Den 30. Julius

Den 30. Julius riet uns der Herr Prälat, die berühmte Eisenschmelze zu Königsbrunn anzusehen, welche nur etwa zwei Stunden von Nietheim entfernt ist. Wir ließen uns also über Itzingen dahin fahren. Königsbrunn liegt zwischen Heidenheim und Aalen in einer mit Gebirgen umgebenen Ebene, am Ursprünge der Brenze. Ehemals war es eine nicht unbedeutende Zisterzienser-Abtei, nun aber ein herzoglich, württembergisches Amt. Das Klostergebäude steht noch, ist noch mit einer Mauer umgeben, und wird von einem protestantischen Geistlichen, der den Titel eines Abtes führt, mit seiner Familie bewohnt. Die Pfarrei wird von einem andern versehen, und so eine Abtei ist ordentlicher Weise ein Ruhesitz emeritierter Professoren, ob gleich sie nur ein gewisses von den abteilichen Renten beziehen, und das übrige dem Herzog, der hier seine Vögte hat, heimfällt. Im Klosterhofe steht ein eiserner Brunnen mit dem Bildnisse eines Königs aus demselben, von welchem der ganze Ort seinen Namen bekommt. Der dabei gelegene Flecken ist wegen seiner Schönheit nicht merkwürdig, einige Häuser ausgenommen, unter welchen sich jenes des Herrn Bletzinger vorzüglich auszeichnet, und an Größe fast einem Palaste gleicht. Dieser Mann ist es, welcher die Eisenminen, die Hammerschmiede und die Eisenschmelze als Beständer besitzet, und für alles das dem Herzoge als Lehen und Bestandschilling 30.000 Gulden jährlich erlegt. Er ist bei Hofe wohl gelitten, und wird sogar oft zur herzoglichen Tafel gezogen. Er empfing uns auf die leutseligste Art und gab uns sogleich seinen Rechnungsrevisor mit, welcher uns alles Merkwürdige zeigen mußte. Er hat noch so eine Hammerschmiede und, wenn mir recht ist, auch die Drahtfabrik zu Heidenheim, um sich von dieser Eisenschmelze einen Begriff zu machen, muß man wissen, daß er jährlich nur für Königsbrunn 800.000 Gulden ausgibt, und dadurch 2.000 Menschen Arbeit und Brod verschafft. Nun eine kurze Beschreibung davon. Die Eisenschmiede liegt kaum etliche Schritte vom Ursprünge der Brenze entfernt, welche da aus einem felsigen Berge eben so unmerklich als wasserreich hervorquillt. Das Rinnsal, worin das Wasser dieses Flusses aufgefangen wird, und das fast so lang als das daran stoßende Gebäude selbst ist, und folglich natürlicher Weise sehr lang und breit sein muß, dieses Rinnsal, sage ich, ist von lauter ungeheuer großen Stücken gegossenen Eisens verfertigt und mit Gitterwerken eingeschlossen, worauf Statuen und Wappen zu stehen kommen. Die Schaufeln der Wasserräder sind allemal von der nämlichen Materie. Einige Male sind auch die Wendelbäume von Eisen, und es gibt sogar ganze große Räder, welche vollständig nur aus Eisen bestehen; die Menge dieser großen Räder konnte ich nicht zählen. Einige davon treiben die Blasbälge, einige bewegen ungeheuere Hämmer von 7 bis 10 Zentner. Man kann diese Hämmer sachte, geschwind und am schnellsten vermittels dieser Räder arbeiten lassen, je nachdem es die Umstände fordern. Jetzt machten uns die Zyklopen ihre Manöver. Sie nahmen einen ganz glühenden Eisenklumpen von etlichen Zentnern mit kolossalen Zangen aus dem höllischen Feuer, ließen einen der größten Hämmer auf ihn los — einige Minuten, und er hatte eine ganz andere Gestalt angenommen. Kleine Kinder verrichten da, von der Gewalt des Wassers unterstützt, Dinge, welche starke Arme eines Erwachsenen ohne dieselbe vergebens versuchen würden. Auf der andern Seite des Rinnsales ist noch ein Gebäude, wo besonders große Eisenstangen so zu sagen Augenblicks verdünnt und in kleine Stänglein umgewandelt werden. Die Ordnung, wie einer den andern, der schwächere den stärkern ablöset, und wie ein Stück Eisen durch verschiedene Hände geht, bis es seine Figur bekommt, ist schön anzusehen, und wird pünktlich befolgt. Wir gingen zum Schmelzgebäude über, vor welchem große Haufen eisenhaltiger Steine, Bohnenerz und Eisenschlacken liegen. Der Ofen ist ein ungeheueres Gebäude, welches ungefähr ein und ein halbes Jahr hinter, einander mit Feuer unterhalten wird. Die Flamme, die man bei einem kleinen Seitenloche sehen kann, gibt da einen Wiederschein, den Sonnenstrahlen ähnlich, daß man es, ohne geblendet zu werden, unmöglich lange aushalten kann. Die Materie wird von obenher in den Ofen herabgelassen, und die Ziegel, oder eher die Decke des Daches ist auch von Eisenstücken, auf eiserne Latten aufgetragen. Wir besahen zwar die in den Sand gedruckten Modelle, worin sich der feurige Eisenfluss stürzen mußte, wir hatten aber nicht Lust noch drei Stunden auf seinen Ausbruch zu warten. Wir konnten uns einen Begriff davon machen, da wir von Zeit zu Zeit die Schlacken wie ein kleines Flüsschen herausrinnen sahen. Der Ofen muß täglich drei bis vier Mal ausgelassen, in anderthalb Jahren abgebrochen und ein neuer an sine Stelle gesetzt werden. Wir nahmen von den Eisenminen, Bohnenerz und Schlacken einige Stücke mit. Ein Teil der Minen ist nicht weit von Königsbrunn gelegen. Die eisenhaltigen Steine müssen zuerst gepochet, das ist geschlagen werden, ehe man sie ins Feuer wirft, und dies geschieht mit hölzernen Hämmern. Neben der Schmelze ist eine Stückgießerei, wo Kanonen, Mörser usw. aus Eisen verfertigt werden. Auch hier nahmen wir alles Merkwürdige in Augenschein, und ließen uns ein Modell eines Mörsers aufschneiden, um uns davon einen vollkommenen Begriff zu machen. Hernach besuchten wir den Eisenverlag des Herrn Bletzinger, wo allerlei Sorten eiserner Öfen in antikem und modernem Geschmack, von verschiedener Größe, Farbe usw. zu sehen sind, nur die geschliffenen mangelten wirklich. An einem andern Orte werden von eben dem Stoffe alle Sorten von Küchengeschirr und andern Mobilien aufbewahrt. Man verkauft alles im Zentner. Ich erinnere mich nicht mehr, was ein Zentner eigentlich kostet; nur weiß ich noch, daß ein kleiner Ofen von vier bis fünf Zentner etwa aus 40 Gulden zu stehen kommt. Der Handel des Herrn Bletzinger ist in seinem Fache sehr ausgebreitet; er hat sogar Speditionen bis nach Frankreich zu machen. Auf dem Rückwege zu seinem Hause besahen wir noch die Waage, wo die mit Eisensteinen und Bohnenerz beladenen Wagen abgewogen werden. Just wog man einen von etwa 35 Zentnern und für jeden Zentner bekommt der Bauer eine sogenannte Landmünze zum Fuhrlohne. Eine Landmünze ist etwa 10 bis 12 Pfennige. Wo man immer hingeht, sieht man Leute, die sich für den Herrn Bletzinger beschäftigen. Die Straßen sind alle auf eine weite Strecke mit Eisenschlacken bestreut, und von den immer hin- und herfahrenden Kohlenwagen ganz geschwärzt. Wir erstaunten sehr, als wir bei unserer Rückkunft in Herrn Bletzingers Haus uns von ihm gedrängt sahen, allerlei Arten von schon für uns zubereiteten Erfrischungen zu nehmen. Er unterhielt uns dabei sammt seinem Herrn Sohne mit angenehmen Diskursen, zeigte uns eigenhändige Briefe des Herzogs an ihn, und mir mußten noch froh sein, das er uns nicht mit Gewalt bis nach dem Mittagessen bei sich behielt. Wirklich verfertigte er eiserne Böden und Krippen für die Marställe seines Herzogs. Man beschenkte endlich noch einen jeden von uns nach dem Landesgebrauche mit einem frischen Blumenstrauße. Wir konnten unsere Erkenntlichkeit für so viele Höflichkeiten nicht anders, als mit aufrichtigem warmen Dank und mit einer Einladung erwidern, uns einst hier mit einem Gegenbesuche zu beehren, welchen Antrag er eben nicht ganz verwarf.

Wir trafen um die Mittagszeit wieder in Nietheim ein, und freuten uns, daß wir unsern Vormittag so gut und auch auf eine Art nützlich zugebracht hatten. Nachmittags fuhren wir über verschiedene Höfe, welche dem Neresheimerstifte zugehören, und meist vom jetzigen Herrn Prälaten angelegt wurden, wieder Neresheim zu. Wir hatten wohl vier Stunden zu fahren, ob man sonst gleich von Nietheim in etwa 1½ Stunden dahin fahren kann. Einer dieser Bauernhöfe ist außerordentlich groß und wirft dem Stifte jährlich etwa 2,400 Gulden Vorteil ab. Der Herr Prälat führte uns in den Konventgarten, welcher jetzt, nachdem man einen ziemlichen Berg abgetragen hat, noch ein Mal so groß wird, als er ehedem war. Auf der einen Nebenseite ist das Holzhaus, und auf der andern wird die Bibliothek hingebaut werden: ein seltsamer Kontrast. Wir gingen die Kirche zu besichtigen, deren Merkwürdigkeiten ich auf den morgigen Tag verspare, weil ich sie da mit mehr Aufmerksamkeit besah. Die Manier, mit der man die Monstranz in die Höhe treibt und wieder herablässt, ist merkwürdig: die Maschine ist eine Gattung Uhrwerk mit einer immer herumgehenden Schraube.


Die Abtei, die wir heute zum ersten Male sahen, ist alt, an sich selbst unkommod, hat auch eine gute Aussicht, allein vom Konventgebäude zu sehr entfernt, und daher unbequem. Von außen gleicht sie, wegen der kleinen Erkertürme, einem alten Schlosse. Der Speisesaal ist mit lauter Portraits jener türkischen Minister ausgeziert, welche zur selben Zeit am Staatsruder saßen, als der Abt Simbert von Neresheim, als erster Hofkaplan oder praelatus domesticus eines Grafen von Wallerstein und kaiserlichen Botschafters zu Karlowitz, 1699 und 1700 in Konstantinopel weilte. Sein Portrait ist auch im orientalischen Aufzuge unter den übrigen zu sehen1).

1) Abi Simbert Niggl von Schwangau in Bayern, erwählt 1682, wurde kaiserlicher Rath und Erzkaplan, resignierte 1706 und starb 1711. Im Jahre 1699 nahm ihn der kaiserliche Großbotschafter an der ottomanischen Pforte, Graf Wolfgang von Oettingen- Wallerstein, als Hausprälat mit sich nach Konstantinopel. Am 12. März 1701 kam er zurück und hielt in türkischer Kleidung seinen feierlichen Einzug im Kloster. Anf. Lang, kurze Geschichte des ehemaligen Klosters und Reichsstiftes Neresheim. Nördlingen 1839. S. 32. ff.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren