St. Gallen bis München vom 12. bis 20. Julius 1784.

Den 12.Julius reisten wir, P. Pancratius und ich, in Gesellschaft des P. Beda von Neresheim aus Rorschach, wo Herr Beda dem Herrn Statthalter seine Abschiedsvisite abstattete. Er war unschlüssig, ob er das Nämliche bei dem Herrn Pfarrer tun sollte, veränderte einige Male seine Meinung über diesen Punkt und endlich wurde nichts daraus. Wir setzten also unsere Reise fort über Romanshorn, woselbst uns der Herr Obervogt mit einem Mittagsmahl bewirtete, bei Münsterlingen vorbei, durch Konstanz in das benachbarte Benediktiner-Reichsstift Petershausen. Im Hereinfahren in die Stadt Konstanz zeigte uns Herr Pankraz das Häuschen, in welchem man Huß [Johann H., Führer der tschechischen kirchen-politischen Reformbewegung zu Beginn des 15. Jahrhunderts], zur Zeit der daselbst gehaltenen Kirchenversammlung in Bande legte.

Zu Petershausen wurden wir, welches ich zum Ruhme aller schwäbischen Abteien ein für alle Mal gesagt haben will, mit aller ersinnlichen Höflichkeit empfangen. Wir machten sogleich dem gnädigen Herrn Georg1) unsere Aufwartung, und von ihm vernahmen wir, daß sich wirklich der Herr Reichsprälat von Zwiefalten2) in seinem Stifte befinde und den folgenden Tag Visitation halten werde. Auch diesem Prälaten machten wir unser Kompliment. Die übermäßige Hitze dieses Tages machte aus den P. Beda schlimme Wirkungen; er mußte sogleich die Tafel verlassen und sich zur Ruhe anschicken.


1) Abt Georg Strobl aus Pfullendorf, 1761 erwählt, resignierte 1786 und starb im Januar 1787.

2) Über Adi Nikolaus von Zwiefalten siehe den vierten Teil dieser Reisebeschreibung, wo von seinem Kloster die Rede sein wird.


Den 13.Julins, weil wir vormittags in Petershausen wegen der Visitation nichts sehen konnten, besuchten wir frühe schon die Domkirche, ein altes gotisches Gebäude. Wir bewunderten das herrliche Chor, welches ganz mit alabasternen Steinen bekleidet ist, den silbernen, in antikem Geschmacke errichteten Speise-Altar in der Mitte des Chores, die künstlichen Basreliefs an den Chorstühlen im gotischen Geschmacke, viele herrliche Monumente und Grabsteine1), aus welchen sich jenes des verstorbenen Cardinal-Fürstbischofes2) an Kunst, Geschmack und Schönheit auszeichnet. Es ist aus weißgrauem Marmor gefertigt und steht rechts an der Mauer einer Seitenkapelle bei den übrigen von Rodt'schen Monumenten. Die Kirchentüren stellen in halb erhabener Arbeit die Geheimnisse des Lebens unseres Heilandes vor und sind um 1460 verfertigt worden3). Den Kirchenschatz und die darin enthaltenen Seltenheiten und Kunststücke hatte ich schon ein andermal gesehen. Wir besuchten noch die St. Stephanskirche, auch ein altes, gotisches Münster, die Dominikanerkirche und dann den schönen Buchverlag des Herrn Wagner, aus welchem ich mir einige schöne Werke anmerkte. Herr Wagner hatte die Höflichkeit, uns hernach auf die Insel Mainau zu begleiten. Wir gelangten dahin durch einen etwa eine gute halbe Viertelstunde langen Steg über den Bodensee. Die Bretter sind nur hergelegt, ohne daß man sie wegen öfter ausbrechender Stürme festmachen dürfte. Eben darum ist auf der einen Seite auch nur eine schwache Lehne angebracht, woran man sich nicht festhalten kann.

Ungefähr um die Mitte dieses Steges sieht man im See ein Kreuzbild, und neben demselben eine Mutter Gottes und einen St. Johann aus Erz gegossen. Diese Bilder sind aus den Kanonen verfertigt worden, die man den Schweden in dieser Gegend abgenommen hat4). Der deutsch-ritterliche Herr Kanzleiverwalter und der Herr Rentmeister begleiteten uns mit vieler Höflichkeit aller Orten hin und zeigten uns den schönen Garten, welcher prächtige Alleen und Embuscaden, davon einige im holländischen Geschmacke angelegt sind, hat, dann die schönen Zimmer und Säle, welche vortrefflich mit Gemälden ausgeziert sind. Das Vorzimmer des Kommenthurs enthält eine Gattung Bildergalerie, nämlich Portraits fast aller Offiziere desjenigen österreichischen Regimentes, welches der verstorbene Kommenthur Graf Königseck inne hatte. Die in den Zimmern vorhandenen Kästen und Kommoden, von Rosenholz verfertigt, deren es eine Menge gibt, sind wegen ihrem seltenen Gemische von Farben fürs Auge eben so reizend, als Sie selten und kostbar sind.

1) Über den Dom von Konstanz stehe Dr. F. X. Kraus, Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden. Beschreibende Statistik. I. Band. Kreis Konstanz. Mit Illustr. und Tafeln. Freiburg 1887.

2) Franz Konrad v. Rodt, geb. 1706, erwählt 1750, Kardinal 1756, † 775.

3) Sie sind eine Nachbildung der Türflügel Ghiberti's [Lorenzo G. (* um 1378 in Pelago; † 1.Dezember 1455 in Florenz) war italienischer Goldschmied, Erzgießer, Kunsttheoretiker und Bildhauer] an der Taufkapelle in Florenz und tragen die Jahreszahl 1470. S. Marmor, Geschichtl. Topographie der Stadt Konstanz, S. 389—391, und Schneegans, Der wahre Name des Bildhauers der Konstanzer Domtüren im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. 1858, S. 76.

4) Im Jahre 1633.


Man zeigte uns auch in dem großen Saale den Luftballon, welcher in einigen Tagen daraus zum zweiten Male eine Reise von einigen Stunden machte. Die Kirche oder Kapelle ist nicht unfein, und das ganze übrige Gebäude prächtig und symmetrisch, auch ein bißchen befestigt, weil es mit einer Vormauer und einem Graben versehen ist. Auf diesem kleinen Eilande, weiches etwa eine halbe Stunde lang sein mag, wächst Korn und Haber; man pflanzt auch Trauben und unterhält eine Fasanenzucht, welche man frei auf der ganzen Insel herumstreichen läßt1).

Zu Mittag hatten wir die Ehre, zu Petershausen am Regulartische zu Speisen. Die Tischlektion war 1. aus der heiligen Schrift, 2. Fleury`s Kirchengeschichte, 3. ein vortrefflicher neuer Hirtenbrief vom Kurfürsten von Trier. Nachmittags besahen wir in der Abtei, deren Vorzimmer eine kleine Sammlung von Gemälden enthält, die berühmte Uhr2). Sie steht auf einem Fußgestelle und zeigt alle Tage nach des Kopernikus System alle Läufe und die Veränderungen der Planeten; sie hat nebst diesem einen Minuten-, Viertelstunden- und Stunden-, Tag-, Monat-, Jahr- und Jahrhundert-Zeiger, und die Schnellfeder zum letztern darf auch nur alle hundert Jahre aufgezogen werden. Man kann ferner an dieser Uhr, durch recht geschwinde Bewegung die allgemeine Weitgeschichte von der Erschaffung her bis auf unsere Zeiten, die größten Begebenheiten der Kirche sowohl als des Staates, sehen und von jedem dieser Vorfälle wissen, in was für einem Jahre er sich zugetragen habe. Auch sahen wir daselbst ein Modell von einem fliegenden Garten.

1) Die Insel Mainau kam 1806 bei der Aufhebung des Deutschordens an das Haus Baden Das ehemalige Deutschordens-Schloß ist jetzt ein großherzogliches Palais, und die Insel, durch eine Brücke mit dem Festlande verbunden, steigt in idyllischer Schönheit terrassenförmig aus dem See empor. Vgl. L. Reich, Die Insel Mainau. Karlsruhe 1856.

2) Sie war ein Geschenk des Fürsten von Hechingen zum Dank für die Pflege, welche er erhallen hatte, als er beim Herausfahren durch das Tor das Unglück hatte, in der Kutsche das Gesicht zu verletzen und die Hälfte seiner Nase zu verlieren. Reisebeschreibung von P. Blasius Hauntinger.


Von Kloster- und Kirchengebäuden schreibe ich hier nichts, weil sie fast Jedem aus uns zur Genüge bekannt sind. Nachmittags, nachdem wir in Kreuzlingen eine kurze Visite gemacht hatten, besahen wir das berühmte Petershauser Naturalien-Kabinett, das Schönste vielleicht, das ich meiner Lebtag sehen werde. Es ist in vier ungleich große Säle abgeteilt, alle diese sind mit Abgüssen antiker griechischer und römischer Köpfe und Büsten berühmter Männer aus dem Altertum, und noch mit einer großen Anzahl, etwa 150, ausgestopften fremden Vögeln ausgeziert. Ringsherum sind Kasten angebracht, alle mit Glastüren verschlossen, und in der Mitte jedes dieser Säle ist eine Art großer, doppelter Pulte hingestellt, etwa jedes 10 Schuhe in die Länge und 5 in die Breite, alle mit Schubladen bis auf den Boden versehen und oben wieder mit gläsernen Deckeln zugeschlossen. In diesem Orte, welcher gewiß weit über eine halbe Million einzelner Stücke in sich enthalten muß, finden sich meist vollkommene Sammlungen folgender Naturseltenheiten: 1.Aller Naturalien, Tropfsteine, Inkrustationen und Versteinerungen, welche sich im Karlsbad und in den Gegenden um dasselbe finden. Diese Sammlung ist die vollkommenste und eben darum die seltenste. Sie ist wirklich durch das Zutun ihrer Aufseher in einem Foliobande mit Kupfern, nach der Natur illuminiert, im Druck erschienen 1). 2.Eine Sammlung aller Gattungen von Marmor aus den verschiedensten Gegenden. 3.Eine Sammlung verschiedener Agatsteine. 4.Inkrustationen. 5.Holz, Versteinerungen aller Arten, und einige Male von ungewöhnlicher Größe. 6.Das ganze Steinreich nach seiner Einteilung. 7.Eine Sammlung verschiedener Gattungen Holzes. 8.Siegelerde und andere Gattungen Erde. 9.Ausländische Raritäten. 10.Ein herrliches Stufen-Kabinett von Gold, Silber, Blei, Zinn, Kupfer, auch gewachsenes Gold u. s. w. aus den berühmtesten Bergwerken. 11.Noch eine Sammlung aller Arten Fossilien. 12.Einige tausend Steine verschiedener Art, welche in der Donau gefunden werden, alle auf der einen Seite geschliffen. 13.Eine Sammlung von Edelsteinmüttern2): von Granit, Porphyr, Granaten u. s. w. 14. Ein Kabinett von Meermuscheln von seltenen Stücken und meist Dubletten. 15.Ammonshörner allerlei Arten und auch von ungewohnter Größe. 16.Steinmuscheln. 17.Oeninger3) Versteinerungen. 18.Gypsabdrücke von vielen tausend Münzen und Medaillen. 19.Eine Sammlung von Schmetterlingen. 20.Eine Sammlung ausgestopfter Vögel. 21.Eine nicht unbedeutende Anzahl eherner Götzen und Helden aus dem Altertum. 22.Noch andere Natur- und Kunstprodukte, die ich nicht mehr herzuzählen im Stande bin. Ein Kabinett also, welches vielleicht in ganz Deutschland, besonders in einigen Fächern, wenige seines Gleichen hat. Wir hielten uns so lange darin auf, daß wir darüber die Bibliothek ganz vergaßen. Wir würden gewiß schöne Werke, welche in die Naturhistorie einschlagen, darauf gefunden haben. Der Herr, welcher dieser ungemein raren Sammlung vorsteht, besitzt nach meiner geringen Einsicht die Kenntnisse dieses Faches vollkommen und verbindet damit einen eifrigen Hang zu diesem schönen Studium. Diese Sammlung hat Dasein und Zuwachs meist dem jetzt ziemlich unglücklichen Ex-Benediktiner P. Franz Uebelacker, ehemaligen Subprior zu Petershausen, zu verdanken4). In der Hauskapelle des Prälaten sahen wir zwei silberne Bilder der heiligen Gallus und Gebhard, welche unser Fürst Bernhard5) der Domkirche zu Konstanz bei Gelegenheit des mit dem dortigen Bischofe abgeschlossenen Konkordates geschenkt hat. Sie sind schon eine geraume Zeit an Petershausen verkauft worden6).

1) System des Karlsbader Sinters, unter Vorstellung schöner und seltener Stücke, sammt einem Versuch einer mineralischen Geschichte desselben und dahin einschlagenden Lehre über die Farben, von Franz Uebelacker. 4 Abteilungen mit 39 illum. Kupfern. Erlangen 1781—84.

2) Edelsteinmutter, die hohle Form, aus welcher der Edelstein ausgebrochen ist.

3) Oeningen im Badischen, am Ausfluss des Rheines aus dem Untersee, unweit der Stadt Stein, ist bekannt wegen seiner Steinbrüche mit zahlreichen Pflanzen- und Tierüberresten. Darunter ist am bekanntesten das für ein menschliches gehaltene Skelett des Riesen-Salamanders (Andrias Scheuchzeri). S. Heer, Urwelt der Schweiz. Zürich 1865. 402.

4) Derselbe wurde von seinen Ordensgelübden dispensiert und hielt sich zuerst in Wien, dann in Freiburg im Breisgau auf, wo er von einer österreichischen Pension lebte und eine Schrift gegen die Klöster herausgab. Meusel, Das gelehrte Teutschland. Fortsetzung VIII. 153. Er schenkte 50 Stück Mineralien an das Kabinett des Klosters St. Gallen. Weidmann, Gesch. der Bibliothek 138.

5) Abt Bernhard II. Müller aus Ochsenhausen in Schwaben, geboren 1557, erwählt 1594, regierte ruhmvoll 36 Jahre lang, resignierte 13. April 1630 und starb am 18. Dezember gleichen Jahres.

6) Das Kloster Petershausen wurde im Jahre 1802 von Baden in Besitz genommen; die Geistlichen wurden pensioniert, die Bibliothek kam nach Heidelberg (Pertz, Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 9, 579—580); die Kirche wurde 1831 abgebrochen, das berühmte Portal derselben war in dem Garten des großherzoglichen Schlosses Neu-Eberstein im Murgtal wieder aufgestellt worden und befindet sich jetzt in den vereinigten Sammlungen in Karlsruhe. Das Klostergebäude ist im Besitze des großherzoglichen Kriegsministeriums und die Garnison der Stadt lagert jetzt in den Räumen, wo über acht Jahrhunderte lang die Benediktiner von Petershausen gewaltet.


Den 14. Julius reisten wir nach Stade und ließen uns da im Schiffe bei dem schönsten lachenden Wetter nach Meersburg überfahren, ein Städtchen, das am See liegt und meist an eine Anhöhe hingebaut ist. Wir durchgingen, weil wir auf die Postpferde warteten, den Ort, besahen das Äußere der bischöflichen Residenz und machten dem Regens des dasigen Seminariums, einem gelehrten alten, freundlichen und recht ehrwürdigen Manne, einen Besuch. Er führte uns in allen Zimmern des weitläufigen Gebäudes herum und zeigte uns auch eine Hausbibliothek, welche sehr ordentlich eingerichtet wird, und auf antike Art ausgeziert ist. Die Decke dieses Saales ist in Fresco gemalt. Kurz besahen wir noch den Seminariumsgarten, die Studier- und Wohnzimmer der Seminaristen, welche jetzt, seitdem die Österreicher das Freiburger für ihre Untertanen errichtet haben1), nicht zahlreich sind, die Kapelle u. s. w, und ganz vergnügt und voll der Hochachtung für dielen würdigen Alten fuhren wir über sehr angenehme, abwechselungsreiche Gegenden in das prächtige Reichsstift Salem.

1) Im Jahre 1783 ward in Freiburg ein Josephinisches „Generalseminarium“ errichtet. S. König, Beiträge zur Geschichte der theolog. Facultät in Freiburg. Freiburg. Diöcesan-Archiv. 10, 251 ff.

Es liegt in einem Tal und ob demselben in einiger Entfernung das Schloß Heiligenberg. Das ganze Klostergebäude besteht aus drei Vierecken, eines derselben macht das Hofgebäude und die Abtei, die zwei übrigen machen das Konventgebäude aus. Der Umfang des Klosters ist von einer sehr weiten Strecke, und die Ökonomiegebäude, die Behausungen der Ministers (Dienerschaft), die eben so weitläufigen als durch ihre Schönheit reizenden Baum-, Kräuter- und Blumengärten, die kleinen Weiher oder Fischgruben, welches alles innert einer einzigen Mauer eingeschlossen ist, geben dem Stifte von weitem das Ansehen einer kleinen Stadt. In dem Hofgarten sind einige aufgeworfene Terrassen mit großen gestrickten Blumenkörbchen nach der neuesten englischen Art ausgeschmückt. Nachdem wir dem gnädigen Herrn Reichsprälaten Robert1) unsere Aufwartung gemacht hatten, gingen wir in die Kirche, ein altes, gotisches, majestätisches Münster und besahen ihre ganze innere Verzierung, die gewiß von jedem Zuschauer bewundert zu werden verdient. Sie hat drei Reihen Gänge nebeneinander, wie fast alle gotischen Kirchen, und an den Zwischenpfeilern sowie auch an den Hauptmauern sind zierliche Altäre, 27 an der Zahl, angebracht. Alle diese Altäre sind von Alabastersteinen verfertigt. Man kaufte diese Steine aus dem Gebiete der Republik Schaffhausen bei Schleitheim, den Zentner unbearbeitet für einen Gulden 30 Kreuzer. Sie sind weiß mit grauen Adern durchkreuzt. Die Bauart der Altäre ist ganz im schönsten antiken Geschmacke. Sie haben verschiedene Vorstellungen, z. B. eines stellt eine Art Urne, ein anderes ein Monument, eine Spitzsäule, Vasen, halbe und ganze Säulenwerke u. s. w. vor. Und so wechseln sie immer anmutig ab. Die sogenannten Pfeifen der Säulen, die Leuchter, die Konvivien, die Ringe und Handhaben der Vasen sind allemal aus Kupfer verfertigt und im Feuer vergoldet und machen nebst dem, daß sie dauerhaft sind, ein recht herrliches Ansehen. Das Chorgitter ist nur etwa drei Fuß hoch, auch antik, und auf demselben sind wieder herrliche alabasterne Vasen aufgestellt, welche treffliche halberhabene Arbeit in sich enthalten. Die zwei Faldistorien sind das Schönste was man von dieser Arbeit sehen kann. Eines stellt ein pyramidalförmiges Monument vor, auf welchem eine Lobschrift auf den Stifter dieses Ortes enthalten ist; die Buchstaben sind im Feuer vergoldet und das ganze Monument mit schönen Statuen geziert, welche Bezug darauf haben. Das andere gegenüber ist das Grabmonument für alle Äbte, weil es eben über ihre Gruft zu stehen kommt. Ein Engel hält eine große Tafel empor, worin alle ihre Namen und Sterbejahre mit goldenen Buchstaben eingezeichnet stehen. Weiter außen stehen noch zwei dergleichen Pyramiden, welche andere Vorstellungen haben. Ein jedes dieser vier Stücke ist nur aus etwa drei aufeinander getürmten großen Alabasterklumpen verfertigt und in der Kirche selbst ausgearbeitet worden. Die Altarblätter sind nicht Gemälde, sondern es ist halberhabene Arbeit aus Alabaster, welche etwa eine biblische Geschichte oder sonst etwas, das sich zum Kirchendienste schickt, vorstellt. Einige Male besteht ein Altarblatt aus halberhabener Arbeit zur Abwechselung aus Blei gegossen und ganz vergoldet.

1) Robert Schlecht aus Wending ober Wembingen im Rieß, zum Abt erwählt den 4.Juni 1778, gestorben 3.März 1802, „ein Mann voll Liebe, Milde und Güte gegen seine Mitmenschen“. Staiger, Salem ober Salmansweiler, ehemaliges Reichskloster Zisterzienser-Ordens. Topographisch-historisch ausführlich beschrieben. Konstanz 1863, S. 185.

Der Choraltar steht am Anfange des Chores und ist auf römische Art so gebaut, daß man von beiden Seiten zugleich Messe darauf halten kann. Die ganze Verzierung aller Altäre ist auf ein Kreuzbild und Leuchter eingeschränkt. Alle Altäre sind sich das ganze Jahr hindurch immer gleich; nur an Festtagen werden die metallenen Leuchter aus dem Hauptaltare mit silbernen abgewechselt. Am Ende des Chores ist statt des Chortabernakels eine silberne vergoldete Bundeslade mit Cherubim angebracht und dann eine große Nische in der Mauer, worin Jesus am Kreuze zwischen zwei Mördern sterbend vorgestellt ist, von Brucker. Das Chor selbst ist mit alten und neuen Basreliefs von Holzarbeit geziert, welche Geschichten vorstellen. Das Chor-Altarblatt, das am Ende des Chores ob der oberwähnten Nische steht, wird gerade entfernt und man arbeitet schon jetzt an einem andern, welches in halberhabener Alabasterarbeit das Nämliche vorstellen wird, was das Gemälde enthält. Das Stück ist etwa wenigstens 18 Fuß lang und stellt die Himmelfahrt Mariens vor; ein gutes Stück. Der Seitenaltäre, an beiden Hauptmauern der Kirche angebracht, sind etwa acht; in jedem ruht ein heiliger Leib eines römischen Blutzeugen unter dem Altarsteine verschlossen. Diele heiligen Leiber liegen nämlich, statt eines sogenannten Antipendiums, in einem Sarge, und vor diesen Särgen sind kupferne vergoldete Gitter angebracht, daß man nur die Särge und nicht die heiligen Gebeine sieht. Das Altarblatt stellt jedesmal in alabasternen Basreliefs die wahrscheinliche Leidensgeschichte des darin ruhenden Heiligen vor. Oben auf jedem Altare steht die Statue des Heiligen mit dem siegenden Palmzweige in seiner Rechten. Es sind Werke von Georg Dürr1), einem Bildhauer, der sich mit den größten Meistern messen konnte und sich durch seine Kunststücke auch in unserm Chor, besonders aber in Salem ein ewiges, aber leider nur allzu frühes Denkmal errichtete. Die Kirche enthält auch zwei prächtige Orgeln. Gemälde hat sie keine, nur zwei kleine Nebenplafonds ausgenommen, welche Brucker in Fresko bearbeitet hat. Vom alten gotischen Stil ist in dieser Kirche, das Gebäude selbst abgerechnet, nichts mehr übrig als das sogenannte Sakramentshäuschen (hierotheca), welches jetzt auch noch zu einem Tabernakel dient. Es steht zur linken Seite des Chores und stellt einen sehr künstlich durchbrochenen gotischen Turm vor, welcher fast bis an das Kirchengewölbe hinaufreicht, eine mühevolle und in Hinsicht auf gotische Schönheit prachtvolle Arbeit.

1) Johann Georg Dürr (Dyrr) aus Weilheim, wohnhaft in Mimmenhausen, vollendete die Altäre in den Jahren 1779 und 1780. Staiger a. a. O. 39.

Noch besahen wir Vormittags den großen Saal bei Hofe, welcher zur Zeit seiner Entstehung weit umher der Schönste mag gewesen sein, allein er ist zu sehr mit schwerer Stuckatur und riesenförmigen vergoldeten Statuen überladen; dann die Sakristei, wo sich ein rotsamtner, ganz nach antiker Zeichnung mit Gold gestickter Kirchenornat und noch ein anderer befindet, der aus einem Galakleide der Tochter Kaiser Josephs II. 1) verfertigt wurde. Das Tafelzimmer ist auch ganz im antiken Geschmacke mit Marmor bekleidet, und weil es, so wie die prächtige Prälatur, nur von einer Seite her wahre Fenster hat, so ist es auf der andern mit Spiegellichtern versehen, welche gute Wirkung haben.

Den Nachmittag brachte ich größtenteils bei meinem Freunde und Korrespondenten P. Caspar Oexle2), Oberaufseher über die Bibliothek und Sekretär des gnädigen Herrn, auf dem Büchersaale zu. Dieser Saal enthält auf jeder Seite sieben Fenster und ist gleich dem unserigen mit einer Galerie versehen und mit Säulenreihen geziert. Er mag etwa 100 Jahre alt sein, woraus leicht auf den Geschmack der übrigen Bauart zu schließen ist. Oben auf der Galerie sind zur Verzierung Köpfe alter berühmter Griechen und Römer angebracht. Die Decke ist gemalt und die Kästen alle mit Glastüren verschlossen, unter der Bibliothek ist noch ein Zimmer von der nämlichen Größe, ganz mit Büchern und meist mit Dubletten und alten Druckdenkmalen, welche stark an der Zahl und sehr beträchtlich sind, angefüllt, unter diesen letztere sind auch auf Pergament gedruckte. Von der Galerie aus geht man noch in drei andere Zimmer, davon eines recht geräumig ist; alle sind wieder mit Büchern angefüllt, und da finden sich die prächtigsten, jene besonders, welche in die Literaturgeschichte, Altertumskunde, Profan- und Kirchengeschichte und in die beschreibende Naturhistorie einschlagen, unter der vorigen Regierung war diese Sammlung die Prälatur-Bibliothek, jetzt aber sind diese Bücher sowie die übrigen alle gemeinnützig. Die ganze Sammlung erhält immer großen Zuwachs, und ich kenne einen Buchhändler, welcher neuere Bücher, wenn sie von einiger Bedeutung sind, unangefragt zur Vermehrung derselben hinschicken darf. Ich habe mir hier, so wie fast in allen unten vorkommenden Bibliotheken einige der schönsten angemerkt und werde sie sämtlich am Ende des Diariums in einer systematischen Ordnung anführen; das versteht sich aber nur von jenen Büchern, die sich nicht auch schon aus unserer Bibliothek befinden. Alle diese in so viele Zimmer abgeteilten Bücher Schätze ich samt den Dubletten wenigstens aus 30,000 Bände.

1) Kaiser Joseph II. starb erst 1790 ohne Nachkommen. Er hatte eine 1770 im Alter von fast 8 Jahren gestorbene Tochter Therese, die wohl gemeint ist.

2) P. Caspar Oexle ward geboren zu Schönberg in Schwaben den 24.Februar 1752, tat den 21.November 1771 Profeß, hielt die Priesterweihe den 20, September 1778 und wurde den 11, März 1802 zum Nachfolger des Abtes Robert erwählt. Schon im September des gleichen Jahres erfolgte die Aufhebung des Klosters; dem Prälaten wurde das Schloß Kirchberg am Bodensee überlassen, wo er als wohltätiger Menschenfreund und Vater der Armen noch 16 Jahre lang lebte. Er starb am 21.Juni 1820. S. Waitzenegger, Gelehrten-Lexikon der deutschen katholischen Geistlichkeit, II 80—81. — Staiger, Salem ober Salmansweiler, 187—189.


Von Handschriften sind nebst andern, die man in Reisebeschreibungen nachsehen kann, merkwürdig: Silbereisens, Abts zu Wettingen1), Chroniken, die Akten des Konsiliums von Konstanz von 1492 mit illuminieren Wappen; die ältern und autographischen Abschriften sind dem Feuer zum Raube geworden. Die besten Handschriften enthalten Werke der Kirchenväter, das Leben des h. Gallus von Walafried Strabo, Berno's Handmusik, ein Band Geschichten aus dem zwölften Jahrhundert mit Bildern; einige einheimische Autoren von Salem, bei denen die Rede auf eine Auslegung des Hohen Liedes verfiel, welche der Abt Berthold von Salem2) verfasste. Diese Auslegung ist in Salem nicht mehr zu finden, auf unserer Bibliothek aber existier sie noch in einem papierenen Kodex, vom 15.Jahrhundert unter Nr. 9393).

1) Christoph I. Silberysen von Baden, geboren 1542, Priester und Abt 1563, resignierte 1594, starb den 21.Juli 1608. Berühmt ist die von ihm verfasste und mit schönen Federzeichnungen ausgestattete Schweizer-Chronik. S. P. Dom. Willi bei Brunner, Eistercienserbuch 476. — Haller, Bibliothek der Schweizergeschichte 3, 419 erwähnt „eine Abschrift, so auch eine Urschrift zu sein scheint, im Kloster Salmanschweiler“.

2) Berthold II., genannt Jutz (Tuz?), erwählt 1358, resignierte 1373.

3) Vgl. Scherrer, Verzeichnis der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen S. 352. — Gerbert, Iter Allemannicum ed. II. p. 257.


Wir begaben uns hernach ins philosophische Armarium. Es besteht aus einem größeren und zwei kleinern Zimmern; im ersten sind meist mathematische, geometrische und zur Statik gehörige Instrumente. Im zweiten optische, dyoptrische und katoptrische; besonders ein sehr schöner neuer Brennspiegel von großer Stärke. Im dritten befinden sich Luftpumpen, elektrische Maschinen und mechanische Stücke, besonders das Modell des Salemischen Kirchturmes.

Den 15. Julius besahen wir am Morgen den Kirchturm. Man kann wohl sagen, daß ganze Wälder daran sind verschwendet worden. Er ist ganz aus Holz verfertigt, und man kann ohne alle Gefahr einzelne schadhafte Balken wegrücken und neue statt dieser hinsetzen. Der Turm ist nicht von Grund aus gebaut, sondern er steht über den vier Hauptpfeilern des Kirchengewölbes hingepflanzt. Seine Bauart ist weder antik noch modern, er ist weder Kuppelturm noch ganz Helmturm, allein sein Ansehen ist nichtsdestoweniger sehr zierlich und geschmackvoll; er enthalt 14—15 Glocken, welche ganz harmonisch sind und einen vollkommenen Akkord ausmachen. Die größte davon wiegt 100 Zentner. Der Turm selbst ist ganz mit Kupfer und Blei ausgefüttert, und auf jedem Stockwerke sind Wasserbehälter angebracht, um sich derselben im Notfalle bedienen zu können. Hernach besahen wir das Naturalien-Kabinett, welches im Kleinen fast ebenso eingerichtet ist, wie das zu Petershausen. Es enthält nebst dem, was man unter dem Namen Naturalien-, und Muschelkabinett versteht, auch eine Sammlung von Vogeleiern, verschiedene Marmorarten, eine recht kostbare Sammlung vieler Gattungen Achatsteine, eine traurige Sammlung von Brot von 1771—1772 von allerlei Größe und Preise aus den benachbarten Orten. Das ganze Kabinett ist von dem berühmten Kapuziner P. Andreas von Marchtall, ehemaligem marggräflich baden-badischen Hofbeichtvater, gesammelt worden. Er hat es dem Stifte Salem für eine schöne Anzahl Bücher, welche sie in duplo besaßen, überlassen. Dieser brave Kapuziner ist jetzt Vikar zu Markdorf; er hat noch überdies eine herrliche, etwa aus 30—50 Foliobänden bestehende Kupfersammlung, die vielleicht auch einst diesem Stifte zu Teil wird. Ich rechne es mir zur Ehre, mit diesem gelehrten Manne in Bekanntschaft zu sein, und von ihm einige Briefe erhalten zu haben 1). Das Salemische Kabinett erhält auch immer wichtige Zusätze von allen Gattungen Seltenheiten, indem sogar bis in das entfernte Spanien Bestellungen gemacht werden, um von da aus einige Natur- und Landesprodukte zu erhalten. Von den Versteinerungen mag wohl das versteinerte Vogelnest samt der brütenden Alten und den zwei Jungen, auch versteinert, das seltenste sein. Hier wird auch ein schönes Münz-Kabinett gezeigt, über welches P. Malachias 2) die Aussicht hat, worin sich besonders ganze Folgen herzoglicher und fürstlicher Häuser auszeichnen. Dieses Naturalien-, Muschel- und Medaillen-Kabinett nimmt ein sehr geräumiges Zimmer ein3).

1) Heute läßt sich nicht ein Mal mehr der Familienname dieses gelehrten und berühmten Kapuziners feststellen. Seine Eltern, aus hochadeligem Geschlecht, starben 1764 zu Marchthal. Sein Bruder P. Fidelis, ebenfalls Kapuziner, feierte 1755 seine erste h. Messe, und P. Andreas, damals Lektor der Philosophie, hielt die Primizpredigt, die in Ulm gedruckt wurde. Später war er Guardian zu Oberkirch, P. Fidelis Sonntagsprediger zu Engen. Vgl. P. 3. B. Baur, Beiträge zur Chronik der vorderösterreichischen Kapuziner-Provinz im Freiburger Diözesan-Archiv. Bd. 17, S. 258.

2) P. Malachias Seeleithner von Salzburg, geb. 1739, Profeß 1758, Priester 1765, starb als Beichtvater in Heggbach den 20. März 1816. Freibg., Diöcesan-Archiv 18, 263.

3) Die Naturalien-Sammlung kam nach Aufhebung des Klosters nach Karlsruhe und wurde mit dem Naturalien-Kabinett des dortigen großherzoglichen Residenzschlosses vereinigt. Staiger, Salem 9.


Noch besahen wir kurz die Schöne« Marställe, die prächtigen Kutschenremisen; die schönsten Gefährte darin sind alle nach antiken Vorbildern verziert, unvergleichlich bequem und werden in Salem selbst von einem Klosterbruder angefertigt. Wir beschlossen endlich mit Ansehung des Ortes, wo die schönen halberhabenen Alabasterarbeiten verfertigt werden.

Der Eifer, mit dem man sich hier aus die Studien verlegt, ist eben so groß, als die Sorgfalt für die Klosterzucht, welche in diesem Stifte von jeher berühmt war1). P. Firmus Blaibinhaus, Professor der Kirchengeschichte, P. Secretair, Professor und Bibliothek-Oberaufseher Caspar Oexle, P. Malachias, Professor der Theologie und Oberaufseher über die Naturalien- und Münzsammlung, und P. Bernhard, Bibliothekar2), zeichnen sich Jeder in seinem Fache aus. Die Orientalia wurden ehedem von dem berühmten Linguisten, dem Ex-Jesuiten P. Weitenauer3), gegeben, und P. Chrysostomus, ein geborener Ägypter aus Alcairo, setzt sie fort. Das Arabische und Türkische ist seine Muttersprache; das Griechische und eine Menge anderer lebender Sprachen sind die Früchte seiner Reisen. Er war schon 38 Jahre alt und schon 18 Jahre Priester, ehe er Profession ablegte.

1) Vgl. Beschreibung des Klosterlebens im Reichsstifte Salem in den letzten Jahren seines Bestehens. Von einem ehemaligen Conventualen (Joseph Dionys Ebe) im Freiburger Diöcesan-Archiv, Bd. 6, S. 219—230.

2) P. Bernard Boll, Sohn eines Offiziers, wurde am 7.Juni 1756 zu Stuttgart geboren und von seinem Vater ebenfalls zum Soldaten bestimmt. Seine eigene Neigung trieb ihn zum geistlichen Stande. Nachdem er das Gymnasium der Jesuiten in Rottenburg besucht, trat er bei diesen I772 ins Noviziat und nach der Aufhebung des Ordens 1775 in Salem ein. Im folgenden Jahr legte er die Ordensgelübde ab, wurde 1780 Priester und hierauf mit der Ordnung und Katalogisierung der Bibliothek betraut. Seit 1789 war er Dozent der Theologie und nach Aufhebung des Klosters seit 1805 Professor der Philosophie an der Universität Freiburg. 1809 wurde er Doktor der Theologie und Münsterpfarrer und am 21.Mai 1827 als erster Erzbischof von Freiburg präconisiert, am 21.Oktober inthronisiert. Er starb am 6.März 1836. Freiburger Diözesan-Archiv 13, 261; 16, 309.

3) P. Ignaz Weitenauer, geboren zu Ingolstadt am 1.November 1709, trat am 3.November 1724 in die Gesellschaft Jesu, lehrte über 20 Jahre die orientalischen Sprachen in Innsbruck. Er kam 1773 nach Salem und starb daselbst den 4.Februar 1783. P. Backer führt 43 Werke von ihm auf. Bibliothèque des écrivains de la Compagnie de Jésus VI. 779—783. — Vgl. Staiger, Salem S. 177.


Herr Hofmedikus Michael Hornstein, unserer ehemaliger Schulkamerad, ist hier bei Allen wohlangesehen und beliebt1).

Nachmittags fuhren wir über Stadel, Markdorf, Ravensburg, Altdorf in die berühmte Benediktiner-Reichsabtei Weingarten, welche von weitem schon ein herrliches Aussehen macht. Wir hatten nur noch so viel Zeit, dem Herrn Prälaten Dominicus, einem ehrwürdigen Alten, vor dem Nachtspeisen unsere Aufwartung zu machen“2).

Den 16. Julius besahen wir allererst den prächtigen Tempel3), in dessen Mitte eine lichte, mit Fenstern ausstaffierte Kuppel emporsteigt, welche nach meinem Begriffe dem ganzen Gebäude mehr äußerliche Pracht zubringt, als sie innerlich zur Verschönerung beiträgt. Die Fassade zwischen den zwei schönen Kuppeltürmen ist einfach prächtig. Die Kirchengemälde sind vom bäuerischen Hofmaler Asam4) in Freseo. Die Altarblätter sind fast durchaus Kunststücke von den besten Meistern, besonders ein Nachtstück, dessen Urheber mir entfallen ist.

1) Das Kloster Salem wurde im Jahre 1803 aufgehoben und fiel den Prinzen und Markgrafen Friedrich und Ludwig von Baden als Apanage zu. Die Bücher wurden mit der Petershauser Bibliothek vereinigt und unter Großherzog Ludwig 1827 um 10,000 Gulden an die Universität Heidelberg verkauft. Die Handschriften sind zum Teil beschrieben bei Bartsch, Altdeutsche Handschriften der Universitäts-Bibliothek in Heidelberg. Daf. 1887, S. 201—207, und bei Pertz, Archiv für ältere d. Gesch. 9, 580-587. Die beiden schönen Büchersäle, die lange leer und öde gestanden, wurden vor einigen Jahren, Dank dem Kunstsinne des Markgrafen Maximilian von Baden, in eine freundliche Gemälde-Galerie umgestaltet. Die Urkunden, die Enzyklopädie von Krünitz und das Münzkabinett kamen nach Karlsruhe; das physikalisch-astronomische Kabinett nebst dem von Petershausen und der dazu gehörigen Bibliothek kam 1807 an die Universität Freiburg. Die Kirche des Klosters wurde Pfarrkirche, das Priorat die Wohnung des katholischen Pfarrers, das Sommer-Refektorium ist die evangelische Kirche, die übrigen Klosterräume sind ein groß-herzogliches Schloß, von Beamten und im Sommer von der Herrschaft bewohnt.

2) Dominicus II. Schnizer, geboren zu Kempten (Wangen?) 1704, Profeß 1727, Priester 1731, zum Abt erwählt 9. Dezember 1745, starb den 6.Dezember 1784. Lindner, Die Schriftsteller des Benedictiner-Ordens in Württemberg in Studien aus dem Benedictiner-Orden III. (1882.)
2, 273. — Freiburger Diöcesan-Archiv 18, 313.

3) Vgl. Knöpfler, Wanderung durch Württembergs letzte Klosterbauten. Hist.-pol. Blätter. 102, 739—746.

4) Cosmas Damian Asam, geb. 1686, † 1742, berühmter Freskomaler. Allg. deutsch. Biogr. 1, 616.


Die Altäre selbst aber sind im modernen, vor etwa 30—40 Jahren herrschenden Muschelgeschmack gebaut, wahrlich keine Altäre von Salem. Die innerhalb herumgezogene Galerie macht dem ganzen Gebäude ein eben so schönes Ansehen, als sie bequem ist. Wir hatten auch die Gelegenheit, das hier aufbewahrte und in einem goldenen mit Edelsteinen reich besetzten Gefäße verschlossene h. Blut unseres Erlösers zu sehen und unsere Andacht dabei zu verrichten1). In dem Kirchenschatze werden nebst schönen Kirchenornaten, worunter ein weißer mit Blumen und Gold gestickter der schönste ist, eine Menge Silberzeuges und der ganze silberne h. Blut-Altar gezeigt, überdies werden hier noch einige Altertümer aufbehalten, z. B. uralte Messkelche mit silbernen Röhrchen, das heilige Blut damit auszusaugen; ein Evangeliarium oder Messbuch, etwa aus dem IX. Jahrhundert, noch zwei andere liturgische Bücher, etwa aus dem XII. Jahrhundert, mit Silber, Edelsteinen, Elfenbein und Schmelzarbeit (Email) verziert. Die hochwürdigen Herren waren auch so gefällig, uns die berühmte Orgel hören zu lassen. Sie besteht aus 76 Registern; die Claves (Tasten) und Register sind von Elfenbein, unter den Registern befindet sich auch ein vollkommenes Glockenspiel, und die Orgel soll glatthin 6666 Pfeifen haben2).

Jetzt kam die Reihe aus Naturalien-Kabinett, weiches durch seinen Oberaufseher P. Leo3), der eben abwesend war, schon zu einer ansehnlichen Größe angewachsen ist. Es enthält auch ein beträchtliches Muschel-Kabinett. Hier befindet sich auch ein kleines, von allerlei Gattungen Steinen, Mineralien, Fossilien, Muscheln, Korallen, Kristallen zusammengesetztes Grottenwerk, sowie auch einige ausländische Seltenheiten. Von diesem Zimmer kommt man ins philosophische Armarium, worin besonders einige hydrostatische und mechanische Maschinen Sehenswürdig sind. Wir begaben uns von da aus auf den Büchersaal, welcher schon alt und wegen der äußern Schönheit nicht merkwürdig ist.

1) Das heilige Blut ist nach der Legende am Kreuze aus der Seite Christi geflossen auf den Lanzenstich des Obersten Longinus, welcher dasselbe sammelte und in Mantua vergrub. In Folge einer Offenbarung ward es 1048 wieder gefunden und von Papst Leo IX. feierlich erhoben, Kaiser Heinrich III. erhielt einen Teil davon und vermachte ihn bei seinem Tode 1056 dem Grafen Balduin von Flandern. Von diesem kam er an die einzige Tochter Judith, die sich in zweiter Ehe mit dem schwäbischen Herzog Wels IV. vermählte. Als dieser im Jahre 1101 ins heilige Land zog, schenkte er an das Kloster Weingarten, die Gründung seiner Vorfahren, kostbare Kirchengeräte, und seine Gemahlin fügte als wertvolle Reliquie das heilige Blut hinzu. Es findet sich in der ausgebohrten Höhlung eines Bergkristalls, welchen Abt Alphons II. 1786 in einem Gefäß aus purem Gold mit vielen Edelsteinen fassen ließ. Sein Wert wurde auf 60—70,000 Gulden geschätzt. De inventione et translatione sanguinis Domini. Mon. Germ. hist. SS. T. XV. 921—923. — P. Augustin Haag, Sanguis Christi in terra vindicatus. Constant. 1758. — Schurer, Das h. Blut in Weingarten. 1880.

2) Das herrliche Orgelwerk baute J. Gabler 1736—50. Es hat 12 Blasbälge. Die Chor-Orgel von demselben Meister hat 3383 Pfeifen. „Die große Orgel beherrscht den Bau und die mächtigen Innenräume; sie durchbraust dieselben mit dem Sturmwind ihrer Töne und macht sie zittern unter dem Rollen ihrer Donner und füllt die weiten Hallen an mit Melodien.“ Knöpsler, a. a. O. 746.

3) P. Leo Gimmy, geb. 1752 zu Scheer an der Donau, Profeß 1771, Priester 1777, starb den 25.Oktober 1790. Er besaß in den Naturwissenschaften ausgebreitete Kenntnisse und begründete ein äußerst reichhaltiges Naturalien-Kabinett. Lindner, a. a. O. 275.


Hier unterhielt mich der hochw. P. Prior Gerhard Heß1) und der Bibliothekar Gualbert Bommer2) etwa zwei Stunden recht freundschaftlich. Die Bibliothek besteht aus zwei übereinander gebauten Zimmern, welches sehr unbequem ist. Zur Zierde sind an den Kästen Portraits, alte Waffen, türkische Schilde, ausgerüstete Turnierpferde im Kleinen und andere dergleichen Kriegswerkzeuge angebracht: die Hinterlassenschaft eines württembergischen Hofbeamten, welcher in diesem Stifte die katholische Religion angenommen hat. Die Mannskripte sind von einem herrlichen Altertume, etwa 500 bis 600 an der Zahl; die beträchtlichsten stehen in den Reisebeschreibungen der Bibliographen3). Besonders merkwürdig sind einige Werkchen mit Merowingischen Buchstaben, meist von Kirchensatzungen, Abschriften aus Werken heiliger Väter aus dem IX. Jahrhundert, Paul's des Diakons Historia Longobardica4). Das wichtigste enthält die Formulae Andegavenses, welche Mabillon hier gefunden und seinen Analekten [Sammlung von Auszügen oder Zitaten aus dichterischen oder wissenschaftlichen Werken oder von Beispielen bestimmter literarischer Gattungen] einverleibt hat5). Das Portrait und noch mehr die erstaunlich vielen Handschriften des gelehrten und arbeitsamen P. Gabriel Buzlin 6) (eines nahen Vetters unseres Marion Buzlin7) machen diesen Ort auch berühmt. Alte Incunabula Typographiae sind hier in solcher Menge zu sehen, daß man nicht bald an einem andern Orte so viele und rare finden wird, worunter sich auch gute biblische sehen lassen. Von diesen alten Druckdenkmalen sind besonders einige Ausgaben von Fust selbst von 1460 bis 1465, dann einige pergamentene von Peter Schöffer kostbar, z. B. die Elementinen von 1460, Cicero de officiis 1465 von Fust, Augustinus De vita christiana; Institutiones Justiniani Imperatoris von 1475 von Peter Schöffer und noch andere von andern berühmten alten Buchdruckern. Unter den Manuskripten bemerkte ich besonders zwei Exemplare des Wörterbuches Salomon's III., Bischoff von Konstanz, und unseres Abtes, in zwei Votivbänden sub B, Nr. 17, von dem ich mir einige Auszüge machte, aus welchen ich jetzt ersehe, daß es mit dem unserigen aus dem IX. Jahrhundert übereinkommt.

1) P. Gerard Heß, geboren zu Oberstetten bei Ochsenhausen 1731, machte 1752 Profess und ward 1755 Priester. Er war ein um die Geschichte seines Klosters hochverdienter Mann. Sein Todestag ist der 4.Dezember 1802. Lindner, Die Schriftsteller des Benediktiner-Ordens im heutigen Königreich Württemberg in Studien u. Mitteilungen aus dem Benediktiner-Orden III. (1882) 2, 276.

2) P. Gualbert Bommer, geboren zu Ludwigsburg 1737, tat 1759 Profeß, ward 1765 Priester, starb am 8.September 1785. „Ein würdiges Mitglied des um Wissenschaften und Gelehrsamkeit verdienstvollen Benediktiner-Ordens.“ Lindner a. a. O. 274.

3) Mabillon, Iter gerrnanicum ed. Fabritii, p. 43—44. — Grerbert, Iter Alemann, p. 235—239. — Gercken, Reisen 1, 120—142. — Zapf, Literar. Reisen Brief II. S. 7—9. Ders., Reisen in einige Klöster Schwabens. 11 ff.

4) Jetzt in Gießen Nr. 688. Otto, Commentarii critici, p. 25—28; 288—312. — Adrian, Catalogus p. 209 jetzt die Handschrift ganz unrichtig ins 13.Jahrhundert. — Vgl. Pertz, Archiv 3, 227; 7, 340. — Neues Archiv, 1, 555. — Die Ausgabe von Waitz, Scriptores rerum Langobard. in den Mon. Germ. p. 37. Daselbst Tafel IV eine Schriftprobe.

5) Analecta veterum ed. 1723, p. 388—398.

6) P. Gabriel Bucelin wurde geboren am 29 Dezember 1599 zu Dießenhofen im Thurgau, legte 1617 in Weingarten die Gelübde ab, ward 1624 Priester, war viele Jahre Novizenmeister und 30 Jahre Propst zu St. Johann in Feldkirch. Er starb den 9.Juni 1681. Das Verzeichnis seiner Schriften gibt Lindner, Studien und Mitteilungen 7.Jahrgang (1886), Bd. II, S. 84—91. Sein Portrait nach dem Original in Weingarten gibt Zapf, Reisen in einige Klöster Schwabens, 1786, Taf. VI. — Allgem. d. Biographie 3, 462.

7) P. Marianus Buzlin von St. Gallen starb den 10.November 1648.


Unser Manuskript ist also vielleicht ungedruckt und ohne Zweifel Original, aber doch nicht das einzige Exemplar dieses Werkes, wie es bis dahin Einige glaubten l). Von dem Verfasser ist es noch nicht ausgemacht, ob es Salomon III. (von Ramschwag) oder aber sein Lehrmeister, unser P. Yso sei. Unter neuern Büchern fand ich unter andern von jenen, die wir nicht haben: Scheidii Origines Guelphicae; Concilium generale Constantiense opera Hermanni van der Hardt, überhaupt ist das patristische [philosophisch-theologisches Denken der Kirchenväter betreffend], theologische, scholastische Fach und dann einige Zweige der Geschichte das schönste. Doch ich werde, wie ich es schon einmal angemerkt habe, unten über alle aufgezeichneten Bücher, die uns mangeln, und die ich bald da, bald dort angetroffen habe, ein Verzeichnis anführen. Im Zimmer des hochwürdigen P. Priors sahen wir den berühmten Monachus Weingartensis oder das Chronicon Weingartense, ein altes Manuskript, welches von den edierten, wie man es uns wies, in verschiedenen Stellen abweicht2). Noch sind auf der Bibliothek drei bis vier Kästen anzutreffen, worin verschiedene Seltenheiten, meist von Waffen, aufbehalten werden, z. B. des berufenen Ziska Schwert; ein anderes, worauf folgende Worte eingegraben sind: Hic est gladius Petri qui amputavit auriculam Malchi (wer es gerne glaubt!)3); allerhand türkische Köcher, Pfeile, Streithämmer, Streitäxte, Bassa-Kommandostäbe von Silber mit verborgenen Klingen u. s. w.; Martin Luther's zinnernes Trinkgeschirr, dessen er sich als Augustiner bediente, und was derlei Zeugs mehr sein mag.

l) Der Vokabularius Salomonis ist eine Real-Enzyklopädie in alphabetischer Ordnung, welche Auszüge aus zahlreichen Autoren enthält und noch mehrfach in Handschriften vorhanden ist, z. B. in St. Gallen 905, Einsiedeln 293; in München sind fünf Handschriften dieses Werkes. Im 15.Jahrhundert erschien auch eine gedruckte Ausgabe ohne Ort und Jahr (Hain, Repertorium typographicum 14134), wahrscheinlich bei St. Ulrich in Augsburg. Daß Salomon, Abt von St. Gallen und Bischof von Konstanz († 919), der Verfasser sei, ist sehr zweifelhaft. P. Reugart hält Jso (Yso), einen berühmten Klosterlehrer, † 871, für den Verfasser. Vgl, P. Gabriel Meier, Geschichte der Schule von St. Gallen im Mittelalter im Jahrbuch f. Schweizergeschichte, Bd. X, S. 63—65.

2) Anonymus Weingartensis, herausgeg. v. Heß, Prodromus Monum. Guelf. — Neue Ausgabe von L. Weiland, Historia Welforum Weingartensis in Monumente Germaniae historica. Soriptores 21, 457—472.

3) Es ist bemerkenswerte daß bereits im Jahre 1067 ein Schwert erwähnt wird, mit welchem im Garten Gethsemani das Ohr des Malchus abgehauen wurde. Pez, Codex diplornatico-epistolaris (Thesaur. Anecd. VI) I. 247.


Mein Herr College besah indes einige ökonomische Gebäude, unter welchen die schöne Schmiede, worin die Blasebälge von Wasser getrieben werden, merkwürdig sein soll. Ich bemerke von diesem Stifte noch, daß die Hofgebäude überhaupt neu gebaut und sehr prächtig, die Wohnungen hingegen der Ordensgeistlichen alt und sehr schlecht sind. Wenn einst auch diese nach dem vorgelegten Plane aufgeführt sein werden, so werden sie dem ganzen Orte, der jetzt schon wegen seiner erhabenen Lage sich schön ausnimmt, noch größere Zierde verschaffen.

Sonst scheint hier wirklich Diplomatie Geschichte ihres eigenen Klosters und seiner Stifter, der Welfen, und dann Untersuchung alter Druckdenkmale herrschendes Studium zu sein. Über dieses letzte Fach hat Herr Bibliothekar P. Johann Gualbert Bommer einen Katalog in der Arbeit, und in den übrigen Fächern gibt der hochwürdige Prior Heß, der sich durch seinen Prodromus Monumentorum Guelphicorum1) und die darauffolgenden Werke rühmlich bekannt gemacht hat, seinen Mitbrüdern allen Vorschub. Von Klosterdisziplin darf ich nichts reden, indem dieses Stift darin von jeher den Ruhm hat2).

1) Hess, Prodromus monumentorum Guelficorum sive catalogus abbatum monasterii Weingartensis. 4.Aug. Vind. 1781.

2) Weingarten war neben Salem das reichste und berühmteste aller schwäbischen Klöster und hatte bei der Aufhebung ein Gebiet von sechs Quadratmeilen mit 11,000 Einwohnern und 100, 000 Gulden jährlicher Einkünfte. Es wurde dem Erbstatthalter Wilhelm V. von Oranien zugewiesen, der sich 1806 mit Württemberg in den Besitz teilte. In Folge dessen wanderte ein Teil der Bibliothek nach Fulda, das ebenfalls dem Oranier zugefallen war, namentlich die ältesten Denkmäler der Geschichte des welfischen Hauses, der Anonymus Weingartensis u. s. w. (Pertz, Archiv, 7, 107; 8, 624—627). Andere kamen nach Gießen (Adrian, Catalogus codicum manuscriptorum, p. 26), die übrigen in die königliche Privatbibliothek in Stuttgart, wo sich z. B. die meisten Handschriften von P. Gabriel Bucelin und die berühmte Weingartener Liederhandschrift befinden. Die Klosterkirche wurde Pfarrkirche, das Konventsgebäude Stadtpfarrhaus. „Die Hauptbauten sind jetzt als Kaserne verwendet; in den großen Klosterhöfen weckt der scharfe Ton des Kommandos ein seltsames Echo, anzuhören wie Klageseufzer der mächtigen Bauten und Hallen über den Wechsel ihres Geschickes,“ Knöpfler, a. a. O. 743. Die Reliquie des kostbaren Blutes wurde der Kirche in Gnaden gelassen, aber erst nachdem man ihr die wertvolle Fassung geraubt hatte. Die jetzige ist der alten nachgebildet in vergoldetem Kupfer, und noch findet damit alljährlich am Freitag nach Christi Himmelfahrt eine vielbesuchte Prozession zu Pferde, „der Blutritt“, statt.


Nachmittags reisten wir über Baind (eine Reichsabtei von Bernhardiner-Klosterfrauen), Klosterreute, Aulendorf, den Sitz des kaiserlichen schwäbischen Landvogtes Graf von Königseck und Rattenschwand auf die Prämonstratenser-Reichsabtei Schussenried. Zu Klosterreute hielten wir stille und besuchten die h. Elisabeth, welche man die gute Beth nennt1). Das Frauenkloster ist aufgehoben, die Kirche aber ist noch im alten Stande; noch hängen darin unzählbare Votivtafeln herum. Zwei Herren von Waldsee (das wir auf unserm Wege von weitem sahen) und unter ihnen der ehrwürdige alte Vater Joseph, der so viel am Beatifikationsprozesse [Seligsprechung] arbeitete, zeigten uns alles Merkwürdige, das alte Grab, den Brunnen, den Garten und den Stein, wo die Selige ihr Knie eingedrückt hat. Wir verrichteten vor ihrem h. Leibe, der im Ordenshabit gefaßt ist, ein kurzes Gebet und trafen, wie schon gemeldet, in Schussenried ein, wo wir dem gnädigen Herrn Reichsprälaten Joseph2) unser gewöhnliches Kompliment machten. Denselben Abend hatten wir keine Gelegenheit mehr, etwas zu sehen. Der P. Kastner Siard3), ein Bruder unsers P. Ulrich, ward uns nebst andern Herren zur Aufwart gegeben.

Den 17.Julius besahen wir in der Frühe die Kirche und das Chor; beide sind alt und von keiner besondern Schönheit. An den Chorstühlen sind die Statuen aller Ordensstifter im Kleinen angebracht. Wenn dies Stift einst dem schönen Plane nach, den man uns vorgezeigt, ausgeführt wird, so muß es eines der herrlichsten in Deutschland abgeben. In der Sakristei, wo sich viel Silberzeug sehen läßt, wird ein Teil von St. Mangen-Stab, eine herrlich und reich gefasste Reliquie von St. Johann von Nepomuk, welche Kaiser Karl VI. dahin verehrte, vorgezeigt. Der Bibliotheksaal ist der schönste, den wir auf unserer Reise gesehen haben4).

Er ist etwa so groß, wie der unserige, enthält aber nur einen einzigen Plafond, von Hermann dem Altern in Fresco gemalt; man kann aber fast nicht klug werden, was diese Malerei vorstellen soll, weil darin gar zu viele Gegenstande nach und nach während der Arbeit eingeschoben wurden. Unten und auf der Galerie sind in allem 66 Kästen angebracht, davon sechs nur zur Symmetrie da sind und zugleich die Bibliothektüren ausmachen. Die Kästen sind nur aus Fichtenholz mit Perlfarbe angestrichen und mit Gold verziert, die Kastentüren mit Leinwand überzogen, worauf weiß eingebundene Bücher mit roten Titeln gemalt sind. Auf beiden Seiten des Saales stehen der Länge nach Reihen von gipsalabasternen Säulen mit Statuen, welche zu einander passen, und sich sozusagen widersprechen, z. B. auf einer -Seite die Freigeisterei, falsche Politik, Irrlehre mit ihren Kennzeichen, Devisen, auch Büchern, worauf Voltaire, Rousseau, Machiavelli steht u. s. w., auch Luther, Calvin mit ihren Lehrsätzen u. s. w., und dann gegenüber die Statuen eines Propheten, Apostels, Evangelisten, welche die vorigen mit Schrifttexten widerlegen. Das ist ein Gedanke, welcher meiner Meinung nach an jedem andern Orte besser, als auf einer Bibliothek stünde, denn ein Büchersaal muß allen Gattungen Leute offen stehen, und er ist doch kraft seines Daseins der Ort nicht, wo man Religionsstreitigkeiten mit einem durchreisenden fremden Gaste ausmacht. Jetzt, da diese Statuen mit ihren Inschriften noch nicht vollkommen ausgearbeitet sind, ließe sich da noch Rat schaffen. Die Bibliothek ist sonst bequem eingerichtet; ein jeder Schrank, wenn er aufgemacht wird, hält ein kleines Pult und einen Sitz zum Herablassen in sich und hinter jedem dieser Schränke ist eine Höhlung angebracht, worin sich für jeden eine kleine Stiege befindet. Nur konnte ich, weil der Bibliothekar nicht zu Hause war, nicht wissen, wohin der Lokalkatalog eines jeden Faches hinkommen sollte. Die ganze Bauart, die helle Perlfarbe, das herausblickende Gold machen der Bibliothek ein ungemein lichtes Ansehen, und ob sie gleich bei weitem nicht mit so kostbarer Holz- und Furnierarbeit ausgeziert ist, wie die unserige, so fällt sie, wenn ich nicht irre, gewiß eben so schön, wenn nicht besser ins Auge. Neben der Bibliothek wird ein sehr großes Zimmer für den Aufseher derselben zugerichtet. Ich traf ihn wirklich nicht in Schussenried an, er arbeitet an einem Bibliothek-Katalog, den er drucken zu lassen im Sinne hat. Was Hauptwerke von etwas altern Büchern sind, so mag die Bibliothek So ein wenig vernachlässigt worden sein, allein jetzt wird das alles mit Wucher ersetzt. Man wird nicht bald ein neues merkwürdiges Buch nennen, das man sich nicht anschaffte. Auf einem Deckel eines alten Buches fand ich ein Stück aus Walafried's Miracula S. Galli, ungefähr aus dem X. Jahrhundert.

1) Elisabetha Bona, die gute Beth genannt, wurde geboten in Waldsee den 25.November 1386, trat um 1400 in den dritten Orden des h. Franciscus, bezog 1407 mit vier andern Ordensschwestern das neu gegründete Kloster in Reute und zeichnete sich durch wunderbare Gnaden aus. Sie starb den 23.November 1420 und ward am 19.Juni 1766 selig gesprochen. Ihr Leben ist oft beschrieben worden, zuerst von ihrem Beichtvater Konrad Kügelen, Propst in Waldsee. Metzer u. Welte, Kirchenlexikon 2. A IV. 390.

2) Joseph Krapf, erwählt den 9.Sept. 1775, gestorben 1792.

3) Siard Berchthold, zum Abt erwählt 3.Dezember 1791, gestorben 1816.

4) Er ist noch erhalten, vielleicht die geistvollste, festlichste und heiterste Halle, welche der Zopfstil geschaffen hat. Knöpfler a. a. O. 416. Von Meister Jacob Emele von Roppertsweiler, mit Stukkaturen von Jacob Schwarzmann von Feldkirch und Fresko-Malereien von Franz Hermann von Kempten.


Wir besahen hernach den schönen und ziemlich großen Garten, das Sommer- und Winterpriorat, die Wohnungen der Patres, deren jeder ein Wohnzimmer mit einem eisernen Ofen, einen Alkoven und ein sogenanntes Studiol oder Kabinettchen zum Studieren inne hat, alles reinlich und schön, ohne Pracht. Man führte uns auch in die Gastzimmer, worin zwei türkische, mit Perlenmutter, Schildkröten und andern Steinen eingelegte Tische, deren jeder 600 Gulden geschätzt wird, merkwürdig sind. Sie sind ein Geschenk eines Schussenrieders, welcher sich so weit erschwang, daß er eine der ersten Bedienungen am kaiserlichen Hofe erlangt. Mit flüchtigem Auge durchwanderten wir jetzt die Ökonomiegebäude, die schönen Kornspeicher, die Keller, den Komödiensaal, das Museum, oder vielmehr den Ort der geistlichen Exerzitien, welcher zu-gleich der Rekreationssaal ist. Das Brustgetäfel ist darin so passend eingerichtet, daß man daraus etwa auf jeder Seite 13 kleine Betstühle auf einmal errichten kann; nach dem Gebete oder geistlichen Lesung stößt man sie wieder ohne Mühe und Geräusch zusammen und nun sieht man es wieder für nichts mehr und nichts weniger als für ein Brustgetäfel an. Im Hofgarten werden in eigenen dazu bereiteten Beeten viele Ananas gepflegt. Nachmittags durchgingen wir noch das Refektorium, die Schulgebäude, welche etliche Zimmer enthalten und worin für die niedern Klassen das Einsiedler-Institut1) gegeben wird2).

Wir nahmen hernach unseren Weg über Steinhausen, wo eine schöne Wallfahrtskirche zu sehen ist, die wir im Vorbeigehen auch betrachteten. Dann gings über Jngeldingen, einen Ort, der dem Kloster Villingen gehört. Die Reichsstadt Biberach ließen wir links in einiger Entfernung liegen und säumten uns, weil wir von einem Ungewitter überfallen wurden, zu Uhmendorf, einer Pflegschaft von Ochsenhausen, wo uns der P. Pfleger mit vieler Höflichkeit begegnete. Auf den Abend trafen wir im Reichsstifte Ochsenhausen ein, nachdem wir durch einen Markt gleichen Namens durchgefahren waren. Es ist eine herrliche Gegend, wo guter Wieswachs mit noch schönern Kornfeldern abwechselt. Der hochwürdige Herr Reichsprälat Romuald3) nahm uns mit außerordentlichen Gnadenbezeugungen auf.

1) Ist wohl die lateinische Grammatik, welche von einem Kapitularen des fürstlichen Gotteshauses Einsiedeln 1783 in 2 Bänden in zweiter verbesserter Austage erschien, unter Abt Joseph hatte Schussenried ein gut geleitetes, vielbesuchtes Gymnasium. Ein Zögling desselben war unter andern der bekannte Komponist Konradin Kreuzer, welcher vorher schon drei Jahre im Kloster Zwiefalten zugebracht hatte. Freiburger Diözesan-Archiv 18, 246.

2) Schussenried wurde mit Weißenau durch den Reichsdeputations-Hauptschluss vom 25.Februar 1803 dem Grafen von Sternberg-Manderscheid als Entschädigung zugesprochen; im Jahre 1806 kam es unter württembergische Landeshoheit. Nachdem der Graf Franz als letzter männlicher Erbe den 8.April 1830 gestorben war, verkauften die weiblichen Erben 1834 Schussenried und Weißenau an den Staat. Ersteres ist seit 1872 Landes-Irrenanstalt. Freiburger Diözesan-Archiv a. a. O. 245.

3) Abt Romuald Weltin, geboren zu Oberzell auf der Reichenau den 29.Januar 1723, legte 1743 Profeß ab, feierte 1747 seine erste h. Messe und ward zum Abt gewählt den 22.Oktober 1767. Nach der Auflösung verließ er, 80jährig, sein Kloster am 1.März 1803 und starb am 19.Januar 1805. (Geisenhof) Kurze Geschichte des vormaligen Reichsstifts Ochsenhausen. Ottobeuren 1829, S. 191—206. Linderer a. a. O. VI. (1885) 1. 105—108.


Er unterbrach sogar sein Nachtmahl und sagte, er wollte es nun mit uns endigen. Er ließ uns alsbald, da er erfuhr, daß wir unter seinen Herren Bekannte hätten, auf eines jedweden Verlangen, dem Herrn Pankraz den P. Joseph Kugler1), dem Herrn Beda einen seiner Bekannten, und mir meinen Korrespondenten, den Professor der Philosophie P. Placidus Germann2), kommen und kündete uns auf den folgenden Tag (es war Skapuliersonntag, eines der Hauptfeste in Ochsenhausen) den Arrest an. Auf den Abend machten wir noch einen vergnüglichen Spaziergang in den großen Hofgarten.

Den 18. Julius brachten wir den Vormittag, nachdem wir wieder einmal recht ausgeruht hatten, mit Beten zu. Wir bemerkten bei Anlaß der Predigt, daß das Heiliggeistlied nicht vom ganzen Volke, sondern nur von etwa acht Jungfern à vier Stimmen in einer recht angenehmen Melodie abgesungen wurde. — Wir waren am Morgen recht betroffen, da der Herr Prälat, indem wir noch nicht im Staube waren, ihn zu empfangen, in unserm Vorzimmer schon auf uns wartete, um uns einen guten Morgen sagen zu können; so weit trieb er seine außerordentlichen Gnadenbezeugungen für uns. Vormittags noch besahen wir die jetzt noch in vielen Zimmern klassenweise zerstreute Bibliothek. Das historische, patristische, philologische und linguistische Fach nimmt sich besonders heraus. Wirklich baut man an einem neuen, etwa 130 Schuhe langen Büchersaal, wozu noch ein mathematisches Armarium [Schrank zur Aufbewahrung von Speisen, Kleidern und Kleinodien] kommt. In diesem Armarium, wohin uns der gnädige Herr selbst führte und welches ein ziemlich großes Zimmer einnimmt, konnten wir nicht viel sehen; der Professor der Mathematik und Bibliothekar P. Basilius 3) war abwesend und hatte das meiste eingeschlossen. In einem andern Zimmer betrachteten wir die alten Druckdenkmale, worunter sich auch ein Werkchen von Fust`s Arbeit befindet. Von Manuskripten gibt es hier keine sonderliche Anzahl. Ein Heptateuchus vom 9.Jahrhundert möchte das wichtigste darunter sein4). Zudem gibt es noch einige Werke der Väter, z. B. des h. Augustinus, von einem schönen Altertume.

1) P. Joseph Kugler, geboren 1749, Profeß 1769, Priester 1774, starb als Pfarrer in Ummenborf den 30.Dezember 1812. Geisenhof daselbst 211. Lindenner a. a. O. 109.

2) P. Placidus Germann, geboren 1749, Profeß 1769, Priester 1774, Professor der Philosophie und in die 20 Jahre Bibliothekar, starb den 24.Dezember 1803 in Ochsenhausen. Geisenhof a. a. O. 209. Lindner a. a. O. VI. 1885, 1. 105.

3) P. Basil Perger (Berger), geb. in Prosseg 12.Juni 1734, Profeß 1755, Priester 1760, lehrte im Kloster Philosophie, Theologie, Mathematik und Physik. Vom Abte Romuald wurde er mit der Einrichtung der Sternwarte, welche im Kloster errichtet wurde, betraut. Er verfertigte auch selbst verschiedene physikalische Instrumente. Er starb am 7.Juli 1807. Lindner a. a. O. 108.

4) Gerbert, Iter aleman. 227.


Die Zimmer der Patres sind aus die nämliche Art wie zu Schussenried eingerichtet, die kleinen Kabinettchen im allgemeinen Museum sind auch mit Türen geschlossen, und die Konventgebäude sind von den schönsten, die wir aus unserer Reise gesehen haben. Nachdem wir nach unserer Gewohnheit noch dem hochw. P. Prior unsere Aufwartung gemacht hatten, begaben wir uns ins Refektorium, wo in Ansehung der großen Arbeit desselben Tages dispensiert (vom Stillschweigen) war. Es ist ein herrlich ausgezierter Saal und seit der letzten Feuersbrunst von 1782 wieder so hergestellt, daß man von den Feuerverheerungen keine Überbleibsel mehr spürt. Von den Studien dieses Ortes merke ich noch an, daß Mathematik, Mechanik und besonders orientalische Linguistik sehr eifrig betrieben werden. Im ersteren Fache ist der P. Bibliothekar Basilius und im zweiten der Professor Placidus stark. Die etwas alternde Kirche, welche für ihre Breite fast zu lang scheint, hat eine prächtige Fassade, worauf zwei schöne eherne Statuen ruhen. In der Sakristei sind nebst anderm Silbergeschmeide zwei kolossale silberne Leuchter, eine Monstranz mit guten Steinen besetzt, ein goldener Kelch mit goldenen Messkännchen, eine uralte gotische Monstranz und einige andere heilige Altertümer merkwürdig 1). Nachdem ich Nachmittags eine Stunde unter angenehmem Plaudern bei meinem Freunde und Korrespondenten, dem Professor Placidus, zugebracht hatte, gingen wir zu den Ökonomie-Gebäuden über.

1) Ein Juwel der Feinkunst, eine Monstranz aus bester gotischer Zeit“ erwähnt Knöpfler a. a O. 477. „Für die Kunstgeschichte ist es ein wirklicher Gewinn zu nennen, daß dieses Prachtstück den Augen und Händen der vielen Feinde des Klosters entging.“

Um sich einen Begriff von der weitläufigen Ökonomie dieses Ortes zu machen, merke ich nur, daß sich im Klostergebäude nebst einer Sennerei, dem zahlreichen Mastvieh, dessen man sich auch in unsern Gegenden nicht schämen dürfte, nur im Marstalle über 85 Zug-, Reit-, Karren- und Post-Pferde befinden. Wir besahen dann die sehr kommlich eingerichtete Mühle, die Wassermaschinen, vermittels welcher man das Wasser in eine ansehnliche Höhe hinauf pumpt und von da aus ins ganze Kloster verteilt, eine Probe der mechanischen und hydrostatischen Einsichten des P. Basilius, der sie angelegt hat. Wir waren so neugierig, daß wir von den Wasserventilen an durch einen mit Steinen gewölbten dunkeln Gang bis zum Wassersammler hinaufgingen, weiches eine ziemliche Strecke ausmacht. An dem Gebäude fällt es sehr ungelegen, daß die Prälatur vom übrigen Hofgebäude ganz abgesondert ist, so daß man von da aus durch keinen andern Weg, als die öffentliche Straße kommen kann, welches bei schlimmer Witterung sehr unbequem fallen muß. Die Prälatur selbst hat einen sehr prächtigen Eingang und Stiegenhaus, dem aber das übrige nicht am besten entspricht, indem die Zimmer sehr unregelmäßig und altertümlich sind. Das Vorzimmer ist unverschlossen und sieht eher einem Saale als einem Audienzzimmer gleich. Sonst wird man nicht so bald in einem Kloster so viele zierliche Gemälde antreffen, als zu Ochsenhausen, nur Ottobeuren ausgenommen, von dem ich auf den folgenden Tag das merkwürdigste bemerken werde1)

Den 19.Julius früh Morgens um 4 Uhr reisten wir von Ochsenhausen weg, ganz eingenommen von den Guttaten, die wir dort genossen hatten, und fuhren auf einer recht reizenden Ebene über Bergheim und dann über die Iller zu der berühmten Kartause Buxheim. Wir wurden bei der Konventpforte von einem recht höflichen Konventbruder( ein seltenes Phänomen), schade, dass mir sein Name entfallen, aufgenommen. Gleich trug er uns alle Arten von Frühstück an, und wir entschlossen uns zu einem guten Buxheimer Bier. Die Klostergebäude sind weitsichtig, und wir betrachteten sie in Eil, weil wir uns da nicht aufhalten wollten. Wir besahen die Kirche, die Wasserwerke, welche weit schöner als die in Ochsenhausen sind, die sehr prächtige Mühle, den Kanal, die verschiedenen Fischteiche und was wir nur immer in so kurzer Zeit sehen konnten. Wir wurden auf unser Verlangen, ob es gleich nach den Ordensbrauche noch nicht an der Zeit sein mochte, in die Klausur hineingeführt. Ich glaube nicht, daß die Ordenszucht in solchen Fällen, wo öfters die Reisenden keine gelegenere Zeit abwarten können, etwas untere dieser Nachgiebigkeit leide. Der P. Novizenmeister von Buxheim war auch unserer Meinung; er verließ sogleich seine zur Betrachtung versammelten Novizen, um uns auf unser Verlangen in den Büchersaal zu führen. Er ist ziemlich groß, sittsam ausgeziert und wegen den alten [unleserlich] einer der berühmtesten in Deutschland, weil er durch besonderen Fürsorge auch bei Kriegszeiten immer unbeschädigt erhalten wurde, [unleserlich] Werkchen, das Rationale Durandi von 1459, ein Lexikon von 1460 von Fust, viele Werke von Schoisser von 1466—1473, ein Cicero von Adam 1472, die frühesten Ausgaben vor Jenson, Bämler, Schüßler, Zainer, Schönsperger u. s. w. machen die Bibliothek zu einer der vorzüglichsten. Die fustische Bibel von 1462, in drei Foliobänden auf Pergament gedruckt, macht die schönste Zierde dieses Faches aus. Wir unterredeten uns noch einige Augenblicke mit dem gnädigen Herrn, welcher unter die Reichsprälaten gehört, einem verehrungswürdigen Alten, und fuhren Memmingen zu. Noch müssen in Buxheim eine Menge alter Holzgemälde aus Albrecht Dürers, Holzers und Lucas von Cranachs Zeiten nicht vergessen werden, die an den Klostermauern herumhängen2).

1) Die Prälatur ist jetzt Pfarrhaus, im oberen Hausgang mit sehr tüchtiger kassettierter Holzdecke; der Bibliotheksaal ist eine überaus liebliche Halle des Barockstils. Knöpfler, a. a. O. 475. Die Kirche besteht noch als Pfarrkirche fort. Den größten Teil der Besitzungen erhielt der Fürst von Metternich-Winnenburg, der dieselben im Jahre 1825 um 1,200,000 Gulden an die Krone Württemberg verkaufte. Abt Romuald wurde mit 7500 Gulden pensioniert und bezog 1803 das Schloß zu Sulmetingen, wo er 1805 starb.

2) Buxheim wurde 1803 dem Grafen von Ostein als Entschädigung für seine verlorene Reichsherrschaft Millendonk gegeben; Österreich aber legte Sequester darauf. Nachher kam es an den Grafen Waldbott-Bassenheim. Die reiche Bibliothek mit etwa 500 Handschriften und 541 Inkunabeln, doch ohne die obengenannten Prachtstücke, die Gerken in seinen Reisen (I, 188-193) ausführlich beschreibt, ward im September 1883 zu München versteigert und brachte im Ganzen über 60,000 Mark auf. Centralblatt für Bibliothekswesen I. (Leipzig 1884.) S. 38.


Wenn man nahe an Memmingen kommt, so verliert man die Stadt vollkommen aus dem Gesicht, weil sie sozusagen ganz mit Hopfengärten umgeben ist. Wir durchliefen die Stadt, indem wir die Pferde ein wenig ausrasten ließen, und besahen die lutherische Hauptkirche, worin wir, einige alte Grabsteine aus dem 15.Jahrhundert ausgenommen, nicht viel Merkwürdiges fanden. Gerade ward von einem jungen Diakon eine recht ordentliche Predigt über die Unversöhnlichkeit gegen Feinde gehalten, von der wir einen kleinen Teil anhörten. Die Kirche ist ein alter gotischer Tempel. Ich wußte wohl, daß ich auf der Stadtbibliothek und besonders beim Herrn Stadtbibliothekar Schelhorn1) viel Merkwürdiges sehen könnte, allein da mußte ich es bei den guten Wünschen bleiben lassen; wir mußten eilen, damit wir noch bis Mittag im Reichsstift Ottobeuren eintreffen konnten. Auf dem Wege sahen wir in einiger Entfernung die stiftkemptische Propstei Grönenbach. Dann ging der Weg durch einen Wald, welcher das Stift Ottobeuren dem Reisenden so lange vorenthält, bis man fast an dem Markt, der den gleichen Namen hat, angekommen ist. Linker Seite läßt man das Dorf Hawangen und das Frauenkloster Wald liegen.

Wir trafen in dem Stifte etwa um halb 11 Uhr ein und hatten alsobald, Gelegenheit, dem Herrn Reichsprälaten Honvrat2) unsere Aufwartung zu machen. Er nahm uns mit außerordentlichen Gnadenbezeugungen auf. Nach einem kurzen Gespräche führte uns der Herr Prälat, unserer Einwendung ungeachtet, in eigener Person erstlich in alle seine Wohnzimmer, dann in den sogenannten Prälatenzimmern herum.

1) Johann Georg Schelhorn, gleichnamig mit seinem Vater, geboren 1733, ward,
nachdem er verschiedene Pfarr- und Lehrstellen bekleidet hatte, 1762 in Memmingen angestellt, wo er 1793 Superintendent wurde und 1802 starb. Er schrieb verschiedene historische Schriften und eine Anleitung für Bibliothekare und Archivare. Ulm 1788.

2) Honorat Göhl, geboren zu Immenstadt 1733, tat 1751 Profeß, ward 1757 Priester und den 13.Mai 1767 zum Abt gewählt. Er starb den 17. Juli 1802. Über seine ausgezeichnete Regierung ist zu vergleichen P. H. Koneberg bei Brunner, Benediktinerbuch 524—527, Lindner, Die Schriftsteller des Benediktiner-Ordens im heutigen Königreich Bayern II, 87—92, und Feyerabend, Des ehemal. Reichsstiftes Ottobeuren in Schwaben, sämmtl. Jahrbücher, diplomatisch, kritisch und chronologisch bearb. Bd. IV, 122 ff.


Eines davon ist besonders merkwürdig, ganz mit den ausgesuchtesten Gemälden ausgeziert. Vor diesen Zimmern befindet sich ein großer Gang, welcher vermittels angebrachter Türen in kleine Kabinette oder Vorzimmer kann umgeändert werden. Alle diese Vorsäle machen eine ansehnliche Gemäldegalerie aus, wo sich schöne Stücke von verschiedenen Meistern, Schulen und Arien, auch unter andern schöne Holzgemälde finden. Die Sammlung hat von dem jetzigen Prälaten, welcher sich um alle Fächer der bildenden Künste sehr interessiert, den meisten Glanz erhalten. Von der Abtei aus geht eine heimliche Stiege bis in die untersten Kellergewölbe hin. Wir besahen hernach den herrlichen Kaisersaal, die Hofkapelle, gingen durch die Bibliothek in den Konventbau, wo uns eine Fraterzelle und ein Zimmer eines Paters geöffnet ward, welche fast auf eben die Art wie in Ochsenhausen eingerichtet sind. Wir streiften noch durch alle Keller, Fischteiche, die Kanzlei, das herrliche Refectorium hindurch. Das ganze Klostergebäude besteht, die Ökonomie-Gebäude und die Wohnungen der Ministers nicht mitgerechnet, aus zwei großen, etwa 400 Schuhe langen Quarées, davon eines wieder mit einem Zwischenstabe durchkreuzt wird, und also eines der zwei obgenannten großen ablänglichten Vierecke in zwei gleiche Teile geteilt wird, welche nun mit dem noch übrigen unabgeteilten Vierecke drei ungleiche Quarées gestalten. Die Ökonomie-Gebäude sind von einer außerordentlichen Weitläufigkeit und sind teils außer den Garten, teils außer dem Vorhofe hingesetzt. Vor und an dem Klostergebäude kommt die prächtige Kirche mit zwei Kuppeltürmen zu stehen. In den Konventgebäuden ist alles ausgeziert, die Peristylyen [Säulenhöfe] sind sogar mit Stuckatur verkleidet. Die Gemälde, welche da in einer gewissen Beziehung aufeinander aus dem neuen und alten Bunde angebracht sind, können sammt ihrer Erklärung in einem in 4° gedruckten Buche nachgesehen werden1). Die neue künstlerische und dabei sehr einfache Konventuhr verdient auch bemerkt zu werden. Das allgemeine Museum und überhaupt alle Gebäude sind so kommlich eingerichtet, daß in diesem Punkte gewiß nichts vergessen wurde, und dies Kloster zu einem Formular einer recht kommlich einzurichtenden Wohnung dienen kann. Die herrlichen Stiegenhäuser machen dem ganzen Gebäude überhaupt ein prachtvolles Ansehen. In den Hofgebäuden findet man überdies eine Menge schöner Statuen von Gips und etwa 28—30 Stück halberhabene welsche Arbeit aus schönem carrarischem Marmor, welche die Geheimnisse des Lebens und Leidens unseres Heilandes vorstellen, wahre Kunststücke! Sie sind zum Teil vor und zum Teil in der Hofkapelle aufgehängt; auch alte Holz- und Stein-Basreliefs trifft man hin und wieder an, welche wegen ihrem Altertum ehrwürdig sind, auch wirklich sorgfältig aufbewahrt werden. Vom Winterchore, welcher an die Kirche angebaut ist, kamen wir in die Kirche, und fingen mit Betrachtung der Sakristei an. Die Kästen sind ganz von furnierter Holzarbeit, nicht so auf Geratewohl hin, sondern sie stellen ganze nach der Natur gezeichnete alte römische und andere Denkmale vor, z. B. den Moles Hadriani, andere alte römische Ruinen, den Tempel Salomons in einer zweifachen Zeichnung u. s. f. Das Chorgestühl ist mit Basreliefs von vergoldetem Holze ausgeschmückt. Der ganze Tempel ist mit Marmor gepflastert und kann füglich in drei Kirchen abgeteilt werden. Die Kirche besteht aus dem Chore, der großen Kuppel, zwei Nebenkuppeln, deren jede drei Altäre in sich hält, und dann dem Schiffe, und nur im hintersten Teile der Kirche sind Stühle angebracht. Die Gemälde sind von Zeiler2) die Stuckatur mit Gold überladen. Das Chorgitter ist nur etwa zwei bis drei Fuß hoch und mit Statuen besetzt. Die Altäre, deren es eine große Menge gibt, sind alle im modernen Gusto gebaut, und einige davon mit heiligen Leibern römischer Blutzeugen geziert, welche kostbar gefaßt über denselben stehen. Der Chor-Altar zeichnet sich durch seine Schönheit besonders aus. Vor dem Chorgitter ist ein altes, ehrwürdiges und mirakulöses Kreuzbild der Andacht der Gläubigen ausgestellt. An einem Seitenaltare einer Nebenkuppel zeigt man das Haupt der heiligen Märtyrerin Vinosa, worin noch das Gehirn und die Zunge unversehrt zu sehen sind; am hintern Teile des Hauptes sieht man noch die Wunde, die durch einen Pfeil verursacht worden3). Schade, daß es uns die Zeit nicht erlauben wollte, dies ganze Kloster mit mehr Aufmerksamkeit zu betrachten.

1) Pioturae convevtus Ottoburani, qnae utrinsqne Testament! Mysteria praecipua repraesentant, concordant et illustrant. MDCCLXXXIII. 28 Seiten 4° mit zwei Kupfertafeln. Verfasser ist P. Konrad Renz, † 1770. S. Lindner a. a. O. S. 80.

2) Jacob Zeiler, Sr. kaiserlichen Majestät akademischer Maler. Feyerabend, Jahrbücher IV, 94.

3) Jedenfalls ist Vinnosa oder Pinnosa gemeint, die unter den 10 Begleiterinnen der h. Ursula genannt wird. Vgl. z. B. Annalen des hist. Vereins für den Niederrhein 26, 148.


Nach der Mittagstafel fuhr der gnädige Herr mit uns in einer vierspännigen Chaise auf drei seiner Höfe, welche etwa eine Stunde vom Kloster entlegen sein mögen. Der erste ist der Recreationsort für die Konventherren; er liegt an einem ziemlich einsamen Orte, gerade an den Grenzen eines Waldes, der dem Hochstifte Kempten gehört. Man kann hier etwa 20 Patres kommod logieren. Auch sind zwei Kapellen angebracht. Auf diesem Hofe ist eine schöne Stuterei angestellt, und auf dem zweiten Hofe eine Maultierzucht. Nachdem wir noch den dritten Hof durchgefahren hatten, so gings nun auf die Ökonomiegebäude los. Zwar hatte man mir Hoffnung gemacht, daß ich einen Teil des Nachmittags in der Bibliothek zubringen könnte, allein mein Vorhaben und dies Versprechen wurden zu nichts, und wir sahen die Bibliothek nur so weit, daß wir ein Mal durch sie hin und her gingen, indem wir die Konventgebäude betrachteten. Man zeigte uns also die Marställe, die verschiedenen Werkstätten und was dergleichen mehr sein mag. Von den Futtertrögen ist als Seltenheit zu erwähnen, daß jeder aus einem einzigen Stein ausgehauen ist. Die Metzge ist sehr kommode in einem tiefen, kalten Gewölbe hinplatziert. Die Bierbrauerei soll in ihrer guten Einrichtung wenige ihres Gleichen haben, die Bäckerei kommt gleich neben die Mühle zu stehen, und diese selbst ist mit möglichster Kommlichkeit eingerichtet und hat fünf Gänge. Oben sind die Kornbehälter, von welchen das Getreide in Kanälen auf die Mühle ohne Jemandes Zutun herabfällt. Eben wollten wir noch den schönen Hofgarten besehen, als uns ein daherbrausendes Ungewitter daran hinderte, und wir uns mit unserm hohen Begleiter ins Kloster zurückbegaben.

Nachdem uns der Herr Prälat hier noch das Schön eingerichtete und mit aller Sorgfalt wider das Feuer bewaffnete Archiv und den herrlichen Refektoriumssaal nochmals gezeigt hatte, unterhielt uns der Herr Küchenmeister P. Franz1) etwa eine halbe Stunde aus der berühmten Orgel, die er meisterlich traktiert. Sie hat 74 Register, also zwei minder als jene in Weingarten, allein das Pedal und der Orgelbass überhaupt ist unvergleichlich stärker2). Schon war der gnädige Herr wieder da und führte uns in den Speise-, Studier- und Wohnzimmern der Studenten herum. Der schöne Komödien-Saal mit Bogen, welcher ganz nach dem Salburger Theater eingerichtet ist, woselbst alle Szenenveränderungen mit Rädern sehr geschwind bewirkt werden, ist merkwürdig. Sogar die Küche vergaß er uns nicht zu zeigen, und zu ihren Kommlichkeiten gehört, daß darin viele Dienste mit Wasserrädern verrichtet werden, welche sonst Menschenhände fordern. Noch ein paar Augenblicke vor dem Abendessen brachten wir in einem Nebenkabinette der abteilichen Zimmer zu, wo uns die großen Abrisse der dem Stifte Ottobeuren zugehörigen Herrschaft, welche der jetzige Prälat erst kürzlich von neuem aufnehmen ließ, vorgewiesen wurden. Alle diese alten und neuen Risse machen zwei Bände in Superregalfolio aus. Hier in diesem Zimmer hätten wir uns an Durchsehung einer überaus zahlreichen Münzensammlung und eines sehr großen Kupferstich-Kabinetts noch lange nützlich unterhalten können, wenn es die Zeit zugelassen hätte, und diesen Sachen hätten wir auch die Besichtigung der Ökonomiegebäude herzlich gern aufgeopfert; nun aber war es zu spät, und wir mußten abbrechen. Mich wunderte es sehr, daß man uns diese Schönen Sachen nur einige Augenblicke sehen ließ, da es doch die Lieblingssachen des gnädigen Herrn sind, und er diese Sammlungen leibst angelegt hat.

1) P. Franz Schnitzer, geboren zu Wurzach 1740, Profeß 1760, Priester 1766, starb am 9.Mai 1785, hinterließ eine große Masse musikalischer Kompositionen. S. Lindner a. a. O. II, 83—85.

2) Nach Koneberg (Benediktinerbuch, S. 532) hat sie 64 klingende Register und kostete 31,810 Gulden. Der Erbauer war Karl Riezz.


Zur Abendtafel wurde die Frau Mutter unseres Herrn Seraphins und sein Herr Bruder P. Joseph eingeladen. Sonst sahen wir, den P. Küchenmeister ausgenommen, außer im Vorbeigehen keinen von den Kapitularen, und dies mag Zeuge sein, daß man hier sehr Strenge auf Disziplin halte, und eben darum, weil ich weder Bibliothek, noch Bibliothekar, noch Professoren gesehen habe, kann ich auch nicht wissen, wie es hier in dieser Sache stehe. Der Herr P. Ulrich, Professor der Philosophie und zugleich Großkellner (zwei wunderliche Gegenstände in einem Subjekt vereinigt), hat sich mit dem glücklichen Versuch aerostatischer Maschinen (die ersten, welche den schwäbischen Luftkreis betraten) einigen Namen gemacht1).

1) P. Ulrich Schiegg, Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu München, geboren zu Gosbach (Württemberg) 1752, Profeß 1771, Priester 1775, ließ am 22.Januar 1784 nach einigen vorhergegangenen Versuchen den ersten größeren Luftballon steigen, der nach drei Viertelstunden wieder sanft zur Erde fiel. Feyerabend, Jahrbücher 4. 177. Schiegg beteiligte sich nach Aufhebung des Klosters an der Landesvermessung und starb in München am 4.Mai 1810. Lindner a. a. O. II, 98. — Sein Portrait steht im Sulzbacher Kalender für kath. Christen auf das Jahr 1850, S. 71.

Unter dem Tischgespräche verfielen wir aus den Kontrapunkt, von welchem der Herr Prälat sehr eingenommen ist. Weil wir, besonders der Herr Beda, ein Verlangen äußerten, denselben zu hören, und wir uns doch auf keine Weise wollten bereden lassen, länger hier zu verbleiben, so mußten noch abends um halb neun Uhr der Herr Präfekt mit einigen Studenten herkommen und uns eine Messe von der Komposition des P. Küchenmeisters in einem sogenannten Kontrapunkt zur Probe vorsingen. Die Musik gefiel mir wohl, doch weiß ich nicht, ob man es nicht eher Figuralmusik ohne Instrumente, als wahren Kontrapunkt nennen könnte, weil besonders die höhern Stimmen mit eigentlichen Solo, Duetto u. s. w. wechseln. Ein anderes Stück, ein Salve Regina, kam einem Kontrapunkte näher. Nach diesem wurden wir ins sogenannte Fürstenzimmer geführt, und da bot der Herr Prälat noch einmal alle seine Kräfte auf, uns länger bei sich zu behalten. Allein weil wir uns vernünftiger Weise nicht mehr säumen konnten, und ihm vorstellten, daß wir wegen diesem Stifte uns merklich von unserm Reiseplan entfernt hätten und noch viele andere merkwürdige Orte sehen wollten, so sagte er, er wollte uns nicht zwingen, wir sollten uns noch einmal in seiner Abwesenheit darüber bedenken und ihm noch, ehe er sich zur Ruhe begäbe, unsern Entschluß wissen lassen. Wir statteten ihm also auf allen Vorfall hin unsere ungeheuchelte Danksagung ab für die außerordentlichen Gnadenbezeugungen, und entschlossen uns sofort (es war schon 10 Uhr), morgens frühe um 3 Uhr fortzureisen. Wir ließen diesen unsern Entschluß nebst nochmaliger Danksagung dem gnädigen Herrn anzeigen. Er wünschte uns eine recht glückliche Reise und ließ uns scherzweise anzeigen, daß er uns zur wohlverdienten Buße unserer eilfertigen Abreise mit Maultieren wollte begleiten lassen, sonst würde er uns mit Pferden ausgewartet haben.

Wenn immer eine Beschreibung merkwürdiger Dinge auf unserer Reise verworren aussieht, so ist es gewiß diese, die ich jetzt von Ottobeuren hingeschrieben habe. Es sind an diesem Orte der merkwürdigen Sachen zu viele, als daß man sie in einem halben Tage besehen könnte, und eben darum, weil wir über alles flüchtig uns hinwegsetzen mußten, ist es eine notwendige Folge davon, daß die Beschreibung dieses Ortes nur unvollkommen, nur obenhin, und überhaupt konnte hingeschrieben werden. Nahe am Kloster steht noch ein prächtigen Gebäude, welches die Hofbeamten inne haben; ein jeder aus ihnen hat zugleich einen Anteil an einem großen Garten, Fischteiche u. s. w. Das ganze Klostergebäude, die Kirche und zum Teil auch die Türme sind aus gebackenen Steinen gebaut, weil es in dieser Gegend aus eine weite Strecke hin keine eigentlichen Bruchsteine gibt, deren man sich zu Gebäuden bedienen könnte1). Nun zum stärksten Marsche, den wir auf unserer ganzen Reise gemacht haben; er beträgt etwa 24 Stunden, von Ottobeuren bis auf München.

1) Ottobeuren, wegen seiner großartigen Gebäudlichkeiten dass schwäbische Escurial genannt, kam mit seinem ansehnlichen Gebiet in Folge des Regensburger Reichsdeputations-Hauptschlusses als Entschädigungs-Objekt an Kurpfalzbayern und ward am 3.September 1802 militärisch besetzt. Die Klosterkirche wurde Pfarrkirche, Abt und Konvent pensioniert, die Bibliothek und Archiv nach München übergeführt, und die schönen Hallen des verlassenen Klosters begannen zu veröden König Ludwig I. errichtete 1834 die Benediktiner-Abtei St. Stephan zu Augsburg, dem Ottobeuren als Priorat beigeordnet wurde. Seit 1835 sind wieder Benediktiner daselbst, welche die Pfarrei und feit 1853 auch eine Erziehungs-Anstalt leiten.

Am 20.Julius, frühe am Morgen um 3 Uhr, hatten wir schon unsern Reisewagen bestiegen und fuhren mit unsern langohrigen Pferden über Sontheim, Stetten, Roßbach und einige andere kleine Orte auf Mindelheim zu, ein Städtchen, das, ob es gleich im schwäbischen Kreise liegt, bekanntlich mit dem zugehörigen Lande dem Kurfürsten in Bayern zugehört. Rechts zur Seite auf einer Anhöhe zeigt sich ein kurfürstliches Jagdschloss, worin sich der verstorbene Max. Joseph1) jährlich zur Jagdzeit einige Wochen aufzuhalten pflegte. Wir unterredeten uns, während die Pferde eingespannt wurden, mit dem Postmeister über die Art, wie dieser Ort im letzten Kriege2) von den Österreichern besetzt und über die Form, wie er damals regiert wurde. Er zeigte sich, wider die Gewohnheit anderer bayerischer Untertauen, nicht sehr von Österreich abgeneigt und sagte: Einen Herrn müssen wir doch haben, und daran wird zuletzt wenig liegen, welcher es sei; der Kaiser beschützt doch seine Untertanen besser, als je ein anderer Regent. Von Mindelheim kommt man über Kirchdorf und Niederdettlingen zur Wertach oder vielmehr zum Rinnsal, wo sonst die Wertach fließt, ein kleines Wasser, welches aber den letzten Winter ungeheuere Verwüstungen angerichtet hatte, von denen wir noch Spuren sahen; jetzt aber war sie fast ausgetrocknet und kaum sichtbar.

1) Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern, geb. 1727, † 30. Dezember 1777.

2) Im Bayerischen Erbfolgekriege 1778—1779, scherzweise auch Kartoffelkrieg genannt, und am 13.Mai 1778 durch den Frieden von Teschen beigelegt.


Bald trafen wir zu Buchloe, dem allgemeinen Sammelplatze der Übeltäter, welche im schwäbischen Kreise aufgehoben werden, ein. Ein jeder Kreisstand kontribuiert jährlich etwas zur Unterhaltung dieses Ortes, und hat dann das Recht, alle seine Galgenvögel oder auch anderes Gesindel dahin zu liefern, wo man ihnen entweder unentgeltlich den Hals bricht, oder sie sonst auf einige Zeit im Zucht- oder Arbeits-Hause beschäftigt. Noch, ehe man ins Dorf hinkommt, ist es ein in der Tat trauriger Anblick, so viele unglückliche Schlachtopfer der Gerechtigkeit auf verschiedene Weise entleibt vor sich zu sehen. Doch wir füllten bald wieder etwas zur heilsamen Erschütterung des Zwergfelles bekommen. Unser Reisegefährte Herr Beda war durch dieses grässliche Schauspiel so gerührt, daß er uns ermahnte, ein De profundis für die armen Verblichenen mit einander abzubeten — und als es zur Kollekte kam, so betete er in allem Ernste die Oration: Deus veniae largitor . . . quaesumus, ut nostrae congregationis fratres, propinquos et benefactores ad perpetuae beatitudinis consortium pervenire etc. Wir beide protestieren im Namen der ganzen helvetischen Kongregation feierlich wider solche Mitbrüder, und nun war es geschehen; lachen mußten wir, ohne mehr auf einige Zeit an das Beten denken zu können. Wir waren bald bei dem Gefängnisse, Arbeits- und Zuchthaus zu Buchloe. Ohnehin mußten wir die Pferde wechseln, und diese halbe Stunde wollten wir zum Besuche der Gefangenen zubringen. Daß aber zu diesem guten Werke auch etwa eine kleine Dosis von Neugierde möchte hinzugeschlichen sein, ist auch möglich. Wir wurden von der Wache (ein Teil des Reichskontingentes des Bischofs von Augsburg) gar gern eingelassen und trafen just den Kriminal-Assessor Damiani, einen jungen, freundlichen Mann, an, welcher nebst dem Kriminalrichter die erste Obsorge über alles hat. Ihre Unterbeamten sind ein Zuchtmeister, ein Verwalter, ein Eisenmeister u. s. w. Das Gebäude stellt ordentlich ein Kloster vor und ist ins Viereck gebaut. Im untersten Stockwerke sind die Arrestanten, in geräumigen gewölbten Kammern, weiche reinlich gehalten und oft ausgeräuchert werden. Es sind ihrer 5—7 und noch mehrere beisammen; diejenigen, welchen das Leben abgesprochen ist, sind an Ketten gebunden; die übrigen können herumgehen und werden oft auf einige Jahre ins obere Stockwerk promoviert. Wirklich mochten sich etwa 30—40 Arrestanten darin aufhalten. In eben dem Stockwerke befinden sich noch die schrecklichen Blockhäuser. Oberhalb sind auf einer Ecke die Weiber und auf der andern die Männer unter ihren Aufsehern mit Arbeit verschiedener Art beschäftigt. In der Mitte ist die Kapelle, wo von beiden Teilen Messe kann gehört werden, ohne daß sie einander auch nur sehen können. Gegenüber sind die Wohnungen der Beamten, und weiter hinweg noch die schreckliche Rüstkammer, eine Sache, die man heute an verschiedenen Orten für ziemlich entbehrlich ansieht. Herr Damiani führte uns selbst aller Orten herum, und die Frau Kriminalrichterin (eine Tochter der verstorbenen Hofkanzlers Gasser) machte uns eine kurze Visite. Das Beste, was mir hier gefiel, war, daß der Herr Kriminal-Assessor, so viel ich in so kurzer Zeit bemerken konnte. Sanft und leutselig mit diesen armen Leuten umgeht und ihnen dadurch ihr Unglück erträglicher macht.

Nachdem wir zum Troste dieser Armen und zur Buße für unsere Neugierde ein ansehnliches Almosen hinterlassen hatten, fuhren wir fast durch lauter Wälder auf Landsberg. Das einzige Dörfchen Gottshaus liegt am Wege. Ein langweiliges Fahren, welches aber durch außerordentlich schöne Heerstraßen erleichtert wird. Von Buchloe ist noch zu merken, daß um diese Gegend der berufene Wildschütze, der sogenannte bayerische Hiesel1), gefangen worden. Ehe man auf Landsberg kommt, muß man den Lech passieren. Landsberg ist weder groß noch schön, es ist etwas befestigt, mit 500 Mann besetzt und fast ganz an einen Berg hinangebaut. Das ehemalige Jesuiten-Noviziat macht zu oberst auf dem Berge eine recht schöne Figur, allein so sehr man uns auch dies Gebäude anrühmte, so hatten wir nicht Muße genug, es in Augenschein zu nehmen. Unser Reisekoffer wurde uns hier von einem Mauthner versiegelt und für diesen Dienst, dessen wir wohl hätten entrathen können, mußten wir ihm noch obendrein 32 Kreuzer zum Lohne geben. Da wir eben zum weißen Rosse neben der Hauptkirche logierten, so ging ich in dieselbe. Das Gebäude ist ein altes gotisches Münster, und aus diesem läßt sich leicht auf seine Verzierung schließen. Es hängen darin viele alte türkische Kriegsfahnen herum, welches wir hernach auch in einigen Kirchen zu München selbst bemerkten, unter einigen Grabmonumenten ist jenes des Cyhriacus Weber, Dr. med., der von München gebürtig war und 1575 in Landsberg starb, das merkwürdigste. Es steht hinter dem Choraltare zur rechten Seite in einer Nische, die mit einem eisernen Gitter verwahrt wird. Es stellt ein ganzes menschliches Totengerippe vor und ist aus einem einzigen Steine ausgehauen, ein Kunststück, welches so unbegreiflich ist, daß man noch an seinem Dasein zweifeln möchte, wenn man es gleich mit Augen vor sich sieht. Dies Stück ist bis jetzt noch in sehr gutem Stande erhalten worden. Der Steinhauer, welcher es verfertigte, hieß Reiche!

1) Der „bayerische Hiesel“, im südwestlichen Deutschland noch heute populär, hieß eigentlich Matthias Klostermaier, war geboren 1738 zu Kissing bei Friedburg am Lech, berühmter Wildschütz und zuletzt auch Räuber, ward 1771 gefangen und in Dillingen hingerichtet. Vgl. Leben des Mathias Klostermayer, genannt der bayerische Hiesel. Hannover 1797.

Wir reisten nun die Stadt hinauf, wo sie gegen die Landseite etwas mehr befestigt ist; da öffnet sich von dieser Anhöhe die schönste Szene eines der gesegnetesten Lande, die es nur geben kann. Dann aber folgen wieder ungebaute Gegenden, schönste Wälder von Laubholz, denn Fichtenbäume gibt es hier keine. Von Landsberg aus bis München sind an der Heerstraße alle Viertelstunden Steine gesetzt, welche anzeigen, wie viele Viertelstunden man noch von der Hauptstadt entfernt sei. Über die Dörfer Bessingen und Windach kommt man an den Ammer- oder Amper-See, welcher von dem Flüsschen Amper, das ihn durchkreuzet, den Namen hat. Hier sieht man den Berg Andechs in einer Entfernung von etlichen Stunden sehr schön. Wir fahren noch mehrere andere Orte und Klöster, die aber unser Postknecht nicht zu nennen wußte. Von Inning ist noch eine doppelte Post bis München, welche aber nicht gewechselt wird. Auf dem Wege liegen die Dörfer Kaisersdorf, Hergottsried, Pfaffenhofen. Zwei Stunden vorher sieht man schon das herrliche München ehe man hinkommt. Nymphenburg und einige andere kurfürstliche Schlösser zeigen sich von ferne. Nahe an der Stadt sind eine Menge Gärten, worin die Bürger ihre freien Abendstunden zubringen. Es war der schönste Abend, und die letzten Sonnenstrahlen vergoldeten eben noch die hohen Stiftstürme, als wir in die Stadt hineinfuhren. Wir nahmen unser Absteigequartier beim Gasthause zum Schwarzen Adler in der Kaufinger Gasse beim Herrn Ratsherrn Albert und wir hatten in der Tat gut gewählt. Wir hielten sogleich Nachfrage, ob sich nicht der Hauptmann Pracher, ein Halbbruder des Herrn Beda, hier in Garnison befände. Wir machten ihm unsere Visite, besahen noch in einem angenehmen Spaziergange das Äußere von den schönsten Gebäuden der nächstgelegenen Gassen und gingen zum Gasthofe zurück, wo wir beim Abendessen mit Leuten von verschiedenem Stande, Nationen, Charakter und Bestimmung, etwa 40 Personen, Bekanntschaft machten und uns mit Verbannung alles Zeremonien-Wesens angenehm unterhielten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren