Den 22. Julius

In der Frühe begab ich mich allein aus den Sogenannten unser Lieben Frau-Gottsacker, eine Filialkirche von unser Lieben Frau-Stift. Sie führt den Salvatorstitel und ist 1494 gebaut worden. Sie hat nur drei Altäre. Hier las ich für die Ruhe meiner Großeltern, welche hier begraben sind, das heilige Messopfer bei der schmerzhaften Mutter, nahe bei der Türe, wo man in den Freythof hinausgeht, besuchte hernach den Ort ihrer Grabstätte und besah einige merkwürdige Monumente in und außer der Kirche. Hier in diesem Gottesacker steht noch die alte Ritterkapelle, worin vormals die St. Georgenritter geschlagen, und auch zum Teil dahin begraben wurden; es kann also da an merkwürdigen alten Monumenten nicht fehlen.

Als ich durch den prächtigen Paradeplatz wieder im Gasthofe ankam, ward eingespannt, und nun fuhren wir Nymphenburg zu. Wo sich auf dem Wege dahin die Heerstraße mit der Nymphenburger Straße vereinigt, ist sie von beiden Seiten mit Alleen umgeben. Zuerst kommt man auf Neuhausen, ein Dorf, wo sich ein kurfürstliches Schloß und Jägerhaus befindet. Das Dorf stand Jahrhunderte früher, ehe man etwas von München wußte. Etwa eine kleine Stunde, ehe man zu Nymphenburg ankommt, fährt man neben lauter Alleen von Linden und andern Bäumen zur Seite des großen Kanals, welcher vom Starenberger- oder Würmsee hergeleitet wird. Der Kanal ist schiffbar und geht durch den ganzen Nymphenburger Garten durch. Der Anblick der Gebäude an diesem Orte ist außerordentlich prächtig. Alle zusammen genommen gestalten ein ganz reguläres Amphitheater, welches ganz ausnehmend schön läßt. Der Platz vor diesen Gebäuden ist mit grünem Rasen, mit einem kleinen Weiher u. s. f. besetzt. In der Mitte dieses Amphitheaters herrscht der herrliche Palast weit über die andern Gebäude hinaus, zu welchem man durch eine prachtvolle marmorne, mit Balustraden, Vasen und Löwen verzierte Stiege von zwei Seiten hinkommen kann. Um diesen Mittelpunkt ziehen sich auf beiden Seiten in Form eines Halbzirkels verschiedene Gebäude hin, welche man alle auf ein Mal zu Gesichte bekömmt, und welche einander mit einer vollkommenen Symmetrie entsprechen. Die beträchtlichsten sind die St. Magdalenenkirche, das Kloster der englischen Fräulein von Notre-Dame, das Kapuziner-Hofpitium, die Porzellanfabrik, die kurfürstlichen Marställe u. s. w. Die ganze Strecke dieser Gebäude ist mit Blitzableitern versehen. Im Vorbeigehen merke ich an, daß den Augenblick, da wir in Nymphenburg eintrafen, der Prinz Wilhelm von Birkenfeld bei Gelegenheit eines nahe bevorstehenden Festes bei Hofe in einem sechsspännigen Wagen mit der Post ankam.


Wir wurden sogleich durch einen Kammerbedienten in die prächtigen Säle, Wohnzimmer, Kabinette u. s. w. eingelassen, welche alle schön ausgeschmückt sind, doch so, daß die Residenz in München diesen unendlich viel voraus hat. Auch den Speisesaal und das Spielzimmer vergaß man nicht, uns zu weilen. Einige bedeckte Gänge sind mit zierlichen Gemälden ausgeziert, davon sind jene für einen Fremden merkwürdig, welche alle kurfürstlichen Lusthäuser der Reihe nach in Prospekten vorstellen. Dann besahen wir die Zimmer, welche die Kaiserin Amalie bewohnte, wo man noch die kleinen verborgenen Zimmerchen zeigt, wo sie der Andacht oblag. Ich habe mich oben im Münchener Paläste so lange mit Beschreibung der Zimmer aufgehalten, daß ich nicht notwendig habe, hier Vieles davon hinzuschreiben. Es ist genug, wenn ich überhaupt bemerke, daß sie anmutig abwechseln, mit kostbaren in- und ausländischen, auch chinesischen Tapeten behangen, und mit schönen Lüstern, Kaminen, Spiegeln, Porzellan-Servicen und Gemälden geziert sind. Von den letztern sind zwei Stücke recht sehenswert. Eines von Tenier stellt die ganze Luxemburger Gemälde-Galerie in vier Tafeln perspektivisch vor. Das andere enthält auf zwei größeren Stücken wenigstens 100 Portraits des Bayerischen und Pfälzischen Hauses mit ihren damaligen vornehmsten Staatsbedienten.

Der Nymphenburger Garten, den man von außen nur in etwa drei Stunden umgehen kann, läßt sich fast in gar keine Beschreibung bringen. Durch einen Bogen im mittlern Gebäude und durch Seitenöffnungen, welche mit eisernen Gittern verschlossen werden können, gelangt man dahin. Welch ein Anblick! Sehen und anstaunen kann man ihn, aber vom Beschreiben läßt sich kein echter Begriff davon machen. Der Garten ist in einem Walde angelegt, welcher sich außer der Gartenmauer wieder aus etliche Stunden weit fortzieht. Die größere Austeilung dieses Lustortes soll, wie man uns versicherte, nach jenem von Versailles angelegt sein; er soll nach diesem einer der prächtigsten Europas, und unstreitig der schönste in ganz Deutschland sein. Er ist in große Partien abgeteilt, und diese sind auf allen Seiten mit weiten Alleen und Gängen durchschnitten. Am Ende der Gänge oder Alleen sind immer Statuen, Wasserwerke oder Grotten angebracht. Das vorzüglichste dieses Gartens besteht unstreitig in den Wasserspielen. Das Wasser wird, wie schon gejagt, vom Würmsee hergeleitet, und der ganze Garten ist mit Kanälen, Teichen, kleinen und großen Springwassern angefüllt. Bald schäumen mächtige Wassersäulen empor, bald plätschern kleine sanfte Springbrunnen, bald tändeln sie einzeln, bald arbeiten sie einander in großer Menge harmonisch entgegen. Daß man auf dem großen Kanal den ganzen Garten beschiffen kann, habe ich auch schon gemeldet. In diesem Kanale schwimmen in abgeteilten Haufen Schwäne, von einem Chore ihrer Jungen begleitet, und zeigen dem Wanderer, der über die Wasserbrücken setzet, stolz das blendende Weiße ihres Federschmuckes zur Schau. Außer diesem Kanal, den man auf allen Seiten des Gartens sieht, kann man kaum einige Schritte tun, ohne auf Springbrunnen zu stoßen, welche fast allezeit in kleinen Teichen, deren Mitte mit bleiernen, vergoldeten Götterbildnissen ausgeziert ist, angetroffen werden. Das wäre nun die Beschreibung dieses Gartens überhaupt. Wir hielten uns darin über drei volle Stunden auf, gingen immer, ohne auszuruhen, darin herum, und doch mußten wir die vorkommenden Merkwürdigkeiten noch flüchtig genug besehen, um damit endlich zu einem Ende zu kommen.

Nun liefere ich noch eine etwas umständlichere Beschreibung der darin enthaltenen Merkwürdigkeiten. Gleich also, wenn man in diesen Garten kömmt, sieht man ein langes, weites Viereck, dessen Seitenalleen mit hohen Bäumen besetzt sind. In der Mitte ist ein großer, über 100 Schuhe breiter Teich, und in dessen Mitte kolossale Figuren, aus Blei gegossen, welche eine unglaubliche Menge Wassers von sich spritzen. Diese Figuren stellen Wassergötter, Nymphen, Genien u. s. w. vor. Im nämlichen Teiche sind noch andere dergleichen Figuren von Tritonen, Delphinen, und um den Teich herum eherne Frösche, weiche die nämliche Arbeit verrichten. Der ganze Teich ist mit großen marmornen Vasen umgeben. An beiden Seiten der Alleen sind zwischen den großen Bäumen in allem 16 Statuen von weißem Marmor, jede acht Schuhe hoch, aufgestellt, welche die Hauptgötter und die vornehmsten Göttinnen Roms vorbilden. Wir nahmen hier einen Führer mit uns, der uns alle merkwürdigen Orte in diesem Garten, und auch die Wege zeigen mußte, damit wir die Zeit nicht mit unnützem Herumschweifen zersplitterten. Wir gingen also unter Anführung eines bayerischen Dragoners durch verschiedene Um- und Abwege, Alleen, Gebüsche, Wäldchen, Wasserbrücken, bei Teichen, Spring- und Vexierwässern, Orangeriegärten, Irrgärten und wie diese Sachen alle heißen mögen, vorbei in die Klause, einen Ort, der ganz vom Getümmel entfernt, an eine Seite des Gartens hingebaut ist. Es ist ein großes Gebäude, von außen mit allem Fleiße so zugerichtet, daß man im Ernste meinte, die Mauern hätten Risse und drohten Einsturz. Die Wohnungen sahen wir nicht, sondern nur die Kapelle, welche drei Altäre hat und zur Ehre der büßenden Magdalena eingeweiht ist. Sie ist ganz mit lauter Meermuscheln, Korallen, Meerschwämmen und andern Meerprodukten eingekleidet, und aus dem nämlichen Stoffe sind auch die Altäre verfertigt. Auf dem Hauptaltare ist die Bildsäule der heiligen Magdalena von weißem Marmor zu sehen.

Nach einer beträchtlichen Strecke kommt man nun auf der nämlichen Seite des Gartens zu einem andern Gebäude, das Pagodenburg heißt, weil es ganz aus die Art einer chinesischen Pagode gebaut ist. Unten in diesem Gebäude ist ein Saal, der zu einem Speisezimmer dient, im oberen Stockwerke ein Vorzimmer mit einem Balkon, ein Kabinett, ein Schlafzimmer, alles auf chinesische Art prachtvoll geziert. Das Merkwürdigste an diesem Gebäude ist, daß inwendig die ganze Mauerwand allerorten mit blaubemaltem Porzellan eingelegt ist, so daß man gar kein Stück einer Mauer sehen kann, sondern wo man nur hinblickt, Porzellanmauern vor sich hat. Jetzt erhebet sich der Garten nach und nach, man wandelt wieder durch zahlreiche abwechselnde Alleen, durch deren Mitte wieder ein Kanal durchschleichet, der sich am Ende in einem Teiche sammelt und dann im Herabstürzen einen prächtigen Wasserfall gestaltet; die Pflaster oder Terrassen um diese Kaskade und etwa drei bis vier erstaunlich große Becken, durch welche das Wasser hinabglitscht, sind durchweg von rotem Marmor. Um diese Kaskade herum stehen wieder weiße marmorne Statuen, welche Halbgötter, mindere Göttinnen und dann die Flüsse Donau und Isar vorstellen. Bei Gelegenheit dieser Statuen bemerke ich, daß sich oft auch in Gebüschen und Lustwäldchen einzelne Statuen und Brustbilder und eine Menge der letztern nahe am Schlosse in einem von dem großen abgesonderten kleinern Garten befinden.

Wir hatten hier eine Seite des Gartens durchgereiset und sahen nun wieder von ferne das am Ende prangende Palastgebäude, von dem wir durch verschiedene angenehme Umwege hergekommen waren. Wir schlugen nun auf die andere Seite um, damit wir auch da noch das Merkwürdigste besehen mochten. Wir kamen nach einigen Abwechselungen, unter denen ein großer Teich mit Wasserwerken, die einen ungeheuer großen Blumenbusch vorstellen, und das Wasser eben so hoch als mannichfaltig auftreiben, merkwürdig ist, in den Fasanengarten, wo die Hühner in eigens dazu eingerichteten Häuschen von Holz, oder auch nur von Reisern, verpflegt werden. Alles wimmelte auf einmal, da ihnen in unserer Gegenwart Futter ausgestreut wurde, und wir hatten Gelegenheit genug, ihre unterschiedlichen Arten zu betrachten. Dann langten wir beim Badhause an, einem kleinen Palast mit vielen ausgeschmückten Zimmern; das merkwürdigste davon ist das Badzimmer, das ganz mit Marmor ausgekleidet und von oben mit einem marmornen Brustgitter versehen ist. Dieser
Ort ist zugleich die Schwimmschule für junge Herrschaften und Kavaliere.

In diesem Gebäude (oder in Amalienburg, ich kann es nimmer entscheiden) sind die Originale der antiken Köpfe zwölf alter römischer Kaiser, welche zur Verzierung des untern Saales in Nischen angebracht sind, sehr sehenswert; sie sind aus weißem Marmor. Von ferne zeigten sich uns zwei große Wassertürme, worin sich die Pumpwerke befinden; die große geräumige Wohnung des Hofgärtners und seiner untergebenen Gartenbedienten, das Treibhaus und alle die Gebäude die zum Gartendienste gehören, und wir kamen endlich über einen kleinen Wasserfall bei dem letzten Palaste dieses Gartens, der Amalienburg heißt, an. Der untere Saal ist ganz mit Spiegelwerken verziert; als Seltenheiten zeigt man hier die Küche, worin die Kaiserin Amalie gekocht, und ein vollkommenes Küchen-Service von aller möglichen Zubehörde, aus Erde verfertigt. Die Verzierungen der Zimmer bestehen meist aus bayerischen Jagdfestivitäten, Portraits und verschienen Prospekten des Nymphenburger Gartens. Im Bezirke dieses Gartens ist noch ein Gewildgarten, worin Hirsche, Rehe u. s. w. eingefangen sind. Wir gingen vorbei, weil wir wußten, daß wir seitwärts auf unserer Rückfahrt nach München einen weit schönern Wildfang antreffen würden. Wir gingen also, ganz von dem Annehmlichen und Prächtigen dieses Ortes eingenommen, zurück und schickten uns, nachdem wir die schöne im modernen Geschmacke ausgezierte Hofkapelle besehen hatten, zur Rückfahrt nach München an.

Um diese Reviere sind (nahe bei einem der Gasthäuser) große mit Baum-Alleen besetzte und vor der brennenden Mittagssonne geschützte Plätze, wo bei schönem Wetter ganze Gesellschaften unter freiem Himmel ihr Mittagsmahl halten, und andere sich im Schatten mit allerlei Gattungen der Spiele bei selbstgewählten Erfrischungen ergötzen. Das Einzige, was einem Fremden in Nymphenburg sehr ungelegen fällt, ist eine unzählige Menge Bettler, welche Einem jeden Schritt Weges durch ihr Ungestüm streitig machen, und oft in einer Viertelstunde wohl drei bis vier Mal bei der nämlichen Person um ein Almosen anhalten. Das möchte wohl keine Probe von einer guten Polizeiordnung sein, da sich diese Unordnungen gerade vor dem Palaste und im Angesichte des Kurfürsten zutragen. Im Garten und im Palaste selbst muß man es sich zum Glück anrechnen, daß man ungeschoren fortkommt.

Im Rückwege auf München ließen wir uns zu dem nahe gelegenen Wildfange führen. Es ist ein zum Teil ausgehauener Forst, worin etwa 120 Stück der größten Hirsche, Rehe u. s. w. eingesperrt sind. An verschiedenen Orten dieses Waldes sind an Hütten, Jägerhäusern und Stangen herrlich am Feuer vergoldete Spitzen oder Knöpfe angebracht, an deren Glanze, wenn die Sonne darauf scheint, sich diese Tiere ergötzen und dadurch ihr natürlich scheues Wesen verlieren und geselliger werden. Man wies uns auch einen kleinen umschlossenen Ort, wo sich ein Hirsch oder ein anderes Tier, wenn es, wie es sehr leicht geschieht, dahin getrieben wird, vermittels eines Schnellgitters oder einer Falle selbst fangen und einsperren muß. Ungefähr in der Mitte dieses Waldes ist ein ziemlich großes Häuschen aus Latten, durchsichtig wie ein Vogelkäfig gebaut, wohin man sich hinstellt, wenn man alle Tiere aus dem ganzen Walde zusammenkommen läßt. Das Zeichen zu dieser Zusammenkunft wird entweder durch Losbrennung einer Flinte, oder aber, wie es bei uns geschah, mit Läutung eines Glöckleins gegeben, und den Augenblick drängen sich alle Tiere aus den entfernten Gegenden des Waldes dem Häuschen zu, so daß nicht eines davon zurückbleibt. Man gibt ihnen sodann zum Lohne ihres Gehorsams in die rings um den Käsig gezogenen Tröge eine Gattung Dattelkörner, nach welchen sie sehr lüstern sind. Während ihres Naschens hat man Muße genug, sie anzugucken und selbst die zahmeren zu streicheln, und diese Tiere sind die schönsten und größten, weil, sie eigens aus den Forsten dazu ausgewählt werden, Tiere, die kleinen Pferden an Größe nicht viel nachgeben, und Geweihe von seltener Größe tragen. Dann kommen noch mehrere kleine Einfänge, einer, worin man uns als etwas sehr Seltenes zwei junge Gämsen zeigte, denen man zu ihrer Lust kleine Felsengebirge aufgetürmt.

In einem andern Eingange ist ein Holzgarten angelegt; man trifft darin eine sehr große Menge verschiedener Erdgattungen und alle Sorten Setzlinge von Waldholz in abgesonderten Beeten an, mit welchen man Versuche macht, in welch einer Erde eine jede Gattung Holz am besten und geschwindsten gedeihe. Man bedient sich hernach der gemachten Bemerkungen mit vielem Nutzen, wenn es auf Anlegung und Verbesserungen der Wälder oder auch Alleen und Gebüsche ankommt.

Und nun wieder in München bei Herrn Niclas Pracher, einem andern Halbbruder P. Bedas, welcher die Stelle eines Sekretärs bei dem Hofkammerdikasterium bekleidet, ein recht feiner, aufgeräumter Mann, ein Liebhaber der Lektüre und Musik. Er ließ uns freundschaftlich zu seinem Mittagsmahle einladen und würde es ungern genommen haben, wenn mir ihm nicht darin entsprochen hätten. Wir hatten bei ihm Gelegenheit, mit einem Chorherrn vom Frauenstifte bekannt zu werden, ein gesprächiger, verbindlicher Herr, den er als einen seiner besten Freunde auch zu sich gebeten hatte.

Wir hatten uns entschlossen, unsere versiegelten Reiskoffer nicht öffnen zu lassen, bis wir in Augsburg eintreffen würden. Wir besorgten, es möchte uns etwa von einem Mautner eine Schikane gespielt werden, weil Herr Beda in unserm gemeinschaftlichen Reisegepäcke verschiedene Geschenke mit sich führte, welche uns das Ansehen von Contrebandiers geben, und uns in einige Verlegenheit hätten setzen können. Wir mußten aber bei unserm längern Aufenthalte in München unsern Entschluß ändern. Wir ließen einen ehrlichen Mautner mit einer alten Stockperücke kommen, welcher die feierliche Zeremonie der Entsiegelung und Durchsuchung unseres Reisegepäckes verrichten mußte und uns für eine Belohnung die gedruckte Versicherung gab, daß wir nur die notwendigsten Reisewaren mit uns führten, und so konnten wir nun, wenn wir Zeit gehabt hätten, in ganz Bayern als ehrliche Leute herumschweifen.

Nachmittags machten wir dem aus der Hauptwache heute kommandierenden Hauptmann Pracher eine Visite. Dieser Mann ist ganz Soldat, immer ernsthaft und in diesem Stücke der wahre Antipode seiner Herren Brüder. Weil wir just von Soldaten Meldung machen, so muß ich es zum Ruhme der bayerischen Truppen, die wir hier in München, in Landsberg und Donauwörth gesehen haben, anmerken, daß sie meist aus jungen, wohlgewachsenen und reinlich gekleideten Soldaten bestehen. In München liegen vier Regimenter zu Fuß und ein Kavallerie-Regiment, zu Landsberg und Donauwörth an jedem Orte 500 Mann.

Die noch drei übrigen Stunden des sinkenden Tages verbrachte einer mit Besuchen, einer mit Schlafen und ich mit — Nichtstun. Mein Wunsch war, die berühmte Augustiner-Bibliothek zu besuchen. Ich war schon im Anzuge dahin, als sich der Sohn des Herrn Albert selbst erbot, mit mir zu gehen, weil er da mit einem gelehrten Manne Bekanntschaft hätte; allein er zauderte von einer halben Stunde zur andern, unterhielt mich erst mit Diskursen, und dann auf einem Flügel, den er meisterlich traktiert; die Anständigkeit wollte es indessen auch nicht erlauben, mit Gewalt fortzudringen. Nun war es Nacht, und nun ward mein ganzer Plan, von dem ich mir im literarischen Fache keinen unbedeutenden Nutzen versprach, zu nichts. Auf den Abend entschlossen wir uns, den folgenden Tag um acht Uhr unsere Reise bis Augsburg fortzusetzen. Die Post säumte uns fast eine Stunde, und indessen überredete uns unser Gastgeber, noch einen Tag in München zu verbleiben, weil er eben Zeit hätte, uns noch unterhaltende und nützliche Dinge zu zeigen. Es ward also ausgespannt, und wir entschlossen uns, hauptsächlich der Komödie wegen, noch einen Tag hier zuzubringen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Süddeutsche Klöster vor hundert Jahren