VII. Riesentöpfe.

1. Neben den erratischen Blöcken, dem sogenannten Moränenmaterial und den sogenannten Gletscherschliffen legen manche Geologen (z. B. Dr. Heim, Dr. Pfeifer) ein besonderes Gewicht auch auf die sogenannten Riefentöpfe oder Gletschermühlen. Dr. Pfeifer widmete diesem Gegenstande in einer an mich gerichteten Entgegnung folgenden Passus: „Ich komme nun zur Besprechung jener topfartigen Vertiefungen, welche bald als Riefentöpfe, bald als Gletschermühlen bezeichnet werden. Im allgemeinen gesprochen können derartige Erscheinungen zwei verschiedene Entstehungsweisen haben; sie können durch Gletscherbäche, welche in Spalten hinnuterstürzten, oder auch durch anderes fließendes Wasser entstanden sein. Ob die eine oder andere Entstehungsweise vorliegt, muss aus den näheren Umständen erschlossen werden; diese Umstände können aber so sichere Indizien geben, dass die Entscheidung nicht zweifelhaft sein kann.

Als solche Gletschertöpfe, welche wirklich nur durch stürzendes Gletscherwasser entstanden sein können, betrachte ich erstens jene in dem sogenannten Gletschergarten bei Luzern, dann einen Topf unweit des Wildbades Gastein in einem Walde, und eine große Gletschermühle, die von Überlingen am Bodensee eine kleine Wegstunde entfernt ist. Ich habe hiebei nur solche Erscheinungen, die ich selbst besichtiget habe, genannt.


Über die Riesentöpfe im Gletschergarten zu Luzern hat Heim in seiner Gletscherkunde (S. 544) ein kompetentes Urteil abgegeben, welches ich wörtlich hier mitteilen will. „Die Riesentöpfe sind in marinen Molassesandstein eingehöhlt. Die ganze Felsfläche war mit echter Grundmoräne bedeckt. Aus dem Fels lagen viele geschrammte Blöcke; in den tieferen Teilen der bis zu 7½ m tiefen Töpfe lagen nur mattglattgerundete Mahlsteine, aus den erratischen, inneralpinen Gesteinsarten gebildet. Da die Mahlsteine nur durch den Gletscher über den See ( der Vierwaldstädter ist gemeint) gebracht werden konnten und erratische Blöcke sind, so kann das Strudelloch, das sie ausgeschlafen haben, nicht älter sein, als der Transport der Blöcke zu dieser Stelle. Die Felsfläche, in welche die Töpfe eingesenkt sind, ist mit abgezeichnetem Gletscherschliff bedeckt. Derselbe findet sich ringsum am Rande der schönsten Strudellöcher. Wenn die letzteren von einem Bache nach der Eiszeit gebildet worden wären, so hätte derselbe notwendig die zwischenliegenden Gletscherschliffe zerstören müssen. Aus der Art, wie die Löcher in eine Gletscherschlifffläche eingesenkt sind, geht hervor, dass sie nicht nach dem Entstehen der Schlifffläche ausgehöhlt sein können. Dadurch ist in alter Schärfe bewiesen, dass die Töpfe nicht vor und nicht nach, sondern während der Eiszeit entstanden sind. Es kommen noch andere Erscheinungen hinzu: alle Töpfe sind aus der talaufwärts gelegenen Seite unterhöhlt, wie dies stets bei der Erosion durch Gletschermühlen ..... eintreten muss. - Allerdings liegen die Töpfe in einem Tale, das wahrscheinlich ein alter Reußlauf war. Allein das Ausspülen von 7½ m tiefen Töpfen mit Mahlsteinen bis zu 1 m Durchmesser lässt sich mir (!!) nur durch einen gewaltigen Sturzbach oder Wasserfall - denken. Es bleibt nur die Erklärung durch die Gletschermühle übrig.“ Ich habe hierzu auf Grund eigener Beobachtung noch folgendes zu bemerken. Dort, wo die besprochenen Riesentöpfe sind, befindet sich in der Nähe keine solche Erhebung oder Felsenwand, dass ohne Gletscher ein Wasserfall daselbst hätte entstehen und die Mahlsteine in Bewegung setzen können. Andererseits aber konnten jene Mahlsteine, welche zum Teil noch jetzt in den Töpfen liegen und dieselben ausgehöhlt haben, die dazu nötige wirbelnde Bewegung nur durch einen starken Wassersturz von oben erhalten. Es bleibt also nur übrig, einen Gletscher anzunehmen, dessen Schmelzwasser in Spalten hinunterstürzten und dann unten jene Mahlsteine in Bewegung setzten.

Bei meinem vor mehreren Jahren ausgeführten Übergange über den Hochjochgletscher zwischen dem Schnalser- und Ötztal hatte ich Gelegenheit, eine Erscheinung zu beobachten, die geeignet sein dürfte, von der Entstehungsweise der Gletschertöpfe an solchen Orten, wo jetzt kein Gletscher mehr ist, sich eine Vorstellung zu machen. Es war ein warmer, sonniger Tag, als ich jene Gletscherpartie ausführte, und es schmolz von der Sonnenwärme ein Teil des Gletschereises, so daß nach allen Richtungen die Schmelzwasser in Form von seichten Bächen flossen. An einer Stelle nun bemerkte ich, wie die Schmelzwasser in eine nicht weite, aber tiefe Spalte hineinstürzten. Hart am Rande der Spalte auf geneigter Fläche lag ein Felsblock, welcher, wenn die Unterlage noch mehr unterspült wurde oder abschmolz, notwendig in die Tiefe stürzen mußte. Wenn nun auf einen solchen Block, der in eine derartige Vertiefung hinuntergefallen ist, die Schmelzwasser des Gletschers in schiefer Richtung als starker Wasserfall hinunterstürzen, dann wird der Stein in drehende Bewegung gesetzt und höhlt in den Untergrund eine kesselartige Vertiefung, eine Gletschermühle hinein, welche um so größer und tiefer wird, je größer der Mahlstein und der Wasserfall sind, und je länger der Prozess andauert. In einer Beschreibung der Gletschertöpfe von Luzern, die ich dort selbst kaufte, ist die Tiefe des größten Topfes zu 9½ und die obere Weite zu 8 m angegeben. Ich habe die feste Überzeugung, daß ein so kolossaler Kessel von den Wogen der Sündflut schon wegen der verhältnismäßig kurzen Dauer - von vielen anderen Gründen abgesehen - nicht hätte ausgehöhlt werden können. Bei der oben erwähnten Gletschermühle in der Gegend von Überlingen kommt auch der Umstand in Betracht, daß dieselbe, wie ich selbst gesehen, aus einem Hügel liegt, in dessen Umgebung keine Höhe sich befindet, von welcher ein Wasserfall hätte herabstürzen können. Nur wenn ein Gletscher dort war, konnte der dortige Riesentopf entstehen. Heim in seiner Gletscherkunde (S.545) sagt: „Wenn der Topf sich aus dem Gipfel eines gletscherschliffbedeckten, im Tal beistehenden Hügels befindet, kann nur der Gletscher den Wasserfall geliefert haben. Das Hindernis in seinem Laufe, das der Hügel gebildet hat, veranlaßte die Spaltenbildungen dieser Stelle.“ Der von mir besuchte Riesentopf bei Überlingen befindet sich aus einem im Thale freistehenden Hügel. Gletscherschliffe habe ich dort allerdings nicht gefunden, weil bloß der Gletschertopf und auch dieser nur teilweise bloßgelegt ist.

Der soeben besprochene Riesentopf wird als eine Wirkung des eiszeitlichen großen Rheingletschers, der mit seinen Eismassen das Becken des Bodensees füllte und bis Oberschwaben sich erstreckte, betrachtet. Auf dem Anthropologenkongress, der in Ulm vom 1. bis 4. August 1892 tagte, und den ich besuchte, haben zwei Redner von jenem eiszeitlichen Gletscher Erwähnung getan. Bei Schussenried, einer Bahnstation an der Strecke Ulm-Friedrichshafen und zwar ungefähr in der Mitte zwischen diesen Städten, soll bei einem Pfahlbau Spuren von der Moräne jenes Gletschers gefunden worden sein.

Der früher schon erwähnte Topf bei Wildbad Gastein befindet sich in einer waldigen Gegend und war, als ich denselben besichtigte, größtenteils mit Wasser gefüllt, obwohl kein fließendes Wasser in der Nähe ist. Dies mag vielleicht der Grund sein, weshalb man dem Topf den sonderbaren Namen „Gasteiner Taufbecken“ gegeben. Derselbe ist nicht besonders groß, aber sehr gut erhalten und hat eine solche Lage, daß er nach meiner Überzeugung nicht durch gewöhnliches fließendes Wasser, sondern nur durch Gletscherwasser entstehen konnte.“

2. Die Antwort hierauf ist mir sehr erleichtert, weil ich auch bei Parteinahme für die Sündfluttheorie nicht sämtliche Gletschermühlen als durch Sündflutgewässer entstanden zu betrachten brauche, indem ich nach Umständen zugeben kann, daß im eigentlichen Gebirgslande solche Mühlen von Gletschern herrühren können (also z. B.) jene im Gletschergarten von Luzern, bei Gastein), ferner weil Dr. Pfeifer selbst zugibt, daß die Entstehung der sogenannten Gletschermühlen im allgemeinen durch fließendes Wasser möglich sei. Warum sollen dann speziell die drei angeführten nicht durch Wasser entstanden sein können? Wegen der Größe der einen Mühle hat Professor Pfeifer seine Überzeugung ausgesprochen daß Gletscher die Ursache waren. Aber eine persönliche Überzeugung ist noch kein Beweis! Die Größe hängt einfach ab von der Kraft, welche bewegt, und von der Größe des Steines, welcher bewegt wird. Ist diese Kraft bedeutend, dann wird sie auch einen großen Stein im Kreise drehen können und eine große Vertiefung schaffen. Man braucht hierzu nicht immer starkes Gefälle wie bei Gletschern, sondern es reicht ein starker Wirbel, ein Strudel im Wasser vollkommen aus. Liegen also solche Töpfe, wie Heim und nach ihm Dr. Pfeifer selbst andeutet, in einem Tale, das wahrscheinlich ein alter Lauf der Reuß war, dann war bei nicht zu geringein Wasserstande die Bildung dieser „Gletschertöpfe“ möglich; man braucht hierzu nicht Gletscher und vielleicht auch nicht die Sündflut. Wie schnell solch eine Bildung bei passendem Materiale sich vollziehen kann, beweist der Bericht des Professors Baltzer in den „Mitteilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern“ bezüglich des Hagneckkanals, welcher einen Teil der Aar in den Bieler See leitet. „Die interessantesten Gebilde,“ bemerkt Baltzer, „sind die zahlreichen Strudellöcher in den anstehenden Sandsteinplatten. Dieselben haben sich erst in den letzten zwei Jahren gebildet, aber stellenweise bereits einen bedeutenden Umfang erreicht. Ihr Durchmesser wechselt von mehreren Zentimetern bis 1,5 m. Der größte war 1 m lang, 1,5 m breit und l m tief. Die Formen sind mannigfaltig, bald rund, bald oval. Immer finden sich Rollsteine und Sand im Innern, die vom Strudel getrieben, das Loch aushöhlen.“

Über die sogenannte Gletschermühle bei Überlingen, deren Untergrund auffallenderweise eben so weicher Sandstein ist wie bei den Strudellöchern im Hagneckkanal, hat Dr. Pfeifer im Jahrgang l889 von „Natur und Offenbarung“ seine Ansicht dahin ausgesprochen, daß die erhöhte Lage dieser Mühle nicht auf Entstehung durch Wasser, sondern durch Gletscher hinweise. Aber wenigstens zur Zeit der Sündflut stand auch diese Örtlichkeit unter Wasser, und daß die Sündflutgewässer nicht auf der ganzen Erde innerhalb eines Jahres verliefen, ist nicht bloß möglich, sondern auch wahrscheinlich, es konnte also dieser Platz mehrere Jahre hindurch vom Wasser bedeckt gewesen sein, welches hier einen Strudel bildete. Hat doch auch Dr. Rauff aus der 19. Versammlung der Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. behauptet, daß früher der Rhein in einem höheren Niveau lief. -

3. Heim selbst, den Pfeifer zu Gunsten seiner Ansicht aufruft, hat sich viel zurückhaltender ausgesprochen in folgender Bemerkung: „Tausende von Erosionskesseln (Riesentöpfen) gehören echten Dachrinnen an und haben mit früher größerer Verbreitung der Gletscher nichts zu tun. Hie und da aber kommen Kombinationen vor, welche als Beweise für frühere Existenz von Gletschern gelten müssen. Ein Beispiel derart scheint mir der „Gletschergarten in Luzern“ zu bieten. Die gleichen Umstände sollen sich am Längenberg bei Bern, aus dem gletschergeschliffenen Granitkopf über der Gelmeralp, ferner aus den Hügeln bei Sitten und bei Bex, wiederholen und ebenso aus den vom Gletscher gerundeten Gneiselsköpfen der Maloja“ (S 544). Heim wagt es also nicht, den Riesentopf in Luzern als sicheren Beweis für Vergletscherung anzusehen, er drückt mit dem Worte „scheint“ noch einen Zweifel aus, ebenso mit dem Worte „sollen“. Man sieht hieraus, daß man es nicht sofort glauben muß, wenn ein Geologe aus Grund von „Kombinationen“ behauptet, irgend ein Riesentopf kann nur durch Gletscher verursacht sein. Kein geringerer als Penck selbst gibt mir hierin Recht, indem er Seite 455 seines öfter zitierten Werkes schreibt: „Wie selten Schichtenstauungen und Riesentöpfe mit Glacialwirkungen zu tun haben, lehrt deren massenhaftes Auftreten außerhalb der alten Gletschergebiete.“ Gesetzt aber den Fall, daß nachgewiesen wäre, alle von Heim soeben erwähnten Riesentöpfe seien nur durch Gletscher ausgehöhlt, dann wäre nur die Vergletscherung von eigentlichen Gebirgsgegenden bewiesen, denn alle diese Gletschertöpfe liegen im Gebirge; nicht bewiesen ist aber die gegenwärtige Gletschertheorie.

4. Doch hat die Entstehung von Riefentöpfen durch Gletscher ihre großen Bedenken, so daß die Riesentöpfe selbst in Gebirgsgegenden kaum mit Recht den Gletschern zugeschrieben werden. Eine derartige Entstehung setzt nämlich voraus, daß der Gletscher lange Jahre, lange Zeit an ein und demselben Orte stehen bleibt, sich gar nicht bewegt; denn sobald er sich bewegt, verschiebt sich auch die Spalte, durch welche das Gletscherwasser stürzen muß, falls ein Stein in rotierende Bewegung gebracht werden soll; mit dem Verschieben der Spalte und des Wassersturzes müsste sich auch der Topf verschieben, resp. er könnte gar nicht sich bilden. Denn so schreibt der Geologe Dr. Neumayr: „Man hat das häufige Austreten der Riesentöpfe in ehemals vergletschertem Terrain mit Gletschermühlen in Verbindung gebracht, indem man dem in dieselben herabstürzenden Bache die Erzeugung der Strudelbewegung zuschrieb, welche wir als unerlässliche Bedingung für die Entstehung jener Kessel kennen gelernt haben. Baltzer hat jedoch dagegen hervorgehoben, daß infolge der Bewegung der Gletscher auch die Mühlen sich verschieben und daher die versinkenden Wassermassen nicht lange genug eine und dieselbe Stelle des Bodens treffen, um eine derartige Wirkung hervorzubringen; anders verhält es sich aber vielleicht mit jenen alten Riesenkesseln aus der Diluvialzeit, welche sich nicht allzu selten in der norddeutschen Ebene finden, weit von jeder Terraingestaltung, welcher die Bildung einer energischen Strudelbewegung zugeschrieben werden könnte (?). Da die gewaltigen, ungefähr horizontal liegenden Eismassen, welche Norddeutschland damals bedeckten, sich jedenfalls nur überaus langsam bewegten, so konnten die Mühlen sich eher an einem Punkte halten (?) und die Aushöhlung der Kessel bewirken’’ (I. 497)

5. Ziehen wir nun aus diesen Bemerkungen die entsprechenden Schlüsse. Es ist von Geologen zugegeben, daß sich bei den heutigen Gletschern keine Riesentöpfe bilden, ja, sich überhaupt nicht bilden können. Da nun die Geologie eine empirische Wissenschaft ist, sollten die Geologen folgern, daß auch die früheren Gletscher kaum solche werden veranlaßt haben; denn nur auf Grund der jetzt gemachten Beobachtungen darf man in der Geologie, falls sie eine Wissenschaft bleiben will, auf die Wirkungen früherer Ereignisse schließen. Allein diese richtige Folgerung ziehen die Geologen nicht; denn für sie steht ja die Eiszeit, deren Existenz sie nachweisen sollten, bereits unbestritten fest. So verwickeln sie sich in fortwährende Widersprüche. Wie natürlich erscheint hingegen die Sache bei Annahme einer Fluttheorie! Beobachtungen in der jetzigen Natur lehren, daß Wasser in verhältnismäßig kurzer Zeit Riesentöpfe schaffen kann und daß es hierzu nicht mächtiger Wasserstürze von einer höher gelegenen Stelle bedarf, sondern daß hierzu Wirbel oder Strudel genügen. Daß es bei einer Flut wie die Sündflut, Wirbel und Strudel in Norddeutschland gab, ist ebenso möglich und wahrscheinlich, als die andere Annahme, daß die Sündflutgewässer nicht an allen Orten der Erde schon innerhalb eines Jahres wieder verschwanden. Damit soll jedoch nicht gesagt sein, daß alle Riesentöpfe durch Sündflutgewässer gebildet sein müssen, auch andere Gewässer können Anteil an der Bildung haben. So glaube ich denn, auch die Unstichhaltigkeit dieses Argumentes der Gletschergeologen zur Genüge dargethan zu haben.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sündflut oder Gletscher?