IV. Beschaffenheit des sogenannten Moränenmaterials.

Gehen die Ansichten der Geologen über die Bedeutung der erratischen Blöcke für ehemalige Vergletscherung ziemlich auseinander, indem die einen sie als Beweis, die anderen (z. B. Dr. Penck) als irrelevant bezeichnen, so sind dagegen die Geologen in überwiegender Mehrzahl einig darüber, daß das sogenannte Moränenmaterial ein sicheres Kennzeichen ehemaliger Vergletscherung darbiete. So betrachtet Dr. Penck „den Beweis früherer Gletscherausdehnung mit größter Schärfe durch das Auftreten der Grundmoränen und der damit verbundenen Erscheinungen geliefert“ (S.34). unter Grundmoräne aber versteht Penck nach dem Vorgang von Agassiz „Gletscherschlamm“, Schlamm- oder Geröllschicht, welche den geschlissenen Fels unter dem Eise bedeckt und schildert die Bildung dieser Grundmoräne an heutigen Gletschern mit den Worten Ch. Martins folgendermaßen:

„Dringt man zwischen dem Boden und der Unterfläche eines Gletschers vor, die zahlreichen Höhlen, welche sich am Ende des Gletschers befinden, benützend, so trifft man auf ein Lager von Geschieben und seinem, mit Wasser imprägniertem Sand. Entfernt man dieses Lager, so erkennt man, daß das unterliegende Gestein durch die Reibung geglättet, poliert, abgenutzt und mit geradlinigen Kritzen bedeckt ist, welche mit einer Grabstichel oder feinen Nadel eingraviert sein könnten . . . Die in Rede stehenden Kritzen sind in dem Sinne der Gletscherbewegung gerichtet; da aber letztere kleinen seitlichen Abweichungen unterworfen ist, kreuzen sich die Schrammen bisweilen und bilden untereinander spitze Winkel . . . Die in die Gletscherspalten fallenden Steine bewahren nicht die Dimensionen, welche sie besaßen, als sie sich vom Felsen loslösten. Die meisten werden zu einem undurchdringlichen Schlamme zerkleinert, die anderen bewahren die unauslöschlichen Spuren des Druckes, dem sie ausgesetzt gewesen sind; alle ihre Ecken werden abgestoßen, ihre Kanten verwischen sich und sie nehmen die Form gerundeter Geschiebe an, oder zeigen ungleiche Flächen, die von der andauernden Reibung herrühren. Ist das Gestein weich wie Kalkstein, so wird das Geschiebe nicht nur abgerundet, sondern erhält auch eine Menge sich in allen Richtungen kreuzender Kritzen. Diese gekritzten Geschiebe sind von großer Bedeutung für das Studium der Ausdehnung der alten Gletscher, es sind die abgenutzten Münzen, deren Gegenwart in fast (!) unzweifelhafter Weise die frühere Existenz eines verschwundenen Gletschers anzeigt. In der Tat, nur ein Gletscher kann in solcher Weise Geschiebe bearbeiten, abnutzen und kritzen“ (S.35 ff.).


An diese Schilderung Ch. Martins reiht Penck folgende Bemerkung: „Der Blocklehm Oberbayerns stellt eine bald schlammige, bald sandig-grusige Masse dar, in welche mehr oder minder große Blöcke eingebettet sind. Dieselben sind in der angedeuteten Weise bearbeitet. Sie sind mehr oder weniger gerundet, ihre Oberfläche ist geglättet und mit unregelmäßig kreuz und quer verlaufenden, also sich häufig schneidenden Schrammen und Kritzen bedeckt; nur selten sind sie einander parallel. Am besten lassen sie sich auf Kalksteinen wahrnehmen; doch fehlen sie keineswegs auf anderen Gesteinen, wenn sie auch auf Graniten, Gneißen und verwandten Gesteinen häufig undeutlich ausgeprägt find“ (S. 36)

Nach Heim (S. 537) „find die alten Moränen aus den gleichen, der Umgebung sonst fremden Gesteinen gebildet wie die Findlinge der Umgegend. Große und kleine, sowohl eckige als geglättete geschrammte Steine liegen vollkommen regellos durcheinander. Bald herrschen die Blöcke vor und die Moräne wird zum Blockhaufen, bald aber überwiegen Sand und Schlamm, in welchen die Blöcke eingebettet sind. Schichtung kommt nur unregelmäßig und nur in seinem Materiale vor; die gröberen Geschiebe sind an keine Schichtung gebunden; oft (! also nicht immer?) ist die Moräne ohne jede Spur von Schichtung.“

Es sind also drei besondere Merkmale des sogenannten Moränenmaterials von diesen Geologen namhaft gemacht, nämlich
1) gekritzte und geschrammte Geschiebe,
2) gerundete Steine,
3) Mangel an deutlicher Schichtung. Wir haben uns demnach mit diesen drei für ehemalige Vergletscherung angeblich charakteristischen Merkmalen eingehend zu befassen, da die Geologen auf sie ihren Hauptbeweis für Vergletscherung stützen. Können obige Merkmale wirklich nur von Gletschern jener Gegend herrühren, dann hat die gegenwärtige Gletschertheorie volle Berechtigung. Gelingt es mir aber nachzuweisen, daß diese Erscheinungen nicht ausschließlich Gletschern jener Gegend ihr Entstehen verdanken resp. daß sie auch durch andere Ursachen hervorgerufen sein können, dann bricht die ganze gegenwärtige Gletschertheorie zusammen.

2. Wie oben erwähnt wurde, hat Ch. Martins die gekritzten Geschiebe nicht als völlig unzweifelhaftes Anzeichen ehemaliger Vergletscherung erwähnt, sondern als fast unzweifelhaftes. Dies Wörtlein „fast“ sagt deutlich genug, dass auch eine andere Entstehung dieser gekritzten Geschiebe möglich sein könnte. Und in der Tat spricht sich auch für letztere Möglichkeit gerade Dr. Penck aus, der doch sonst für Gletscher schwärmt. S. 455 seines Werkes (Vergletscherung der deutschen Alpen) schreibt nämlich derselbe: „Was man als ent-scheidend beweisend für Glacialwirkungen hält, ist eben oft nicht bloß eindeutig. Gletscherschliffe und Harnischbildungen auf Schichtflächen sind nicht immer leicht zu unterscheiden; es gelang mir in miocänen Ablagerungen am Fuße der deutschen Alpen an mehreren Stellen gekritzte und geschrammte Geschiebe aufzufinden, welche von echt glacialen kaum zu unterscheiden sind und welche ich doch nicht für solche halten kann . . . Die Vieldeutigkeit (!), aller jener Phänomene, die man gern ausschließlich (!!) für glaciale hält, kann nicht genug zur vorsichtigen Beurteilung derselben mahnen, wenn man sie isoliert, nicht in ihrer Gesamtheit in älteren Formationen findet.“ Penck läßt also gekritzte und geschrammte Geschiebe in älteren Formationen nicht ohne Weiteres für einen Beweis ehemaliger Vergletscherung gelten. Was aber in den älteren Formationen nichts beweist, beweist offenbar auch nichts für das Diluvium der Gletschergeologen. Damit hat Penck selbst die Unstichhaltigkeit dieses Argumentes zugegeben, was um so mehr Bedeutung hat, da er einer der Hauptförderer der Gletschertheorie ist.

3. Wenn nun gekritzte Geschiebe nicht bloß durch Gletscher veranlasst sind, wodurch können sie noch entstanden sein? Durch Murbrüche und Grundeis. So versichert uns Dr. Neumayr (Erdgeschichte, I. 509) mit den Worten: „Auch die sogenannten Murbrüche liefern gekritzte Geschiebe, und nach Trautschold geschieht dasselbe, wenn in einem Flusse mit Geröllen versehenes Grundeis treibt.“ Daß diese Bemerkung Neumayrs richtig ist, wird leicht ersichtlich, wenn wir die Art und Weise des Transportes durch Gletscher und durch Murbrüche miteinander vergleichen. Penck erklärt die Kritzen, Schrammen und auch die runde Gestalt der sogenannten Moränensteine daraus, daß die Geschiebe in unregelmäßiger Weise aneinander vorbeigepresst wurden (S.37), daß ein Block am anderen vorbeigeschoben wurde (S. 40). Ganz dasselbe geschieht aber nach Neumayr (I. S. 21) bei den Murbrüchen: „In schwächerer Entwicklung treten die Murbrüche als häufige Begleiter heftiger Gewitter auf. Unter ungünstigen Verhältnissen erreichen sie aber so riesenhafte Dimensionen, daß viele Strecken fruchtbaren Landes und ganze Dörfer mit Schutt überdeckt und große Flüsse durch die aus Seitentälern hervorbrechenden Massen abgedämmt und gestaut werden . . . Nach ausgiebigem atmosphärische Niederschlage oder bei plötzlichem Abfließen von Schmelzwasser wird binnen kürzester Zeit das Schuttmaterial des Sammelbeckens vollständig durchtränkt und aufgeweicht; es wird dadurch viel schwerer, als es früher war und kommt ins Gleiten und Rutschen. Ein dicker Brei, ein teigartiges Gemenge von etwa zwei Drittel Schlamm, Schutt und Felsentrümmern und ein Drittel Wasser wälzt sich aus dem Sammelbecken durch den engen Tobel hinab und ergießt sich über die Niederungen. Mit einem Ergusse ist es selten abgetan; meistens folgen in kurzen Zwischenräumen mehrere kräftige Nachschübe, hervorgerufen durch Stauungen des lavaähnlichen Schlammbreies, wie sie in dem Tobel leicht entstehen können. Während der Wildbach in dem Sammelbecken vorzugsweise aufwühlt und herabschleppt, stößt er bei Passierung des Tobels große Löcher in dem Bette aus; diese Auskolkungen sind jedoch weniger gefährlich als die einseitigen Unterwaschungen der Tobelwände, infolge deren jederzeit die groß-artigsten Abrutschungen und Einstürze erfolgen können. Der Tobel wird dann durch herabstürzende oder von oben mitgebrachte Baumstämme, durch Wurzelwerk und riesige Felsblöcke förmlich verstopft. Diese Abdämmung der engen Schlucht dauert solange an, bis die aus dem Sammelbecken sich unaufhörlich herabwälzenden Schlamm- und Wasserwogen die Sperre durchbrechen können. Mit um so größerer Wucht sausen jetzt die haushohen Schlammfluten unter polterndem Getöse durch die Enge des Tobels hinunter in die Talweitung. Der Boden zittert, Fenster klirren wie bei einem Erdbeben, Funken sprühen von den aufeinanderfallenden Felstrümmern hervor, überall verbreitet sich ein brenzlicher Geruch. Endlich gelangt die Masse, fächerartig sich ausbreitend, zur Ablagerung.“

Aus dieser Schilderung geht hervor, daß bei Murbrüchen, die aus mehr Schlamm und Felsentrümmern als Wasser bestehen, die Gesteine ebenso aneinander vorübergepresst und geschoben werden, wie bei den Grundmoränen der Gletscher; den gleichen Ursachen entsprechen auch gleiche Wirkungen, d. h. gekritzte, geschrammte und abgerundete (wenigstens teilweise, wenn auch nicht sämtliche !)Geschiebe. Vor und besonders bei der Sündflut wird es riesige Murbrüche gegeben haben, die ihr Material vor den Gebirgen abluden. Es sind somit auch die gekritzten und geschrammten Geschiebe für die Sündfluttheorie kein Hindernis.

4. Übrigens habe ich ja, wie im 1. Kapitel bereits bemerkt wurde, gar nichts einzuwenden gegen eine vorsündflutliche Vergletscherung der eigentlichen Gebirge (in einem vielleicht größeren Maßstabe als jetzt). Hat diese Vergletscherung auch nur geringe Grundmoränen mit gekritztem und geschrammtem und abgerundetem Materiale zurückgelassen, so konnte dies Material durch eine große Flut wie die Sündflut an den gegenwärtigen Ort transportiert worden sein. Aus der gegenwärtigen Lage dieser Gesteine folgt noch nicht, daß die Gegend daselbst vergletschert gewesen sein müsse, indem das jetzt daselbst lagernde Material bereits im Innern des Gebirges geritzt und geschrammt und gerundet worden sein kann. Man wendet vielleicht ein, daß nach gemachten Beobachtungen (Heim, S.367) diese Kritzen auf dem weiten Transport im Wasser hätten verschwinden müssen, da bei Kalksteinen schon ein Bachtransport auf 300 m Distanz, bei festeren Gesteinen ein Transport von 500 – 1500 m zur Abschleifung der Kritzen genügen soll. Allein darauf ist zu erwidern, daß ein Transport nach Art der Murbrüche ganz anders wirkt, als ein ruhig fließender Bach. Während in letzterem die Geschiebe der schleifenden Tätigkeit des Wassers vielleicht jahrelang ausgesetzt sind, bis sie 300 oder gar 1500 m weiter abwärts kommen und die Geschiebe größtenteils mit abgerundetem anderen Materiale in Berührung kommen, die nicht mehr kritzen, sondern nur abwetzen, verhält sich die Sache ganz anders bei einem Transport nach Art der Murbrüche. Denn dieser vollzieht sich in sehr kurzer Zeit und enthält viele kantige Gesteine, die nicht nur nicht die alten Kritzen entfernen, sondern sogar neue erzeugen. Das ist auch der Grund, warum eine Flut nicht lauter gerundetes Steinmaterial liefert, wie einer meiner Gegner annimmt; es ist die Zeit zu kurz und das fortgerissene Material teilweise zu kantig. An jedem Murbruche wird man die Richtigkeit meiner bisherigen Darlegungen bestätigt finden können. Da das sogenannte Moränenmaterial sowohl runde als eckige Gesteine, sowohl gekritzte als nicht gekritzte enthält, diese Erscheinungen aber, wie oben nachgewiesen wurde, auch auf andere Weise als durch Gletscher sich erklären lassen, sind diese Kritzen nnd Schrammen kein ausschließliches Merkmal ehemaliger Vergletscherung.

5. Ganz dasselbe ergibt sich bezüglich des Mangels an Schichtung. „In der Glättung des Untergrundes, resp. Schrammung desselben und in der ungeschichteten Beschaffenheit der Massen und der regellosen Verteilung von Geschieben verschiedenster Größe in derselben liegt auch der entscheidende (?) Beweis, daß dieses Material wirklich unmittelbar von einem Gletscher und nicht von einer wild einherströmenden Flut oder in einem See, aus welchem Eisschollen schwammen, abgelagert ist. Wäre eine dieser beiden letzteren Annahmen richtig, so müsste in ersterem Falle eine Schichtung des Materials nach der Größe und deutliche Strömungsstruktur, im letzteren regelmäßige Schichtung bemerkbar sein.“ Dies behauptet Neumayr (II. 565); nach ihm muss ein Transport durch Wasser immer deutliche Schichtung hervorbringen. Aber diese Annahme ist falsch, wie ich durch einen Ausspruch Pencks beweisen will. Er sagt nämlich S.455 seines Werkes: „Regellos struierte Ablagerungen brauchen durchaus nicht Gletscherbildungen zu sein; viele Verwitterungslehme, wie die Argile à silex haben keine Schichtung und stellen eine wirre Ablagerung dar. Fast unbegreiflich ist mir, wie zwei so tüchtige Kenner von Glacialerscheinungen, wie Falsan und Chantre, die Argile à silex im Nordosten Lyons für eine Glacialformation halten können.“ Wenn nun regellos struierte Ablagerungen nicht von Gletschern stammen, woher können sie sonst kommen, außer vom Transport durch Wasser? Heim (S. 402) stellt die Wirkungen der Gletscher (in Bezug auf die Schichtung) in Vergleich mit Bach- und Flussablagerungen, und auch Dr. Neumayr wird wahrscheinlich nur letztere (Bach- und Flussablagerungen) im Auge haben und zwar in ihren gewöhnlichen Wirkungen. Da muss man freilich zugeben, daß Wasserablagerungen immer Schichtung hervorbringen, daß in solchen Ablagerungen Geschiebe ähnlicher Größe beisammenliegen, die größeren Stücke näher am Einschwemmungsorte, die kleineren weiter davon entfernt. Aber wer kann denn eine plötzlich hereinbrechende große Flut, wie die Sündflut war, gewöhnlichen Wasserwirkungen an die Seite stellen? Schon ein mittelmäßiger Wolkenbruch in keiner eigentlichen Gebirgsgegend, wie ich einen solchen 1882 im bayerischen Walde erlebte, liefert an vielen Stellen eine „regellos struierte Ablagerung“, ein wahres Chaos von Gesteinsmaterial. In einem Gebirgslande aber, wie das der Alpen ist, mit seinen tiefeinschneidenden, verhältnismäßig engen Tälern und seinen hochaufragenden Bergspitzen und besonders mit seinem der Verwitterung so sehr ausgesetzten Gesteinen, muss ein Wolkenbruch riesige „Muren“ hervorrufen, die einem dickflüssigen Lavastrome gleich (siehe Schilderung S. 33), durch die Täler sich wälzen. Daß solche Muren keine Schichtung zeigen, wird wohl Niemand bezweifeln. Gäbe es z. B. im Tale des Inn nur an einer einzigen Lokalität solche und zwar kleinere Muren, dann wären dieselben allerdings sofort beim Eindringen in das Flußbett dem Einflusse des überflüssig vorhandenen Wassers preisgegeben und sie würden notwendigerweise im weiteren längeren Laufe des Inn zersetzt. Treten aber solche Muren gleichzeitig im ganzen Laufe des Inn ein und zwar die einzelnen in riesigen Dimensionen, dann gelingt es dem pfeilschnell dahinflutenden Wasser nicht mehr, sie zu zersetzen, ihr Material vollständig zu sichten und nach der Größe abzusondern; dieses „teigartige Gemenge“, dieser „lavaähnliche Schlammbrei aus zwei Drittel Schlamm, Schutt und Felsentrümmern“ (Neumahr I. 421) wird sich umgeschichtet fortwälzen und „fächerartig sich ausbreitend zur Ablagerung gelangen“. Sagt ja Neumayr in obiger Schilderung der gewöhnlichen Murbrüche heutiger Zeit, dass die Schlammmassen „aus den Seitentälern hervorbrechen“, daß sie also nicht etwa schon am Fuße eines Hügels, von dem sie kommen, Halt machen, sondern sich noch weiter durch die Täler wälzen. Gilt das schon in unseren normalen Zeiten, dann noch weit mehr für eine Katastrophe, wie die Sündflut war. Die der Sündflut entsprechende hundertmal größere Wucht, mit welcher das Wasser dahinflutete, mußte die Schlammmassen weit in die Ebene schleudern und war zugleich ein Hindernis der vollständigen Sichtung des Materiales. Daß das Chaos um so größer, die Sichtung um so unvollständiger ist, je ungestümer das Wasser dahinbraust, beweist die Katastrophe von Johnstown im Mai 1889 und die Katastrophe von Brixlegg (Nordtirol) im Juli 1889. An diesen beiden Exempeln mögen die Sündflutgegner die Wahrheit meiner Behauptungen erproben! Nur da, wo nicht bloß Wasser überschüssig vorhanden ist, sondern auch andere günstige Umstände nicht mangeln, z. B die Strömung nicht zu rasch ist, wird es das lavaähnliche Material teilweise bewältigen, d. h. sichten können. So werden neben völlig ungeschichteten Lagen auch deutlich geschichtete entstehen. Neu angekommene Muren können infolge besonderer Ursachen mit ihrem Materiale noch weiter sich vorschieben als die ersteren oder sich mit den früheren vermischen, so daß ein buntes Gemenge die Folge ist. Diese letztere Art der Entstehung von urgeschichtetem Materiale will ich besonders betonen; denn in der Sündflut gab es nicht bloß einmaligen Wolkenbruch, sondern wiederholte, resp. beständige die in Verbindung mit Durchbruch von Quertälern u. s. w. die mannigfaltigsten Veränderungen und ein wahres Chaos von Ablagerungen veranlassten (Moränen -Muränen!).

Dadurch wird auch der weitere Umstand aufgeklärt, daß (nach Heim, S. 402) Gesteinsarten in Zonen in der Reihenfolge ihrer Ursprungsorte im allgemeinen unvermischt von links nach rechts geordnet liegen. Es werden nämlich auch die Muren, wenn solche von beiden Talgehängen herab sich bewegten, im Tale nebeneinander sich haben bewegen müssen, da eine die andere beengte.

6. Nach ,einen Darlegungen muss es sowohl ungeschichtete als geschichtete Partien geben. Auch die Gletschergeologen stimmen darin mit mir überein; auch sie haben nämlich nicht bloß ungeschichtete, sondern auch geschichtete Ablagerungen im sogenannten Moränenmaterial beobachtet. „In Schonen gesellen sich auch geschichtete Sande und Tone zu den Glacialablagerungen . . . Das älteste Glied des norddeutschen Diluviums bilden geschichtete Sande, zu ihnen gesellen sich zarte, geschichtete Tone . . . Der Hauptmasse nach ist der blaue Geschiebelehm ungeschichtet, stellenweise allerdings enthält er geschichtete Partien. In Sachsen ist diesem blauen Geschiebelehme eine bedeutende Masse von geschichtetem Sande übergelagert . . . Auf den blauen Geschiebelehm folgen bedeutende Massen geschichteter Sande“ (Neumayr, II. 576, 581, 583).

Ja, Dr. Penck berichtet sogar, daß die Glacialformation zum größeren Teil aus geschichteten Ablagerungen sich aufbaut (S. 205). Die Geologen erklären diese Tatsache aus den Wirkungen von unter dem Eis tätigen Gletscherbächen oder Gletscherströmen, berufen sich also ausdrücklich auch auf fließendes Wasser. Darum können sie auch nicht das mindeste einwenden gegen die Entstehung dieser geschichteten Partien durch ein Flutgewässer.

7. Die Geologen versichern uns, daß im Innern der Gebirge der Untergrund manchmal geglättet und geschrammt ist, sie vindizieren diese Wirkung den Gletschern. Ich bemerke hierzu, daß auch durch das Fortbewegen, resp. Fortschleifen von größeren Steinen der Untergrund in dieser Weise bearbeitet wird. Ich berufe mich hierbei auf Unger (Penck, S. 37), welcher konstatiert, daß sich an manchen großen Blöcken Reibungsflächen zeigen, die durch Abschleifen während des Herabgleitens infolge eines Flutenschwalls entstanden. Werden nun Blöcke während des Herabgleitens abgeschliffen (oder auch geschrammt), dann trifft dies auch in manchen Fällen bezüglich des Untergrundes zu.

„Durch die Moräne schimmert der jeweilige Hintergrund hindurch und sie nimmt über denselben eine eigene Zusammensetzung an. Über Liasfleckenmergel wird die Grundmoräne dunkel, fett und tonig, die Rossfeldschichten des Neocom geben der Grundmoräne eine graue Färbung (Thiersee bei Kufstein); besonders auffällig aber macht sich geltend, ob sie sich auf Glacialschotter oder Ton lagert. Im ersteren Falle wird sie sehr kiesig und umschließt viele Gerölle, welche der Mehrzahl nach weder geritzt noch geschrammt sind; im letzteren hingegen wird sie ungemein tonig und die Geschiebe nehmen eine lebhafte Politur an“ (Penck, S. 41). Aus dieser Bemerkung Pencks möchte man schließen, daß das sogenannte Moränenmaterial wirklich nur Gletschern angehört habe und der Fluttheorie widerspreche. Aber das wäre unrichtig. Wie nämlich Penck (S. 59 u. 91) weiter erwähnt, löst sich z. B. Hauptdolomit durch die Witterung leicht in seinen Grus auf, wie ja auch der Boden des Fernpasses mit kleinerem Felsschutt und Grus übersät ist, der nicht aus der Ferne stammt. Es braucht also der Boden nicht durch Gletscher eigens aufgeschürft zu werden, Grus, Felsschutt, Nagelfluh, Thon kann auch ohne Gletscher bereit liegen und wird nach starken Regengüssen in stark durchweichtem Zustande ziemliche Strecken gleiten und mit angeschwemmtem Materiale sich teilweise vermischen können. Selbst wenn Grus u. s. w. aus dem früheren Platze unverrückt bliebe, könnte nach Regen eine teilweise Mischung mit angekommenem Materiale stattfinden.

8. So haben wir in Betreff der Beschaffenheit des sogenannten Moränenmaterials gar nichts gefunden, was ausschließlich auf Vergletscherung deutet, gar nichts, was einer Fluttheorie widerspricht! Somit könnte man zur Zeit das sogenannte Moränenmaterial sowohl für die Gletscher- als auch für die Sündfluttheorie verwerten. Aber auch diese bloße Möglichkeit scheint für die Gletschertheorie nicht zu bestehen. Wie läßt sich nämlich mit der Gletschertheorie die Tatsache vereinbaren, die Penck (S. 36) berichtet, daß das Volumen der Geschiebe auf der bayerischen Hochebene sichtlich in dem Maße abnimmt, als man sich vom Gebirge entfernt? Das ist doch nichts anderes, als eine Sonderung nach der Größe, wie sie nach Heim (S. 403) nur ein Gewässer, nicht aber ein Gletscher hervorbringt. Die Schmelzwasser und unter dem Eise tätigen Gletscherbäche oder Ströme reichen zur Erklärung nicht aus, denn derartige Geschiebe haben manchmal nach Penck (S. 36) einen Durchmesser von 2 - 4 und noch mehr Metern. Solche Steine kann nur ein großes, wildbrausendes Gewässer transportieren, resp. nach der Größe sondern, wie es ein solches in der Sündflut gab. Nehmen aber die Gletschergeologen ihre Gletscherbäche und Gletscherströme gleichfalls so gewaltig an, daß sie diese Steine transportieren und sondern konnten, dann geben sie ihre Gletschertheorie bereits auf und nehmen zu einer Fluttheorie ihre Zuflucht.

9. „Die diluvialen Bildungen Norddeutschlands,“ bemerkt Dr. Haas (Mitteilungen aus dem mineralogischen Institut der Universität Kiel 1889, Bd. I. S. 124), „setzen sich zusammen aus den sogenannten Geschiebemergeln und aus Sanden sowie Geröllen, die lokal zu förmlichen Blockanhäufungen werden können. Bezüglich der sandigen und geröllartigen Ausbildung auftretenden Sedimente ist man sich unter den Anhängern der Inlandeistheorie (Haas „opfert letzt nicht mehr dem Götzen gewaltiger Inlandeiserosion“, siehe „Ausland“ 1893, Heft 12) wohl längst darüber einig, daß dieselbe zumeist in fließendem Wasser (!) und zwar vermittelst der Schmelzwasser der Inlandeisbedeckung auf sehr verschiedene Weise zur Ablagerung gebracht worden sind ... Die Geschiebemergel (S. 122) bilden eine im altgemeinen zusammenhängende Decke. Dies ist z. B. in Schleswig-Holstein für den sogenannten unteren Geschiebemergel Regel. Diese Bildung, die mächtigste der in diesem Lande vorhandenen diluvialen Ablagerungen, vielfach bis über 50 m Mächtigkeit erreichend, liegt überall gleichmäßig über den älteren, den miocänen Sedimenten, dieselben, wenn ich hier den Ausdruck von Jentsch brauchen soll, mantelartig umhüllend.“

Wäre nun wirklich dieser Geschiebemergel als Grundmoräne durch Gletscher transportiert, wie kommt es dann, daß er eine zusammenhängende Decke, einen Mantel über dem Miocän bildet? Die Bewegung der heutigen Gletscher - und nur diese kann die Grundlage für Beurteilung der Bewegung der eiszeitlichen Gletscher bilden - spricht entschieden gegen eine gleichmäßige decken- oder mantelartige Ablagerung auf einer so weiten Fläche. Dies bestätigt auch Dr. Haas S. 132) mit den Worten: „Ist die Annahme berechtigt, dass das Inlandeis seine Grundmoräne in einer bisweilen weit über 50 - 6o m betragenden Mächtigkeit gleichförmig und ich möchte sagen schichtweise anhäufen konnte, ohne dass dieselbe immer wieder zerstört und fortgeschafft wurde, wie dies bei den Gletschern der Gegenwart der Fall ist? ... Es musste bei dieser Bewegung eine Reihe von Erscheinungen Platz greifen, die zum Schlusse berechtigen, dass eine solch gleichmäßige Ablagerung der Grundmoräne, wie sie der Geschiebemergel darstellt, nicht wohl möglich ist ... Es ist dies ein wunder Punkt der Inlandeistheorie, über den man sich erst recht klar wird und dessen Tragweite man dann erst recht einsehen lernt, wenn man sich die Resultate der Gletscherforschungen der letzten Jahre vergegenwärtigt.“

1o. Noch ungünstiger stellt sich aber für die Gletschertheorie die Sache, wenn man hiebei in Betracht zieht, dass nach Annahme der Geologen die Gletscher zugleich erodierten. Wie konnten sie aufschürfen und zugleich das Material mantelförmig ablagern? „Wenn man nicht die Ausnahmefälle, dass Gletscher ihren Untergrund in keiner Weise aufschürfen, zur Regel machen will, lassen sich die geschilderten Lagerungsverhältnisse nicht mit dieser erodierenden Tätigkeit des Inlandeises in Einklang bringen“ (Dr. Haas, S. 131). „Wenn man sich die große Mächtigkeit der als Grundmoräne angesprochenen erratischen Bildungen vergegenwärtigt, wenn man sogar beobachten kann, wie die verschiedenen Schichten derselben zuweilen haarscharf voneinander absetzen, so ist die Einsicht dafür schwer, dass ein und dasselbe Agens weiter im Norden eine derartig starke Erosionskraft besessen haben soll, um eben das Material zu diesen Geschiebemergeln aus den Gesteinen seines Untergrundes zu bilden, in unseren Breiten dagegen seine Grundmoräne in solcher Mächtigkeit und sozusagen stapelweise anhäufen konnte, ohne dass diese letztere immer und immer wieder zerstört wurde (!!). Hier liegt ein großer Widerspruch“ (Dr. Haas im „Ausland“ 1893, Heft 12).

Damit hat Dr. Haas der Gletschertheorie in Bezug auf Norddeutschland ein sehr ungünstiges Zeugnis ausgestellt, er hat rundweg zugegeben, dass die Erscheinungen in Norddeutschland gegen die landläufigen Ansichten über Vergletscherung sprechen. Diese Umstände mögen auch dazu beigetragen haben, dass ein Mann von bedeutendem Rufe, nämlich Dr. F. M. Stapff, der bisherigen Gletschertheorie den Rücken kehrt und sich in einer 1888 erschienenen Schrift aus den Boden der Tristtheorie stellt. Nun vermag allerdings auch die Tristtheorie, wie ich früher (Kapitel 3) darlegte, nicht alles zu erklären; allein es ist doch bezeichnend, dass sich immer mehr die Ansicht Bahn bricht, nur eine großartige Bedeckung durch Wasser mache die sogenannten Diluvialgebilde erklärlich. Wasser ruft auch Dr. Haas in seinem Schlussworte (S. 133) zu Hilfe, indem er das Eis durch den gewaltigen Druck sich verflüssigen lässt, so dass Wasser an den Ablagerungen beteiligt war. Aber dieser Ausweg ist kein glücklicher. Denn diese Schmelzwasser hätten eine größtenteils geschichtete Ablagerung erzeugen müssen, während der Geschiebemergel (siehe Haas, S.130) fast gänzlich ungeschichtet ist. Bei einer wild brausenden Flut aber, wie die Sündflut, ist dieser Umstand erklärlich. Ferner hätten die Schmelzwasser wirklich riesige sein müssen, um 50 und noch mehr Meter Geschiebemergel ablagern zu können; eine solche Annahme aber ist mit Bezug aus die Natur der Gletscher unmöglich. Überdies hätte das Schmelzwasser gleichzeitig ganz Norddeutschland erfüllen müssen, um die mantelartige Bedeckung zu ermöglichen. Solche Schmelzwasser sind unmöglich. Die Schmelzwasser wirken nur lokal. So wird die Beschaffenheit des sogenannten Moränenmaterials zu einem Argument gegen die Gletschertheorie.

11. Ich habe bisher nur Rücksicht genommen ans das eigentliche sogenannte Moränenmaterial. Die Geologen unterscheiden aber auch geschichteten Gletscherschutt, obere und untere Glacialschotter, welche Heim (S. 540) mit folgenden Zügen charakterisiert: „Bedeutend gleichförmiger als die Moränen, aber immer noch unregelmäßig genug ist über die Gebiete mit erratischen Erscheinungen eine geschichtete Schuttmasse gedeckt, die mit der größeren Ausdehnung der Gletscher im Zusammenhang gestanden haben muss. Sie zeigt folgende Erscheinungen:

a) Das Gesteinsmaterial entspricht bei gröberen Ablagerungen den anderen erratischen Bildungen (Findlingen und Moränen) der betreffenden Gegend.

b) Die Geschiebe desselben Ursprungsortes sind oft sehr ungleichmäßig gerundet, manche noch eckig, die Ecken nur wenig abgestoßen, manche noch mit Spuren von Schrammen. Viele Zwischenlager sind dem Ton der Grundmoränen gleich, an anderen Stellen gehen diese Bildungen in reine Kieslager über.

c) Die Schichtung ist unregelmäßig, oft schief gegen die Talwand einfallend, und Lagerung und Vorkommen oft durchaus unerklärlich durch jetzige (!) Flüsse und Bäche.

d) Allerlei Übergänge, in Moränen nnd Anlagerung oder Wechsellagerung mit solchen kommen nicht selten vor. Bald liegt der alte geschichtete Gletscherschutt über, bald unter den Moränen.

Dies sind offenbar die alten Gletscherbachablagerungen, oft auch Ablagerungen in Gletscherseen, es sind die Moränenteile, bei deren Absatz das Wasser ordnend eingegriffen hat.“

Soweit Dr. Heim. Aus seiner Schilderung geht deutlich hervor, dass dieser geschichtete Gletscherschutt im besten Einklange mit einer Fluttheorie steht, und nicht im mindesten Widerspruch dazu. Durch jetzige Flüsse und Bäche bleibt der Glacialschotter nach Heim unerklärlich, das bestreite auch ich nicht; aber bei einer Flut wie die Sündflut, kann auch nicht mehr von Flüssen und Bächen die Rede sein, ähnlich den jetzigen; da gab es andere Wassermassen. Glacialschotter finden sich nach Gümbel (Penck, S. 130) in einer Höhe von 1300 und 1400 m und Gümbel liefert mir ein prächtiges Argument für die Sündfluttheorie und gegen die Gletschertheorie, wenn er weiter hinzufügt, man müsse, um dies zu erklären, „in eine Zeit zurückgehen, in welcher das Alpengebirge von Flutungen auf Höhen berührt wurde, die jetzt über alle von Flüssen und Strömungen erreichbaren Orte erhaben sind.“ Gletscherbäche können diese Ablagerungen nie erklären, denn so hoch konnten sie nicht reichen, ohne aufzuhören, Gletscherbäche zu sein; sie hätten in diesem Falle zu einer riesigen Flut werden müssen. Hierbei habe ich auf einen anderen Punkt noch nicht Bedacht genommen, nämlich aus den Umstand, dass dieser Glacialschotter an manchen Orten 10, ja 100 und mehr Meter mächtig ist (Penck, S. 157). Spricht dieser Umstand nicht für eine gewaltige Flut und gegen die Entstehung durch die wenig bedeutenden Eisschmelzgewässer? War das Material dieses Glacialschotters teilweise schon vor der Sündflut in den Tälern abgelagert (durch die Tätigkeit der Flüsse) und wurde es erst durch die Sündflut an einigen Stellen fortgeschwemmt (an anderen geschützten Stellen mag es liegen geblieben und durch neu angekommenes verstärkt worden sein), dann erklärt sich ganz leicht der Umstand, dass es teilweise gerundet und fast geschichtet ist.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Sündflut oder Gletscher?