren Erdteil anregen, und wir müssen wirklich gestehen, dass das Verschwinden der großen Diluvialtiere uns trotz aller Bemühungen eine rätselhafte und unerklärliche Erscheinung darstellt (II. 615).

Vor allem muss man für eine allgemein verbreitete Erscheinung eine allgemeine Ursache angeben können und da wir das nicht imstande sind, so müssen wir gestehen, dass uns das Aussterben der großen Diluvialtiere noch immer ein Rätsel ist“ (II. 643).

8. Wir begegnen also hier dem nämlichen Geständnisse der Rätselhastigkeit dieser Erscheinungen, wie früher in betreff der Mächtigkeit des Schuttmaterials und der finnischen Gesteine, nachdem eine Erklärung zwar versucht wurde, aber misslang. Die Sündfluttheorie allein vermag dies Rätsel zu lösen. Die Sündflut, als eine Überflutung der ganzen Erde, ist in der Tat „eine allgemeine Ursache für die allgemein verbreitete Erscheinung“ des Aussterbens der Tierwelt. Da wurden jene Tiere begraben, welche zwar dem Eise hätten entrinnen können, aber nicht dem alle Berge überflutenden Sündflutgewässern; nur die in der Arche befindlichen wurden gerettet; da dies von jeder Gattung nur einige waren, fällt auch die Armut au Riesentieren nach der Sündflut nicht mehr auf. Es mögen manche Arten überhaupt nicht in die Arche aufgenommen worden oder verschiedene Einflüssen nach der Sündflut bald erlegen sein, so dass bis jetzt, zumal nach der Sündflut (vielleicht wegen Mangel großer Überschwemmungen) wenig Gelegenheit zur Konservierung von Tierleichen bestand, keine davon mehr gefunden wurden; hierher gehören teilweise die von den Geologen als „plötzlich ausgestorben“ bezeichneten Diluvialtiere. Andere Arten erhielten sich nach der Sündflut etwas länger, sie starben nur allmählich aus. Von einem Widerspruch, wie Boetzkes (a. a. D.) meint, kann somit bei Sündfluttheoretikern keine Rede sein; diese wissen also ganz gut zu erklären, „warum die großen Diluvialtiere trotz der supponierten Urwälder plötzlich verschwanden, während die gleichaltrigen Renntier-, Rüssel-, Riesenhirsch- und andere Herden trotz der Sündflut nicht plötzlich ausstarben.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sündflut oder Gletscher?