Die Lebensgeschichte des Pater Nepomuk Hauntinger

Die Familie Hauntinger stammte aus Bayern. P. Johann Nepomuk erwähnt in der folgenden Reisebeschreibung, daß seine Großeltern in München begraben sind. Sein Vater war Factor in der Buchdruckerei des Klosters St. Gallen, und hatte sich in der Nähe dieser Stadt, in Straubenzell, niedergelassen. Hier wurde den 30. Mai 1756 Johann Nepomuk geboren. Wir wissen noch von zwei Geschwistern; ein um sechs Jahre jüngerer Bruder wurde ebenfalls Benediktiner, P. Blasius in Rheinau, geboren 1762, gestorben 18261); eine Schwester, Ursula, starb, 38 Jahre alt, unverheiratet am 15. Juli 1798.

1) Mülinen, ProbromuS 34. Lindner im Freiburger Diöcesan-Archiv 14 (1881) 49.


Über P. Nepomuk's Bildungsgang wissen wir nichts. Wahrscheinlich hat er an der seit tausend Jahren im Kloster St. Gallen bestehenden Schule seine Studien gemacht. Damals zählte sie gewöhnlich nur 16 Zöglinge und bildete eine Art Seminar für das Kloster. Es wurde das Lateinische und Griechische sammt etwas Geschichte und Erdbeschreibung gelehrt, viel auf Schriftliche Aufsätze in Prosa und Versen in lateinischer Sprache gehalten; weniger verlegte man sich auf das Deutsche1).

Erst 16 Jahre alt erhielt der Jüngling das Ordenskleid des heiligen Benedikt, und an seinem 17. Geburtstag, den 30. Mai 1773, legte er die Ordensgelübde (Profeß) ab und ward zum Mitglied des Klosters aufgenommen. Dabei erhielt er den Klosternamen Johann Nepomuk; den Taufnamen, den er bis dahin geführt, konnte ich nicht mehr ermitteln. Die sechs Jahre bis zur Priesterweihe, im Jahre 1779, widmete der junge Mönch den philosophischen und theologischen Studien.

Damals herrichte im Kloster St. Gallen ein reges wissenschaftliches Leben. Im Jahre 1758 hatte Abt Cölestin II., früher selbst Bibliothekar, den Bau der neuen Bibliothek begonnen, des jetzigen prächtigen Saales mit der bezeichnenden Inschrift über dem Eingang: VYXHS UTPEION 2). Er sorgte auch für die Vermehrung der Bücher, während der gelehrte Bibliothekar P. Pias Kolb für die Ordnung und Benutzung derselben tätig war und in zwei Foliobänden einen geschätzten Katalog über die Handschriften verfasste.

Nicht weniger ein Mäcenas der Studien war Abt Beda Angehen 1767—1796, der sich in der Geschichte der Bibliothek dadurch einen unvergeßlichen Nachruhm gesichert hat, daß er einen großen Teil der Handschriften des Geschichtsschreibers Aegidius Tschudi von dessen Nachkommen erwarb. Auch für mathematische Instrumente und ein Naturalien-Kabinett verwandte er große Summen. Als unvergesslicher Beförderer der schönen Künste und Literatur feiert ihn die Geschichte der Bibliothek3), und Zeugnis hiervon gibt auch die nachfolgende Schrift, die ihm gewidmet ist.

l) Weidmann, Geschichte des ehemaligen Stifts 9.

2) „Arznei für die Seele.“ Der ägyptische König Osymandias soll diese Worte über seine Büchersammlung gesetzt haben.

3) Weidmann a. a. O. S. 147


Im Jahre 1774 ernannte er den P. Magnus Hungerbühler zum Bibliothekar, einen Mann von gründlichem Wissen, seinem kritischen Geschmacke aber anspruchlosem Auftreten; der die Früchte seines Wissens und seiner Untersuchungen uneigennützig auch Andern mitteilte. Besondere Aufmerksamkeit verwandte er auf die unter seiner Obhut stehenden handschriftlichen Schätze, das kostbare Erbe einer tausendjährigen Vergangenheit. Er suchte daher auch seinen jüngeren Mitbrüdern Achtung und Interesse hierfür einzustoßen, und fand besonders bei Zweien empfänglichen Sinn, nämlich bei unserm P. Nepomuk und dem ein Jahr nach diesem dem Klosterverband beigetretenen P. Jldephons von Arx, der später als Geschichtsschreiber des Kantons St. Gallen sich einen ausgezeichneten Namen erwarb1). Eine der ersten und verdienstlichsten Arbeiten der jungen Gehilfen bestand darin, eine große Anzahl alter Pergamente von Büchereinbänden abzulösen, welchen das für solche Dinge verständnislose 15. Jahrhundert keine bessere Bestimmung zu geben vermocht hatte. Manche interessante Entdeckung wurde hierbei gemacht, da von diesen bis jetzt wenig beachteten Blättern sich einige als sehr kostbare Überreste, zum Teil des höchsten Altertums, erwiesen. Am wichtigsten sind darunter Bruchstücke von Virgil's Aeneis, die man als älteste noch übrige Handschrift dieses Dichters in das dritte oder vierte Jahrhundert setzt2). Hauntinger beabsichtigte, eine eigene Abhandlung darüber zu schreiben und hatte bereits das Material dazu gesammelt; man weiß aber nicht, was daraus geworden ist.

Schon ein Jahr nachdem er Priester geworden, ward dem jungen Religiösen die Stelle des Bibliothekars übertragen. „Der 23. Oktober 1780,“ so schreibt er selbst, „war der mir unvergeßlich glückliche Tag, an welchem mir die Obsorge über eine Bibliothek aufgetragen wurde, die seit undenklichen Zeiten und dem grauen Altertume her, unter die merkwürdigsten Deutschlands gehört, und ferner noch ihren Ruhm behaupten kann. Heilig soll er mir verbleiben, dieser für mich so glückliche Tag!“ Mit einem schönen Reichtum von Vorkenntnissen ausgerüstet und mit einer Art von höherer Weihe und Begeisterung trat der noch nicht 25 jährige die wichtige Stelle an, welcher er eine lange Reihe von Jahren Ehre gemacht hat. Noch ist das Verzeichnis der Bücher vorhanden, die in den 13 ersten Jahren seiner Amtsführung zur Bibliothek hinzu kamen3). Aus demselben geht hervor, daß binnen der genannten Zeit die Bibliothek um mehr als 4000 Bände zunahm, worunter seltene und gesuchte Werke, 146 Bände Handschriften, 335 Inkunabeln [Druckerzeugnisse aus der Frühzeit des Buchdrucks (vor 1500)]; ein Zuwachs, wie ihn damals wohl wenige Bibliotheken aufzuweisen vermochten.

1) S. Meyer von Knonau [1804—1858], P. Jldephons von Arx, der Geschichtsschreiber des Kantons St. Gallen. Neujahrsblatt des histor. Vereins von St. Gallen. 1874.

2) Codex Nr. 1394. I. Scherrer, Verzeichnis der Handschriften der Stiftsbibliothek von St. Gallen, S. 456. Als P. Franz Weidmann im Jahre 1819 auf einer Reise nach Rom dem damaligen Bibliothekar der Ambrosiana in Mailand und spätern Kardinal Angelo Mai zwei Blätter dieser Bruchstücke zeigte, rief dieser voll freudiger Überraschung aus: O quantum mihi gaudium, videre istum Virgilium!

3) Codes 1285. Accessions-Katalog der Stiftsbibliothek 1780-92. Scherrer a. a.O. S. 443. Vgl. Weidmann, Gesch. d. Bibliothek. 139—146.


Hauptsächlich um seine bibliothekarischen Kenntnisse zu erweitern, sehen wir P. Nepomuk im Juli und August 1784 aus einer vierwöchentlichen literarischen Reise in die bayerischen und Schwäbischen Klöster, die den Gegenstand dieser Schrift bildet und daher noch näher zu besprechen sein wird. Die für die Bibliothek nützlichste Frucht davon war der Anhang zur Reisebeschreibung oder das „Verzeichnis einiger Bücher aus allen Klassen, welche auf unserer Bibliothek mangeln, meistens aus den Bibliotheken, die ich während meiner Reise gesehen ...“

Wie fleißig P. Nepomuk die Bibliothek benutzte, beweisen die von ihm im folgenden Jahre verfassten „Auszüge aus den fünf ersten Teilen des neuen diplomatischen Lehrgebäudes der Benediktiner Toustain und Tassin aus der Mauriner Congregation“1). Darin wird öfter auf St. Gallische Handschriften als Belege hingewiesen; die Arbeit war somit für die St. Gallischen Mitbrüder von besonderem Wert. Sie scheint auch mit Rücksicht auf den Bruder des Verfassers, P. Blasius in Rheinau, verfaßt, welcher der Studien wegen sich in St. Gallen aufhielt und im Jahre 1786 das Ganze für sich abschrieb. Diele Kopie befindet sich jetzt in der Bibliothek von Einsiedeln2).

Wie es das Amt eines Bibliothekars mit sich bringt, hatte P. Nepomuk auch mit auswärtigen Gelehrten zu verkehren und ihnen manchfaltige Aufschlüsse zu erteilen. So finden wir ihn im Briefwechsel mit dem gelehrten P. Trudpert Neugart von St. Blassen3); dem Prior Enhuber zu St. Emmeran in Regensburg lieferte er Material zu einer kritischen Ausgabe der Werke des Rhabanus Maurus4). Im Jahre 1792 veröffentlichte Hauntinger „Proben der althochdeutschen Übersetzung der Evangelien-Harmonie aus Codex S. Galli 56“ in Jacob Heß, Bibliothek der h. Geschichte5).

1) Codex 1499. Scherrer a. a. O. S. 488. Vgl. Weidmann Geschichte der Bibliothek 173.

2) R. 99. Vgl. Weidmann a. a. O. 173 ff. — Archiv d. Gesellschaft f. ält. d. Geschichtskunde l. (1820), 237—238.

3) Weidmann, Gesch. b. Bibl. 134.

4) Kunstmann in der Tübinger Theologischen Quartalschrift 1838 S. 431, und Hrabanus Magnentius Maurus S. 2.

5) Frankfurt und Leipzig 1792. 8. Th. II. S. 544—571. Kap. 147-152. Vgl. Raumer, Einwirkung des Christentums auf die althochdeutsche Sprache 37.


Bald sollte jedoch die friedliche wissenschaftliche Tätigkeit unseres gelehrten Bibliothekars eine verhängnisvolle Unterbrechung erfahren. Die stürmischen Weltereignisse warfen ihren Schatten auch in die stillen Mauern der Klöster. In St. Gallen entstand eine innere Gährung, welche zu Klagen gegen den Abt führte, der übrigens in Rom sich rechtfertigte. Die Untertanen des Stiftes wollten nicht mehr gern unter dem Krummstab leben und beklagten sich über verschiedene Missstände der Verwaltung. Die Ereignisse des Auslandes schürten die Missstimmung und ermutigten zum Aussprechen derselben und zu lautem Unwillen. „Freiheit“ wurde das Losungswort, die gesetzliche Ordnung begann sich aufzulösen und die väterlichen Mahnungen des milden Abtes Beda waren machtlos hiergegen. Es wurden ihm 1795 einundsechzig Klage- und Bittpunkte vorgelegt, welche den Stiftsheeren noch mehr als dem Abte missfielen. Einer der entschiedensten Gegner der Volksbewegung war Hauntinger. Lebhaften und feurigen Temperamentes, eiferte er mündlich und schriftlich gegen die „Volksverführer“, wie man sie nannte. Er gab eine anonyme Beleuchtung der einundsechzig Klagepunkte heraus unter dem Titel: „Wie entsprechen die ehrerbietigen Vorstellungen vom 3.Junius dem landesväterlichen Zurufe vom 16.April und dem Danksagungsschreiben aller Gemeinden der alten Landschaft an die Landeshoheit?“ Die Schrift erlebte zwei Auflagen, war aber, wie sich denken läßt, ohne nennenswerten Erfolg. Die Bewegung Schritt vorwärts, namentlich nach dem Tode des Abtes Beda, welcher im dreißigsten Jahre seiner Regierung, den 19. Mai 1796, starb.

Ihm folgte am 1. Juni Abt Pankraz Vorster, derselbe, der auf der Münchener Reise vor zwölf Jahren der Begleiter unseres P. Nepomuk gewesen war. Geboren am 31.Juli 1753 in Neapel als der Sohn eines Offiziers aus dem St. Gallischen Städtchen Wyl und einer vornehmen Italienerin, war er früh ins Kloster getreten und hatte sich eifrig wissenschaftlichen Studien gewidmet, auch die ökonomischen Verhältnisse des Stiftes aufmerksam verfolgt. „Er war ein Mann von gelehrten Kenntnissen, tadellosem Wandel, streng mönchischer Richtung und unbeugsamer Willenskraft“1). Letztere Eigenschaft führte dazu, den Zwiespalt zwischen Fürst und Untertanen unheilbar zu machen. Am 25.Februar 1798 wurde der Freiheitsbaum in Gossau errichtet und die Republik ausgerufen.

1) Dierauer, Müller-Friedberg S. 75.

Hauntinger hatte das drohende Gewitter vorausgesehen; es erschien ihm unmöglich, dasselbe zu beschwören oder auf irgend eine Weise abzuleiten. Er war nur darauf bedacht, die ihm anvertrauten Bibliothek-Schätze vor dem Schiffbruch zu retten. Bereits im August 1797 hatte er deswegen angefangen, die wichtigsten Sachen über den Bodensee nach Mehrerau bei Bregenz, damals noch Benediktinerkloster, bringen zu lassen, und im Februar 1798 war alles geborgen. In den ersten Tagen des April ging Hauntinger ebenfalls nach Mehrerau, während Abt Pankraz, der bis dahin in der Nähe, auf der St. Gallischen Besitzung Neu-Ravensburg sich aufgehalten hatte, sich nach Wien begab, wo er als Reichsfürst am kaiserlichen Hofe Schutz zu finden hoffte.

Indessen hatte man in der Bibliothek in St. Gallen die leeren Bücherschränke mit Makulatur angefüllt und eine künstliche Unordnung angerichtet. Als am 10.Mai die Franzosen in St. Gallen einzogen, fanden sie ein Chaos von alten Predigten und andern unnützen Büchern. Der Kommissair der helvetischen Regierung, der Bierbrauer Erlacher, sandte den P. Jldephons nach Mehrerau mit dem Auftrag, die Handschriften zurückzufordern, natürlich ohne Erfolg; sie waren jetzt unter kaiserlich-königlichem Schutze. Die Buchdruckerei des Klosters ward als helvetisches Staatsgut erklärt und abgeführt und Hauntingers alter Vater, der 52 Jahre im Dienste des Klosters gestanden, entlassen.

Die abenteuerlichen Wanderungen der Bibliothek und ihres treuen Hüters können mir hier nicht ins Einzelne verfolgen. Wir sehen ihn von Mehrerau aus in Korrespondenz mit dem Geschichtsschreiber Johannes von Müller, der damals in Wien war1). Ihm hatte er eine in der Eile geschriebene Broschüre zur Beurteilung übersandt und von Erzherzog Karl die Erlaubnis des Druckes erhalten. Weiteres darüber erfahren wir nicht.

Im Jahre 1803 war in Folge von Napoleon's Mediation [Vermittlung] der Kanton St. Gallen entstanden, und dieser erhielt nun, was die helvetische Einheitsregierung umsonst reklamiert hatte, die St. Gattische Bibliothek und das Archiv von Österreich ausgeliefert. Vergebens protestierte hiergegen Abt Pankraz in einem lateinisch und deutsch abgefassten Zirkular von Ehringen vom 26.Dezember 1803. „So kehrten dann, zu unbeschreiblichem Jubel aller Freunde des Vaterlandes und der ältern Literatur, nach einer Entfernung von sieben Jahren die Werke der gefeierten Männer von St. Gallen aus dem Mittelalter, auf die glücklichste Weise vor den Stürmen der Revolution und den Unfällen des Krieges gerettet, in ihr stilles Heiligtum am Flüsschen Steinach zurück“ 2).

P. Hauntinger war schon vorher, am 4.Oktober 1802, wieder in St. Gallen erschienen. Seine Wohnung nahm er in dem benachbarten Frauenkloster Notkersegg, das östlich von der Stadt St. Gallen lieblich auf einer Anhöhe gelegen ist und wo er bis zu seinem Ende, noch über 20 Jahre, die Stelle eines Beichtigers versah. Er mußte weltliche Kleidung tragen und genoss die 200 Gulden jährliche Pension, welche die Regierung ihm bezahlte. Im Januar 1805 konnte er von hier aus mit dem Teleskop die Abtragung des Turmes von Salem sehen, den er auf seiner Reise vor 20 Jahren bewundert hatte.

1) Briefe an Johann v. Müller. (Supplement zu dessen sämmtlichen Werken.) Herausg. v. Maurer-Constant. Schaffh. 1840. Bd. 5, S. 385 ff.

2) Weidmann, Gesch. d. Biblioth. 190.


Unterdessen war die Regierung mit der so leicht erworbenen Bibliothek nur in Verlegenheit. Es fand sich Niemand unter ihren Getreuen, der im Stande gewesen wäre, sie aufzustellen und einzurichten, und so erging am 26.April 1804 von der Regierung die Einladung hierzu „an den hochverdienten Joh. Nepom. Hauntinger“. Es gereicht ihm zur Ehre, daß er sich nicht schmollend zurückzog, sondern dem Rufe folgte. Schon zwei Tage darauf, am 28.April, begann die Arbeit mit Auspacken und Wiederaufstellen. Nach einem Jahre war dies geschehen, mit Hilfe des frühern Unterbibliothekars P. Konrad Scherrer1). Man wollte aber keinen von diesen als Bibliothekar anstellen und gab den Vorzug einem Andern, dem zwar die höhern Kenntnisse für eine solche Stellung mangelten, der dafür aber durch seine politische Gesinnung bei der Regierung besser angeschrieben stand. „Zu allgemeinem Bedauern der Freunde der Literatur, besonders der altern, weichen das Wiederaufblühen der uralten ehrwürdigen Anstalt am Herzen lag, traten die beiden einsichtsvollen und verdienten Männer Hauntinger und K. Scherrer von der Bibliothek hinweg und duldeten gelassen ihre Zurücksetzung“ 2)

Erst mit dem Spätjahr 1811 begannen für die Bibliothek wieder segensreiche Jahre, da Hauntinger aufs neue als Bibliothekar berufen wurde. Eine bessere Ordnung ward durchgeführt, seltene und kostbare Bücher und Handschriften wurden angeschafft.

In den folgenden Jahren erhielt die Bibliothek wiederholt vornehme Besuche. Am 11.November 1813 hatte der Bibliothekar „die Ehre, aber nicht das Vergnügen“, dem Kronprinzen Ferdinand von Österreich die Bibliothek zu zeigen. Am 13.Dezember 1814 kam Kaiser Franz von Österreich eine kleine halbe Stunde auf die Bibliothek; 1815 seine Tochter Maria Louise, Napoleons zweite Gemahlin.

Freudiger willkommen geheißen waren nach abgeschlossenem Frieden die gelehrten Forscher, welche aus den Handschriften kostbare Funde hoben. Voran steht Joseph Görres, welcher 1820 mit seiner Familie sich kurze Zeit in der Schweiz aufhielt, mit dem Freiherrn von Laßberg Bekanntschaft machte und, wie dieser, für die altdeutsche Literatur sammelte. Der Freiherr von Stein hörte Görres' Rat bei der Gründung der Monumenta Germaniae und schickte in dieser Angelegenheit im Herbste 1819 Büchler und Dümge nach St. Gallen. Sie gedenken neben Jldephons von Arx, in anerkennender Weise auch Hauntingers 3).

1) Von Kirchberg im Toggenburg, geb. 1764. Profeß 1783, Priester 1788, † 1838.

2) Weidmann, Gesch. b. Bibl. 195.

3) „Im Verfolge erhielten wir auch die Ehre öftern Besuches des Herrn P. Joh. Nepomuk Hauntinger, Bibliothekar, welcher schon 40 Jahre dieses Amt verwaltet und mit ausgedehnten Kenntnissen dieses Fachs auch insbesondere die gründlichste Erfahrenheit in Handschriften, dabei eine seltene Munterkeit des Geistes und des Körpers verbindet“ u. s. w. Archiv d. Gesellschaft f. ältere d. Geschichtskunde 1, 237.


Ihnen folgte 1823 Pertz persönlich. Im gleichen Jahre entdeckte Barthold Georg Niebuhr auf der Rückreise von Rom acht reskribierte Blätter mit Fragmenten des Merobaudes[Flavius M. war ein römischer Offizier fränkischer Herkunft († 383 oder 388)], die er sofort in St. Gallen drucken ließ und Hauntinger und von Arx zueignete.

Hauntinger sollte das Ende dieses Jahres nicht erleben. Am 18.Dezember 1823 endete er sein verdienstvolles Leben. Sein Freund und Ordensbruder P. Jldephons von Arx, der im folgenden Jahre auch sein Nachfolger als Bibliothekar wurde, hat seinen Namen, einen der letzten, dem St. Galler Todtenbuche beigefügt1) und in einer andern Handschrift einige pietätvolle Zeilen über Krankheit und Tod feines Freundes eingezeichnet2).

1) Codex 1442 S. 121. Scherrer, Verzeichnis S. 631.

2) Codex 939 S. 379. Vgl. Scherrer a. a. O. S. 353 und 631.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren
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